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Hochdruck als alternatives Verfahren zur Haltbarmachung von Lebensmitteln

Frisch aus der Presse

Sichere und gesunde Lebensmittel sind ein Grundbedürfnis. Methoden zur Haltbarmachung müssen daher die Aspekte Sicherheit sowie hohen Nähr- ­und Genusswert gleichermaßen berücksichtigen. Thermische Verfahren und Tiefkühlung sind etabliert, stoßen aber naturgemäß an ­Grenzen. Unter den aktuellen Entwicklungen besitzen Methoden, die hohe Drücke anwenden, ­die größte Marktreife. Sie versprechen neben Haltbarkeit analog zur Pasteuri­sation Vitamingehalte wie in Frischware und ein nahezu unverfälschtes Aroma. An der Technischen Universität Dresden werden die ­aus einer Druckbehandlung resultierenden, lebensmittel­chemischen Phänomene untersucht.

Lebensmittel werden idealerweise frisch verzehrt. Geschmack und Nährwert sind dann ­optimal – das ist eine Binsenweisheit. In vielen Fällen ist es aber nötig, Wege zur Haltbar­machung zu finden, da das Lebensmittel z.B. noch transportiert oder gelagert werden soll. Obwohl diese Methoden (z.B. Pasteurisation) technologisch sehr ausgefeilt sind, bleiben ­Defizite z.B. hinsichtlich Farbe oder Vitamin­erhalt. Die Suche nach besseren Wegen zum Erhalt unserer Lebensmittel ist aktuell ein sehr dynamischer Prozess.

Von den derzeit vorgeschlagenen Methoden [1] hat sich Hochdruck am weitesten im Markt etabliert. Erste erfolgreiche Versuche zur Keimzahlreduzierung in Lebensmitteln wurden von Hite et al. bereits 1899 durchgeführt. 1914 ­demonstrierte Bridgman an Eiklarprotein die denaturierende Wirkung von Druck. Die kommerzielle Produktion hochdruckbehandelter ­Lebensmittel begann 1991 in Japan und wurde 1996 in den USA sowie in Europa eingeführt. Entsprechend stieg die Anzahl der eingesetzten Anlagen vom einstelligen Bereich Anfang der 90er auf 158 in 2010. Für 2015 wird der Betrieb von mehr als 350 Hochdruckanlagen weltweit vorausgesagt. Aktuelle Anlagengrößen lassen ­einen Durchsatz von bis zu 3.000 kg/h zu (Abb.1).


Abb.1 Kommerzielle Hochdruckanlage der Firma Hiperbaric

Druck wirkt augenblicklich und gleich­mäßig im gesamten Lebensmittel, sodass Größe, ­Zusammensetzung und Form unerheblich für die physikalische Wirkung sind. Dabei wird das Lebensmittel selbst oder das verpackte Lebensmittel mithilfe einer Flüssigkeit für einige Minuten (i.d.R. 3–5 min.) unter Drücken bis 800 MPa (i.d.R. bis 600MPa) gesetzt (Abb.2). Zum Vergleich: In einer Meerestiefe von 10.000Metern herrscht ein Druck von ca. 100MPa. Die ­während des Prozesses geleistete Kompressionsarbeit führt unter adiabatischen Bedingungen zu einer Erwärmung von ungefähr 3K je 100MPa.

Das Volumen der Lebensmittel verringert sich während der Druckbehandlung in Abhängigkeit vom aufgebrachten Druck. Daher muss die Verpackung in der Lage sein, eine Kompression um bis zu 15% und die Rückkehr zur Original­größe ohne Verlust der Dichtigkeit zu überstehen.

Nahrungsmittel und Inhaltsstoffe

Druck wirkt hauptsächlich auf nichtkovalente Wechselwirkungen (Wasserstoffbrücken, hydrophobe und ionische Bindungen) und ­verändert damit die Struktur und Funktion von Makro­molekülen (z.B. Proteinen). Kovalente Bindungen werden aber bei moderaten Temperaturen nicht beeinflusst, daher bleiben viele Inhaltstoffe mit kleiner Molekülgröße wie z.B. Vitamine sowie das Aroma in der Regel unverändert (Tab.1).


Tab.1 Zu erwartende Veränderungen unter Hochdruck

In den Anfängen wurden hauptsächlich Fruchtprodukte wie Säfte, Pulpen und Frucht­zubereitungen bzw. Marmeladen behandelt, die aufgrund ihres ausgezeichneten Aromas als ­Premiumprodukte auf den japanischen Markt kamen. In den USA wurde eine Avocadopaste (Guacamole) in den Verkehr gebracht, die statt der üblichen drei Tage eine Haltbarkeit von 30 Tagen hat. Inzwischen werden hauptsächlich in Nordamerika auch zunehmend hochdruckbehandelte Fleischprodukte angeboten. Neben rohem Schinken, der nach Druckbehandlung auch gefahrlos von Schwangeren verzehrt werden kann, sind derzeit auch Fertigmahlzeiten (z.B. Risotto mit Pilzen) in der Entwicklung, ­deren Haltbarkeit derzeit mit 45 Tagen angegeben wird. Spannend sind Entwicklungen bei Meeresfrüchten und Krebstieren. Druck führt bei diesen Produkten zu einer leichteren Verarbeitbarkeit. Hummer kann nach einer Druck­behandlung fast mühelos aus seinem Panzer geschält werden.

In Europa sind hochdruckbehandelte Lebensmittel derzeit noch nicht so stark etabliert, da vor der Vermarktung hochdruckbehandelter Produkte die Novel-Food-Verordnung (VO Nr. 258/97) ­sowie zur Kennzeichnung die Lebensmittelinformations-Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 beachtet werden müssen.

Neben der Stabilität von Nährstoffen ist auch ihre Zugänglichkeit von Bedeutung. Eigene ­Arbeiten ergeben auf diesem Feld ebenfalls neue Perspektiven. An püriertem Spinat konnte in Zusammenarbeit mit der Universität Jena ­gezeigt werden, dass für verschiedene ernährungsphysiologisch wertvolle Carotinoide, speziell Lutein, die Bioverfügbarkeit durch eine Hochdruckbehandlung um mehr als 30% ­gesteigert werden kann [2].


Abb.2 Prinzipielle Wirkungsweise von Hochdruckanlagen zur ­Lebensmittelbehandlung

Mikroorganismen unter Druck

Ein hervorstechender Effekt von hohem Druck ist die Inaktivierung von Mikroorganismen, die über mehrere Mechanismen erfolgen kann. Im Vordergrund steht die Denaturierung überlebensnotwendiger Enzyme und anderer Proteine (z.B. Transmembranproteine) sowie der Verlust der Eigenschaften der Biomembranen, da sich diese unter Druck verfestigen. Auch mechanische Schädigungen führen zur Abtötung von Hefen, Pilzen und Bakterien. Vegetative Zellen reagieren verallgemeinert in der Reihenfolge Hefe > Pilze > gram-negative Bakterien > gram-positive Bakterien meist recht empfindlich auf Druck. Für eine Inaktivierung der Lebend­zellzahl um fünf Logeinheiten genügen bei 600MPa und 30°C Temperatur oft schon 120s. Mit dieser Vorgehensweise werden in erster ­Linie die ­Bedingungen einer Pasteurisierung ­erreicht. Da einige Spezies sehr druckresistent sind (z.B. ­einige E. coli-Arten) bzw. Sporen ­bilden können (z.B. Bazillus und Clostridien), die auch sehr hohe Drücke über 1.000MPa aushalten, wurden für eine Sterilisierung mithilfe von Druck spezielle Verfahren unter zusätzlicher Erhitzung entwickelt [3]. Neben Mikro­organismen ist es auch möglich, Viren mittels Druck zu inaktivieren, was sich z.B. bei Austern, die in ­Europa oft roh verzehrt werden, positiv auf die Produktsicherheit auswirkt.

Enzyme unter Druck

Da Proteine unter Druck denaturiert werden, werden auch viele Enzyme, die die Lebensmittel­qualität negativ beeinflussen, inaktiviert [4]. So können Polyphenoloxidasen, die sonst die Braunfärbung pflanzlicher Lebensmittel (z.B. Kartoffel oder Banane) beim Zerkleinern verursachen, ohne Zusatz von Sulfit gehemmt werden. Andere Enzyme wie z.B. das eiweißspaltende Thermolysin werden unter Druck aktiviert oder sind zumindest eine Zeitlang aktiv.

In diesem Zusammenhang war es für uns von Interesse, zu erklären, welche Merkmale bei Enzymen dazu führen, dass sie unter Druck entweder stabil oder labil sind. Am Beispiel mikro­bieller Transglutaminase (mTG) konnte gezeigt werden, dass von den Struktur­elementen, die am Aufbau eines Enzyms beteiligt sind, besonders ?-helikale Bereiche empfindlich sind. Da die Struktureinheiten der mTG, die für ihre Funktion verantwortlich sind, aber in druck­stabilen ?-Faltblattregionen liegen, kann das ­Enzym geraume Zeit unter Druck arbeiten. Hier zeigt mTG nun ein neuartiges Verhalten, indem sie Substrate, z.B. ?-Laktoglobulin aus Molke, die von ihr unter Normaldruck nicht verwertet werden, umsetzen kann. In Milchprodukten zeichnet sich so die Möglichkeit ab, neuartige Gelstrukturen zu schaffen [5].


Abb.3 Forschungsanlage an der Technischen Universität Dresden

Chemie

Im Gegensatz zu mikrobiologischen Unter­suchungen weiß man über den Ablauf lebensmittelchemischer Reaktionen unter Druck relativ ­wenig. Grundlegende Vorgänge wurden untersucht [5] und alle Reaktionen, die sich durch ­Verringerung des Volumens auszeichnen, werden nach dem Prinzip von Le Chatelier begünstigt. Hauptmerkmale sind der geringe Einfluss von Druck auf kovalente Bindungen sowie die Förderung von Reaktionen, die unter Ladungsbildung ablaufen.

Unsere Arbeiten setzen an Reaktionen ­zwischen Kohlenhydraten und Proteinen an. Bei der Verarbeitung (Braten, Backen) von ­Lebensmitteln sind diese Komponenten für die Bildung von Farbe und Aroma verantwortlich. Diese Vorgänge werden unter der Bezeichnung Maillard-Reaktion zusammengefasst. Die ersten orientierenden Untersuchungen Anfang der 1990er-Jahre gingen von einem global hemmenden Einfluss von Druck auf das Reaktionsgeschehen aus. Eigene Studien zur Reaktion zwischen den Aminosäuren Lysin und Arginin sowie dem C5-Zucker Ribose führten im ­Gegensatz ­dazu mit ansteigendem Druck zu einer ­steigenden Menge an Pentosidin, einem Indikator der fort­geschrittenen Maillard-Reaktion. Für ähnliche Reaktionsprodukte der Aminosäure Lysin mit Glucosederivaten (Pyrralin, N-Carbo­xymethyl­lysin) konnte jedoch eine verringerte Bildung nachgewiesen werden [7]. Unter Normaldruck werden für alle drei ­genannten Verbindungen mit steigender Temperatur, steigende Konzentrationen gefunden. Das zeigt, dass aus den ­unter Normaldruck durchgeführten Untersuchungen kaum Vorhersagen auf das chemische Verhalten von Lebensmittelinhaltstoffen unter Hochdruck zu ziehen sind. In weiteren Unter­suchungen mit Arginin und Glucose fanden sich dann ebenfalls ­erhöhte Mengen an Reaktionsprodukten mit steigendem Druck.

Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse kann man also davon ausgehen, dass einige ­lebensmittelchemische Reaktionen unter Druck verstärkt ablaufen werden. Dass es dabei zur Bildung von Substanzen mit negativen Aus­wirkungen auf die Produktsicherheit kommt, ist jedoch nicht zu befürchten.

Ausblick

Druck bietet eine schonende Möglichkeit, ­Lebensmittel zu pasteurisieren bzw. zur Haltbarmachung auf Konservierungsstoffe verzichten zu können („Clean labeling“). Im Zuge technischer Entwicklungen ist zu erwarten, dass diese Technik preisgünstiger wird und damit zukünftig häufiger zum Einsatz kommt. Neben der Behandlung traditioneller Lebensmittel stellt Hochdruck aber auch eine Möglichkeit dar, neuartige Produkte auf den Markt zu bringen. Untersuchungen zu den lebensmittelchemischen Grundlagen einer Hochdruckbehandlung werden auch zukünftig ein Thema an der TU Dresden sein.

Literatur
[1] http://www.fda.gov/Food/FoodScienceResearch/SafePracticesforFoodProcesses/ucm100158.htm
[2] Arnold C. et al. (2014) LWT - Food Sci. Technol. 57, 442–445
[3] Meyer R.S. et al. (2000) Food Technol. 54, 67–72
[4] Hendrickx M. et al. (1998) Trends Food Sci. Technol. 9, 197–203
[5] Lauber et al. (2003) Eur. Food Res. Technol. 216, 156hn
[6] Tauscher, B. (1995 Z. Lebensm. Unters. Forsch. 200(1), 3–13
[7] Schwarzenbolz, U. et al. (2000) Czech. J. Food Sci. 18 Special Issue, 65–66

Foto: © istockphoto.com | omersukrugoksu, chang
panthermedia.net | Edward Westmacott

L&M 6 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2015.
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