L&M-5-2013
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NMR im Festkörper
NMR im FestkörperStrukturen und ihr WandelWährend die kernmagnetische Resonanz (Nuclear Magnetic Resonance, NMR) in Lösung (siehe labor&more 1.13) jedem Chemiker geläufig ist, ist die Festkörper-NMR für viele Chemiker immer noch eine eher exotische Technik. Ihre Hauptanwendungsgebiete liegen im Bereich der chemischen Analyse von unlöslichen Verbindungen, der Untersuchung von elektronischen Strukturen in leitfähigen Systemen und, allgemein ausgedrückt, in der Charakterisierung und Untersuchung struktureller und dynamischer Eigenschaften fester Systeme. Seit nunmehr gut vier Jahren ist die Festkörper-NMR auch am Fachbereich Chemie der Technischen Universität Darmstadt in Form des Arbeitskreises Buntkowsky vertreten. Zusammen mit den Arbeitskreisen von Prof. Christina Thiele (orientierende Medien) und Prof. Michael Reggelin (Lösungs-NMR) wird dadurch die gesamte Bandbreite der chemischen Anwendungen von NMR-Spektroskopie am Fachbereich Chemie abgedeckt. Damit wird die NMR ein zentrales Bindeglied vieler Bereiche chemischer, biologischer, biochemischer, pharmazeutischer, medizinischer und materialwissenschaftlicher Forschung. Weil demnächst das kürzlich von der DFG bewilligte Festkörper-DNP-NMR-Spektrometer (DNP = dynamische Kernspinpolarisation) zur Verfügung steht, wird das Anwendungsspektrum der Festkörper-NMR in Darmstadt noch einmal bedeutend erweitert. Der vorliegende Artikel versucht, einen sehr knappen Einblick in die mit Festkörper-NMR-Spektroskopie in Darmstadt untersuchten Fragestellungen zu geben. Dazu wird zunächst eine kurze Übersicht über die Grundlagen der Festkörper-NMR gegeben und danach werden zwei typische Beispielanwendungen aus den Bereichen Strukturanalytik von Enzym-Substrat-Modellkomplexen und heterogener Katalyse vorgestellt. Der wesentliche Unterschied zur Flüssigkeits-NMR ist das Auftauchen orientierungsabhängiger (anisotroper) Wechselwirkungen wie zum Beispiel der chemischen Verschiebungsanisotropie (CSA), der magnetischen dipolaren Wechselwirkung und bei Spins mit I >1/2 der Quadrupolwechselwirkung. Diese zusätzlichen Wechselwirkungen enthalten vielfältige Informationen sowohl über die Struktur der untersuchten Verbindung als auch über vorliegende Dynamiken. Untersuchung von Enzym-Substratkomplexen Als erstes Anwendungsbeispiel sei die Untersuchung der Substratbindung an das Enzym Nickel-Superoxiddismutase durch Analyse der Festkörper-NMR-Struktur eines peptidbasierten Modellkomplexes kurz vorgestellt: Im Verlauf des aeroben metabolischen Zyklus treten reduzierte Formen des Sauerstoffs in Form von Superoxiden und Peroxiden auf. Das Superoxidradikal (O2.-) und das Wasserstoffperoxid (H2O2) sind wegen ihrer Angriffe auf die ungesättigten Fettsäuren der Membranlipide, die zu Schädigungen der Zellmembran führen, extrem toxisch. Superoxiddismutasen sind eine Gruppe von Isoenzymen, die den katalytischen Abbau des Superoxid-Radikals (O2.-) bewirken [1, 2]. Abhängig von der Struktur des aktiven Zentrums lassen sich die SODs in drei Klassen unterteilen, nämlich die schon länger bekannten Cu/Zn-SOD-, MnSOD- und FeSOD-Klassen und die erst 1996 [3] in der Gattung Streptomyces entdeckte NiSOD. Während ihre biochemische Funktion geklärt ist, wird ihr molekularer Wirkmechanismus bis heute nur in Ansätzen verstanden. Der wesentliche Grund dafür besteht darin, dass die meisten enzymkatalytisch ablaufenden Reaktionen für die heutigen Untersuchungsmethoden zu schnell sind, was die direkte Charakterisierung von Reaktionsintermediaten verhindert. Für das exakte Verständnis des Wirkmechanismus der Enzyme ist deshalb eine detaillierte Modellierung ihres aktiven Zentrums durch geeignete chemische Modellsysteme notwendig, die sich durch spektroskopische Methoden physiko-chemisch charakterisieren lassen. Für die NiSOD wurden in den vergangenen Jahren verschiedene peptidische Modellsysteme entwickelt [4 – 8]. Diese basieren im Wesentlichen auf den ersten sechs oder mehr N-terminalen Aminosäuren der NiSOD (Abb. 1 links) und umfassen das gesamte aktive Zentrum des Enzyms.
Abb. 1 Ausschnitt der Molekülstruktur des Nonapeptids (Ni-[HCDLPCGVY]) zur Modellierung des aktiven Zentrums der NiSOD mit Muster der paarweisen Isotopenmarkierungen und den daraus mittels REDOR-NMR bestimmten Abstände in einem Schema. Aus der Strukturoptimierung resultierenden Einbaulagen des Cyanids ohne (A) bzw. mit zusätzlichem (B) Wassermolekül und zugehöriges Wasserstoffbrückenbindungsmuster (C)[9] Alle diese Modellsysteme zeigen eine hohe katalytische Aktivität. Im Gegensatz zum nativen Enzym liegt das zentrale Nickelion in den bisher existierenden Modellpeptiden der NiSOD nur in der diamagnetischen Oxidationsstufe 2+ vor, was die umfassende Charakterisierung der Enzymsubstratbindung mittels NMR zulässt. Da das eigentliche Substrat nicht NMR aktiv ist, wird Cyanid, ein starker Inhibitor des Enzyms, als Substratmodell verwendet. Damit lässt sich das Problem der Bindung des Superoxid-Radikals an die SODs durch die Untersuchung der Bindung von Cyanid an ihr Modellpeptid modellieren. Die Beantwortung dieser Frage erfordert die Bestimmung der supermolekularen Konfiguration des Komplexes, die durch die Kombination der Festkörper-NMR-Spektroskopie mit geeigneten paarweisen Isotopenmarkierungen erfolgt. Bei diesem so genannten REDOR-Verfahren wird aus der Stärke der magnetischen dipolaren Wechselwirkung zwischen den Markierungspositionen ihr Abstand bestimmt. Für die Bestimmung der Position des Cyanids wurden fünf verschiedene Peptide mit je einer einzelnen Isotopenmarkierung hergestellt. Diese Markierung wechselwirkt dipolar mit der komplementären Markierung des Cyanids. Das Markierungsmuster für die einzelnen Peptide ist im oberen Teil von Abb. 1 dargestellt. Jede Linie repräsentiert und verbindet die markierten Positionen in einem einzelnen Peptid. Die Abstände, die aus der Stärke der dipolaren Kopplung zwischen den markierten Positionen erhalten wurden, sind in der oberen Hälfte von Abbildung 1 zusammengefasst. Diese Abstände dienen dann zusammen mit der Struktur des Peptides als Grundlage einer quantenchemischen Strukturoptimierung. Das Ergebnis dieser Strukturoptimierung ist in der unteren Hälfte von Abbildung 1 gezeigt. Die beste Übereinstimmung zwischen experimentellen Daten (RMSD = 0,67A) wurde für Modell B gefunden, wo das Cyanid über ein zusätzliches funktionelles Wassermolekül gebunden ist. Strukturuntersuchung von immobilisierten Katalysatoren Ohne den Einsatz von Katalysatoren wäre die moderne synthetische Chemie weder im Bereich der Forschung noch im Bereich der industriellen Anwendungen möglich. Der Großteil der katalytischen Verfahren beruht dabei auf dem Einsatz heterogener Katalysatoren, bei denen Reaktanden und Katalysatoren in unterschiedlichen Phasen vorliegen. Diese bieten die Vorteile einer leichten Abtrennbarkeit vom Produkt und einer guten Recycelbarkeit. Homogene Katalysatoren hingegen bieten häufig eine bessere Selektivität und höhere katalytische Effizienz. Im Prinzip lassen sich die Vorteile beider Verfahren vereinigen, wenn es gelingt, einen homogenen Katalysator auf einem Träger fest anzubinden und damit die günstigen Eigenschaften homogener Katalysatoren mit den Eigenschaften heterogener Katalysatoren zu verbinden. Voraussetzung dafür ist es zunächst, ein geeignetes, stabiles Trägermaterial, das eine einfache und stabile Anbindung des Katalysators ermöglicht. Neben Polymeren sind hier vor allem poröse oxidische Träger von Bedeutung, da diese i. a. sehr stabil gegen organische Lösungsmittel sind, ihre Porengrößen sich gezielt einstellen lassen und sie praktisch kein Quellverhalten zeigen. Durch diese so genannte Immobilisierung gelingt es, das Beste aus beiden Welten der Katalyse zu verbinden. Da eine detaillierte Einführung in diese Thematik den Rahmen des vorliegenden Artikels sprengen würde, sei an dieser Stelle auf die Übersichtsartikel aus der Blümel-Gruppe [10] und unserer Gruppe [11] verwiesen. Für die Analyse der Struktur des Katalysators und seiner Reaktivität ist die Festkörper-NMR-Spektroskopie eindeutig Methode der Wahl, da sie es aufgrund ihrer Isotopenspezifizität ermöglicht, gezielt die Bindung des Katalysators an die Oberfläche zu verfolgen. Im vorliegenden Anwendungsbeispiel wird die Bindung des homogenen Hydrierkatalysators RuCl2(PPh3)3 über den Linker 3-Aminopropyltriethoxysilane (APTES) kovalent an eine Kieselsäureoberfläche (Abb. 2) angebunden und die Struktur des immobilisierten Katalysators mit Festkörper-NMR-Spektroskopie untersucht. Diese Untersuchung geschieht in drei Schritten.
Abb. 2 Mit Festkörper-NMR-Verfahren wird die Immobilisierung des Katalysators RuCl2(PPh3)3 (a) über den Linker APTES (3-aminopropyltriethoxysilane) (b) auf einer Kieselsäureoberfläche untersucht. Im 29Si-CP-MAS-Spektrum sind im Bereich um 65 ppm die Siliziumkerne des an der Oberfläche gebundenen APTES-Linkers sichtbar. Das 13C-CP-MAS Spektrum des angebundenen Katalysators zeigt bei 130 ppm das Signal der PPh3Liganden. Aus den J-aufgelösten zweidimensionalen 31P-CP-MAS-Spektren des reinen Katalysators (e) und des gebundenen Katalysators (f) lässt sich ableiten, dass zwei der drei PPh3-Gruppen des Katalysators durch Linkermoleküle ersetzt werden. Im ersten Schritt erfolgt die Anbindung des APTES an die Kieselsäureoberfläche, bei der eine oder mehrere Ethoxygruppen des APTES abgespalten werden. Der Nachweis der erfolgten Bindung ist das Auftreten der Signale um 65 ppm im 29Si-CP-MAS Spektrum (Abb. 2c). Im nächsten Schritt wird der Katalysator an die Aminogruppe des APTES gebunden. Dies lässt sich durch das Auftreten des Signals der restlichen PPh3-Gruppe nachweisen (Abb. 2d). Die Zahl der bindenden Linker schließlich wird aus zweidimensionalen 31P-CP-MAS Spektren bestimmt (Abb. 2e/f). Während im reinen Katalysator die skalare Kopplung zwischen den Phosphoratomen als Aufspaltung sichtbar ist, ist diese im immobilisierten Katalysator verschwunden, was die Bindung durch zwei Linker beweist. Es ergibt sich damit die in Abbildung 3 schematisch dargestellte Struktur des Katalysators auf der Oberfläche.
Abb. 3 Visualisierung der mittels Festkörper-NMR-Verfahren analysierten Struktur des auf der Kieselsäureoberfläche immobilisierten Katalysators RuCl2(PPh3)3
Literatur |
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