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Neue Standards für die Gesundheit

Neue Standards für die Gesundheit

Die DGKL-Jahrestagung setzt ihre Schwerpunkte auf Früherkennung, individualisierte Diagnostik und seltene Erkrankungen

Vom 14.–17. Oktober 2015 findet die 12. Jahrestagung der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) statt. labor&more war im Gespräch mit Herrn Prof. Dr. med. Joachim Thiery, Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik des Universitätsklinikums Leipzig und Tagungspräsident der Jahrestagung der DGKL.

Herr Prof. Thiery, die Jahrestagung der DGKL findet in Leipzig statt. Welche Verbindung hat die Gesellschaft zur Stadt?

Leipzig ist eine wunderbare Stadt der Kultur und der Wissenschaft. In Leipzig finden sich ­Ende des 19. Jahrhunderts auch erste Anfänge einer ”Medizinischen Chemie“ in dem damals weltberühmten physiologischen Institut des ­Mediziners und Forschers Carl Ludwig. Heute ist die Labormedizin des Universitätsklinikums in der Lehre, Krankenversorgung und Forschung weit über die regionalen Grenzen bekannt. Bereits 2009 konnten wir in Leipzig erstmals die Jahrestagung der DGKL anlässlich des 600. Geburtstags der Universität Leipzig durchführen. Der Zuspruch zu dieser Tagung war überaus erfolgreich. Ich freue mich daher sehr, dass wir heute im Jahr des 1000. Stadtjubiläums die Tagung erneut in Leipzig ausrichten dürfen. 2015 jährt sich auch der 600. Gründungstag der Medizinischen Fakultät. Neben diesen Bezügen sind es jedoch vor allem die gute Erreichbarkeit, die Schönheit der Stadt und die hohe Attraktivität des CongressCentrums der Leipziger Messe, die unsere Jahrestagung so bald wieder zurück nach Leipzig gebracht hat.

Welche Themen-Highlights können die Teil­nehmer erwarten?

Hauptschwerpunkt der Tagung ist die diagnostische Herausforderung in der Früherkennung von Krankheiten und in der Gesunderhaltung des Menschen. In unserer älter werdenden ­Gesellschaft gewinnt die Krankheitsprävention eine immer größere Bedeutung. Hier wollen wir neue Standards setzen und Strategien entwickeln, die unseren Patienten und der Bevöl­kerung zugutekommen. Wir haben hier den Standortvorteil, dass wir direkt auf die Biomarker-Analysen und Genomuntersuchungen des großen Leipziger LIFE-Forschungsprogramms mit mehr als 25.000 gesunden Personen und ­Patienten zurückgreifen können. Hier wollen wir bessere Kriterien zur Definition von Referenzbereichen in der Labormedizin, aber natürlich auch zum Krankheitsrisiko für Herz-Kreislauf, Stoffwechsel- und Demenzerkrankungen vorstellen. Dies betrifft auch die Entwicklung neuer methodischer Ansätze von der Massenspektrometrie zur Proteinquantifizierung bis zum Nachweis zirkulierender DNA bei Tumor­erkrankungen. Thematisiert werden auch Fragen der infektionsmedizinischen Prävention und Krankenhaushygiene.

Wir werden uns in der Labormedizin von der Einzelanalyse zu einer den ganzen Menschen erfassenden „Systemdiagnostik“ hinwenden müssen. Dieser zweite Schwerpunkt der Tagung bedeutet keine Ausweitung der Zahl an Labor­analysen, sondern eine gezielter am Problem des Patienten ausgerichteten Labordiagnostik mit der Verknüpfung klinischer und anamnestischer Befunde bereits im Laborsystem. Hierzu wird es in nächster Zeit notwendig werden, in klinischen Laboratorien auch medizinische Biobanken für die individualisierte Diagnostik und die klinische Forschung zu etablieren. Die ­Pathophysiologie, die angemessene Diagnostik und mögliche Therapiestrategien für verschiedenste Krankheitsbilder müssen durch die ­Labormedizinerin und den Labormediziner fachlich kompetent beurteilt werden. Dies bedeutet heute eine wesentlich stärker medizinisch ausgerichtete Weiterbildung mit enger Vernetzung zur Klinik, bei der die Technisierung der Laboranalytik eher in den Hintergrund tritt. Die Diskussion der labormedizinischen Zukunftsstrategie einer „Systemdiagnostik“ mit der Frage nach der Evidenz neuer Biomarker, die Nutzung der Bioinformatik und der Aufbau von Biobanken sowie die Förderung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses sind Schwerpunkte des Kongresses.

Ein dritter Schwerpunkt wendet sich dem vernachlässigten Gebiet seltener Erkrankungen zu. Hier besteht Nachholbedarf, um auch kleinen Patientengruppen eine medizinisch verlässliche Diagnostik zu ermöglichen. Patienten mit angeborenen Stoffwechselstörungen erreichen immer häufiger das Erwachsenenalter und bedürfen in der Labordiagnostik besonderer Fürsorge. Hier wird sich die Zusammenarbeit mit der Humangenetik positiv intensivieren.

Wie haben sich die Schwerpunkte von dieser oder ähnlichen Veranstaltungen in den letzten sagen wir 20 Jahren verändert?

In den vergangenen Jahren haben vor allem Schwerpunkte zur Qualitätssicherung, zu Labormethoden und zur Ökonomisierung der Labormedizin unsere Jahrestagungen bestimmt. Es ist in den letzten Jahren allerdings festzustellen, dass mehr medizinische Themen zur Indikationsstellung der Diagnostik, zur Präanalytik, zur klini­schen Evidenz der Labordiagnostik und zur ­labormedizinischen Befundinterpretation an Bedeutung gewinnen. Selbstverständlich bleiben Themen wie die Qualitätssicherung und wirtschaftliche Laborführung auf der Tagesordnung.

Unter den Schwerpunktthemen der diesjährigen Tagung befinden sich die Gesundheitsvorsorge sowie die Früherkennung von Volkskrankheiten. Welche Möglichkeiten zur Verhinderung von bekannten Krankheiten entwickeln sich aktuell?

Dies betrifft besonders die Stoffwechselerkrankungen mit ihren lebensgefährlichen Folgen für das Herzkreislaufsystem. Der frühe Herzinfarkt ist vermeidbar, wenn rechtzeitig gegengesteuert wird. Unverändert sind die Lipide mit einem ­erhöhten LDL-Cholesterin die Hauptursache für den Herzinfarkt. Die gefährliche Wirkung der LDL wird durch Diabetes mellitus, Hypertonie, Rauchen und eine Familienanamnese für den Infarkt erheblich verstärkt. Diagnostisch erfährt heute ein angeborener Risikofaktor, das Lipo­-protein(a), eine Renaissance. Dies hat neben vielversprechenden Befunden der Genetik mit der verbesserten Spezifität in der immunologi­schen Bestimmung des komplexen Moleküls zu tun. Es sind heute erstmals gezielte medikamentöse Optionen zur Lp(a)- Senkung in der klinischen Prüfung. Von hohen Erwartungen wird auch die Zulassung eines völlig neuen Wirkstoffes zur LDL-Senkung begleitet. Bei dieser antikörperbasierten Therapie wird ein im Blut zirkulierendes Protein (PCSK-9) gehemmt, das für den normalen Abbau des LDL-Rezeptors in der Leberzelle verantwortlich ist. Die hierdurch erhöhte LDL-Rezeptoraktivität führt zu einer drastischen Absenkung des LDL-Cholesterins über mehrere Wochen. Hier ergeben sich neue Herausforderungen der Diagnostik und Überwachung rund um das Thema der ­Immuntherapien. Für PCSK-9 wird die Frage zu beantworten sein, ob die Bestimmung von PCSK-9 im Blut gleichwertig oder aussagekräf­tiger als die LDL-Cholesterinbestimmung vor Behandlung mit einem PCSK-9 Inhibitor ist.

Und welche neuen Herausforderungen entstehen?

Große Herausforderungen sehe ich aktuell auf dem Gebiet der Tumordiagnostik. Hier verfügen wir bisher nur über die etablierten und bis auf PSA wenig spezifischen Tumormarker. Auf dem Gebiet der Metabolomanalytik, der microRNAs und dem Nachweis tumorspezifischer zirkulierender DNA sind hier neue diagnostische Optio­nen zu erwarten. Diese Arbeiten müssen im kollegialen Schulterschluss mit der Pathologie und klinischen Onkologie erfolgen. Nachhol­bedarf haben wir auf dem Gebiet der Leberfunktionsdiagnostik, hier sind robuste und spezifische Biomarker auf dem Weg, die voraussichtlich künftig auch bei der Organallokation vor Lebertransplantation (MELD-Score) an Bedeutung gewinnen werden. Methodisch erwarte ich eine weitere Zunahme der massenspektrometrischen Analysen, die bereits jetzt hochspezifische Proteinquantifizierungen erlauben. Es ist eine technische Herausforderung, die Massenspektro­metrie für die Hochdurchsatzdiagnostik der klinischen Chemie einzusetzen. Es ist aber absehbar, dass viele durch Kreuzreaktiviät und Matrixprobleme limitierte immunologische Testverfahren mittelfristig von der Massenspektrometrie abgelöst werden. Noch unsicher ist die Effizienz von NMR-Verfahren in der klinischen Diagnostik. Von der genomweiten Analytik erwarte ich dagegen aufgrund der nur sehr geringen Assoziation des Phänotyps mit genetischen Varianten kaum einen direkten Diagnostik­einsatz. Eine künftige Herausforderung wird die systemdiagnostische Untersuchung des Transkriptoms von Blutzellen und des Meta­boloms/Proteoms bei verschiedenen Krankheitsbildern und im Therapieverlauf sein, um eine personalisierte Therapie zu entwickeln.

Im Rahmen der DGKL-Jahrestagung werden der mit 50.000 Euro höchstdotierte Preis der DGKL, der Preis Biochemische Analytik sowie der Preis für den Nachwuchs, der Ivar-Trautschold-Förderpreis verliehen. Unter welchen Gesichtspunkten werden die Preisträger jeweils ausgesucht?

Der Preis für biochemische Analytik wird von unserer Fachgesellschaft gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Biochemie vergeben. Für das Preisgeld sind wir der Firma ­Sarstedt als alleiniger Sponsor des Preises sehr dankbar. Der internationale Preis wird an Forscherinnen und Forscher vergeben, die eine für die klinische Labordiagnostik nachhaltige ­Methode oder eine grundlegende biochemische Erkenntnis mit Anwendung für die klinische Medizin erarbeitet haben. Es ist eine hohe Auszeichnung für erfolgreiche Forschung, die zu einem Paradigmenwechsel in der Diagnostik und Therapie geführt hat. Das besondere wissenschaftliche Renommee bisheriger Preisträger lässt sich auch daran erkennen, dass mehrere Preisträger in den folgenden Jahren auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Der Ivar-Trautschold-Förderpreis, der jährlich wechselnd von unserer Fachgesellschaft und Sonic HealthCare gestiftet wird, zeichnet hervorragende junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler unseres Faches aus, die sich früh durch ein hochrangiges wissen­schaftliches Werk quali­fiziert haben.

Auch ein spannendes Rahmenprogramm erwartet die Teilnehmer?

Die neu renovierte Universitätsbibliothek Albertina mit ihrem eindrucksvollen klassizistischen Foyer der Gründerzeit öffnet für uns am Vor­abend des Kongresses ihre Türen. Hier wird auch die Möglichkeit zum Besuch der Ausstellung „Labor und Medizin“ anlässlich des 600. Geburtstags der Medizinischen Fakultät bestehen. Ich freue mich dann auf die Gespräche mit den Ausstellern im CongressCentrum am folgenden Abend. Und am letzten Abend werden wir unsere Gäste in den Dschungel von Gondwanaland führen. Was uns dort erwartet, verrate ich aber heute noch nicht.

Worauf freuen Sie sich persönlich?

Ich freue mich darauf, viele liebe Kolleginnen und Kollegen in Leipzig persönlich begrüßen zu können. Besonders freue ich mich auf den Festvortrag von Bengt Samuellson (Nobelpreisträger 1982) zum aktuellen Stand der Prostaglandin- und Leukotrienforschung, da mich das Gebiet der bioaktiven Lipide schon immer besonders fasziniert hat.

Herr Prof. Thiery, herzlichen Dank für das Gespräch!
(Interview: Carmen Klein)

L&M 8 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 8 / 2015.
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