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MOSH-/MOAH-Belastung von Lebensmitteln

Mineralölrückstände im Visier

Mineralöle kommen in unserer Umwelt ­nahezu überall vor. Ihre Bestandteile können auf ganz ­unterschiedlichen Wegen sowohl in pflanzliche als auch in tierische Lebensmittel gelangen. ­Betrachtet man ihre chemische Struktur, so handelt es sich dabei im Wesentlichen um gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH) und zu einem ­geringeren Anteil um aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH).

Beide werden leicht aus Lebensmitteln in den Körper aufgenommen und können sich im Körperfett sowie in einigen Organen anreichern. Ab­leitungen zur toxikologischen Bewertung werden aus Tierversuchen getroffen, weil derzeit keine Studien über die Effekte auf den Menschen vorliegen. Die Aufnahme von MOAH sollte nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gänzlich vermieden werden, da nicht auszuschließen ist, dass in dieser Fraktion auch krebserregende Verbindungen vorkommen.

Der Haupteintrag von Mineralölbestand­teilen in Lebensmittel wird nicht durch die Lebensmittel­wirtschaft selbst verursacht. Angesichts des ubiquitären Vorkommens von Mineralöl, der unterschiedlichen Quellen für den Eintrag von MOSH und MOAH in Lebensmittel, der anspruchsvollen Analytik sowie der vielen Beteiligten gilt das Thema als äußerst komplex.

MOSH und MOAH: Was ist das?

Mineralöle setzen sich im Wesentlichen aus zwei chemisch und strukturell unterschiedlichen Frak­tionen zusammen. Die Hauptfraktion besteht zu einem Anteil von 75 bis 85% aus so genannten MOSH (Mineral Oil Saturated Hydrocarbons), bei der kleineren Fraktion mit einem relativen Anteil von 15 bis 25% handelt es sich um so genannte MOAH (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons). Beide Fraktionen bestehen aus Kohlen­stoffketten mit meist weniger als 25 Kohlenstoffatomen (

MOSH sind gesättigte paraffinartige, d.h. offen­kettige, meist verzweigte und naphten­artige (zyklische) Kohlenwasserstoffe mit niedriger bis mittlerer Viskosität. Bei MOAH handelt es sich um eine große Zahl verschiedener aromatischer Kohlenwasserstoffe, die überwiegend aus einem bis vier Ringsystemen bestehen und bis zu 97% alkyliert sind [1].

Wie gelangen Mineralölbestandteile in Lebensmittel?

Mineralöle kommen in der Umwelt weit verbreitet vor. Mineralölbestandteile können auf verschiedenen Wegen in Lebensmittel gelangen. So ist eine umweltbedingte „Grundbelastung“ von Lebensmittelrohstoffen mit Mineralölkohlenwasserstoffen z.B. durch Verbrennungsprozesse (u.a. Abgase von Benzinmotoren, Emissionen aus Energieversorgungs- und Industrieanlagen, Waldbrände und dergleichen) sowie Feinstaub asphaltierter Straßen gegeben. Auch können Einträge schon vor bzw. bei der Ernte durch Pestizide, Schmier- und Hydrauliköle aus Erntemaschinen erfolgen sowie danach durch die Behandlung des Ernteguts mit mineralölhaltigen Mitteln, z.B. mit Antischaum-/Trennmitteln oder von Reis mit Staubbindern (Antidusting) oder für mehr Glanz (Spraying).

Des Weiteren können Mineralölbestandteile während des Transports durch mit Mineralölen belastete Transportverpackungen in Rohwaren übergehen. Ein Beispiel hierfür sind impräg­nierte Jute- und Sisalsäcke [2].

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines Mineralöleintrags während der Lebensmittelproduktion, z.B. durch ölende Maschinenteile oder durch Fette, die bei Wartungs- bzw. Reinigungsarbeiten verwendet werden [3].


Abb.1

Ein ebenfalls bereits bekannter Pfad ist der Eintrag über Kartonverpackungen: So können Recycling-Kartons mineralölhaltige Druckfarben aus dem recycelten Altpapier enthalten, weshalb für Lebensmittelverpackungen mittlerweile meist Karton aus Frischfaser verwendet wird. Das aber trifft nicht auf Umverpackungen zu Transportzwecken sowie auf beim Transport, im Handel oder im Haushalt benachbart zu Lebensmitteln gelagerte Verpackungen zu, aus denen ebenfalls Mineralölbestandteile in Lebensmittel migrieren können. Es gibt nachweislich Lebensmittel, die das Werk des Herstellers frei von einer MOSH-/MOAH-Belastung verlassen haben und bei denen danach auf dem Transportweg oder während der Lagerung ein Eintrag von Mineralölbestandteilen stattgefunden hat.

Zusätzlich zu dem in Recycling-Karton enthaltenen Mineralöl können mineralölhaltige Druckfarben, die für das Bedrucken der Verpackung eingesetzt wurden, eine Quelle für einen Eintrag von Mineralölbestandteilen sein. Diese Quelle wurde zumindest bei Lebensmittelverpackungen weitgehend eliminiert, da die Lebensmittelwirtschaft beim Verpackungsdruck in der Regel auf mineralölarme bzw. -freie Druckfarben umgestellt hat. Ferner könnten auch bei der Produktion von Verpackungen verwendete mineralölhaltige Kleber ein Eintragsweg von Mineralölbestandteilen in Lebensmittel darstellen. Abbildung 1 zeigt verschiedene potenziell mögliche Eintragsquellen im Rahmen der Lebensmittelkette (Food Chain).

Die Migration in das Lebensmittel erfolgt im Falle von trockenen und bei Raumtemperatur gelagerten Lebensmitteln über Verdampfung, Transport in der Gasphase und Rekondensation im Lebensmittel. Infolgedessen ist sie beschränkt auf Mineralölkomponenten mit einem gewissen Dampfdruck (z.B. Kohlenwasserstoffe

Analytik von MOSH und MOAH – ­komplex und bisher nicht normiert

Die Bestimmung der Mineralölgehalte in Lebensmitteln stellt höchste Ansprüche an die Analytik, insbesondere da es sich hierbei um ein komplexes Gemisch handelt, das als Summe ­aller Komponenten quantifiziert werden muss. Eine Analyse der Einzelkomponenten ist aufgrund der enormen Anzahl der Verbindungen nicht möglich. Aus diesem Grund resultieren aus der gaschromatografischen Analyse komplexer Mineralölgemische keine scharfen Peaks, sondern sehr breite Signale. Analytiker sprechen in solchen Fällen von einem chromatografischen „Hügel“ (engl. hump oder „Unresolved Complex Mixture“– UCM; ­siehe Abb.2).

Nach derzeitigem Stand der Technik erfolgt die Analytik von MOSH und MOAH am einfachsten mithilfe einer online gekoppelten Flüssigchromatogra­fie-Gaschromatografie-Flammenionisationsdetektion (LC-GC-FID). Ein normiertes, in Ringversuchen überprüftes Referenzverfahren steht für die Analytik der Mineralölbestandteile bisher nicht zur Verfügung. Zusätzlich erschwert wird die Analytik vielfach durch andere oligomere Strukturen, so genannte Polyolefin Oligomeric Saturated Hydrocarbons (POSH), die aus Polyethylen- (PE) oder Polypropylen-(PP)-Folien in das Lebensmittel migrieren können und analytisch nicht von den MOSH bzw. MOAH zu unterscheiden sind.


Abb.2

LCI-Forschung im Rahmen des BDSI-Minimierungskonzeptes

Der mögliche Eintrag von Mineralölbestandteilen in Lebensmittel ist kein süßwarenspezifisches Thema, sondern betrifft die gesamte Lebens­mittelwirtschaft. Im Rahmen des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes hat der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) am 01.07.2013 ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt gestartet, das sich auf die Themen Analytik, Eintragsquellen und Vermeidungsstrategien konzentriert. Ziel der LCI-­­For­schung ist es, Einträge von MOAH in Süßwaren und Knabberartikeln zu vermeiden und Einträge von MOSH so weit wie möglich zu minimieren. Ausgestattet mit neuesten Apparaturen zur online gekoppelten Flüssigchroma­to­grafie-Gaschromatografie-Flammenionisationsdetektion (LC-GC-FID) und multidimen­sionaler Gaschromatografie-Massenspektrometrie (GCxGC-TOF) widmet sich das LCI insbesondere folgenden Aufgaben:

// Entwicklung und Etablierung von Analysenmethoden

// Untersuchung von Proben von Rohstoffen, Verpackungsmaterialien sowie Lebens­mitteln in allen Stufen der Verarbeitung und Lagerung zur gezielten Aufdeckung von Eintragsquellen für MOSH und MOAH

// Erarbeitung einer Toolbox zur Minimierung von MOSH/MOAH-Einträgen unter Anwendung eines rohstoff- bzw. prozessbasierten Forschungsansatzes (Abb. 3). Die Struktur dieser Toolbox orientiert sich dabei an den verschiedenen Eintragspfaden: Migration, Zusatzstoffe/Hilfsstoffe, Kontamination

// Erstellung einer Datenbank, mit der auch Einträge von Mineralölbestandteilen sowie Eintragsquellen zurück verfolgbar sind

// Erkennen verschiedener Einflussfaktoren auf die Migration von Mineralölbestand­teilen in Lebensmittel.

Koordinierungskreise/Kooperation mit Stakeholdern

Zur Begleitung des Projektes wurde im BDSI ein Koordinierungskreis mit Experten aus den Mitgliedsunternehmen eingerichtet.

Da die Thematik alle Lebensmittel betrifft bzw. betreffen kann, stehen der BDSI sowie das LCI neben den Arbeiten im Koordinierungskreis in engem Kontakt mit allen an der Lebensmittelkette Beteiligten. Bei der Etablierung geeigneter Analysenmethoden zur Quantifizierung von MOSH/MOAH beteiligt sich das LCI an Laborvergleichsuntersuchungen (LVU) und kooperiert mit anderen Laboren (s. Abb.4).

Fazit

Das LCI führt für die Mitgliedsunternehmen des BDSI ein umfangreiches, sehr erfolgreich gestartetes MOSH/MOAH-Minimierungs- bzw. Vermeidungs­projekt durch, das sich insbesondere der Analytik, den Eintragsquellen – und damit der Verbreiterung der Wissensbasis – sowie erfolg­versprechenden und umsetzbaren Vermei­dungsstrategien in den Unternehmen widmet. Die Ergebnisse der Arbeit fließen über die Süßwarenbranche hinaus in die Diskussion mit allen an der Lebensmittelkette Beteiligten ein [7, 8].

Literatur

[1] Biedermann, M. et al. (2009) J. Agric. Food Chem. 57, 8711–8721
[2] Grob, K., et al. (1993) Z.Lebensm.Unters.Forsch. 197, 370??–374
[3] European Food Safety Authority (EFSA) (2012) EFSA Journal 10, 2704
[4] European Food Safety Authority (EFSA) (2004) EFSA Journal 162, 1–6
[5] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2010) URL: http://www.bfr.bund.de/cm/343/uebergaenge_von_mineraloel_aus_verpackungsmaterialien_auf_lebensmittel.pdf (Zugriff am 18.06.2013)
[6] Lütjohann, J. (2011) Dt.Lebensmitt.-Rundsch. 107. 566?–573
[7] Matissek, R. (2013) Moderne Ernährung heute, WPD 2/2013
[8] Matissek, R. (2014) FOOD-LAB international 1/14, 6

Bild: © istockphoto.com| RapidEye

L&M 6 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2014.
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