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L&M-6-2013 > Herausforderungen und Perspektiven für eine biobasierte Wirtschaft

Herausforderungen und Perspektiven für eine biobasierte Wirtschaft

Vorteil Natur

Welternährung, Bevölkerungsanstieg, Klimaschutz und Umwelt oder die Gesundheit einer „alternden“ Bevölkerung – es gibt kaum ein Zukunftsthema, das nicht auch die Bioöko­nomie berührt. Die biobasierte Wirtschaft ist nichts weniger als ein wissensbasierter ­„Zurück-in-die-Zukunft-Plan“, eine Strategie zur nachhaltigen Wiedereingliederung des menschlichen Wirkens in den Kreislauf der Natur. Es gibt keine Garantie, dass diese ­Hoffnung erfüllt wird – aber gute Gründe dafür.

Biologische Ressourcen für Produkte, Verfahren und Dienstleis­tungen wirtschaftlich und nachhaltig nutzen – das ist kurz umrissen das Wesen der Bioökonomie. Oft wird das auf die Formel „Weg vom Öl“ verkürzt. Unzulässigerweise. Fossile Rohstoffe durch ­Biomasse zu ersetzen, ist zwar ein Ziel, nicht aber das Wesen biobasierter Wirtschaft. Würde die Natur mit ihrem reichhaltigen Angebot lediglich als Kohlenstoffquelle genutzt, wäre das kurzsichtig. Nach heutiger Erkenntnis könnten Erdgas, Erdöl und Kohle noch viele Jahrzehnte ausreichen. Das Argument schwindender fossiler Ressourcen sticht nicht. Würde die Bioökonomie einzig darauf zielen, sie zu ersetzen, wäre der Erfolg einer bio­basierten Wirtschaft sehr ungewiss. Wer wollte und könnte die Industrie dazu bewegen, ein seit Jahrzehnten etabliertes, hocheffizientes Verwertungssystem für Erdöl, Erdgas oder Kohle aufzugeben? Und das für eine gewissermaßen unstete Ressource wie Biomasse, deren Preis und Aufkommen abhängig sein können von Wetter­bedingungen wie Dürren, Überschwemmungen oder auch einfach nur jahreszeitlichen Schwankungen.

Neue Produkte und Verfahren

Nein, es gibt gute wirtschaftliche Gründe dafür – neben dem schlichten Bedürfnis nach einem Erdöl-Ersatz – dass weltweit ­Regierungen und Unternehmen in die biobasierte Wirtschaft inves­tieren. Biomassereiche Staaten wie Malaysia oder Brasilien sind schon durch ihr natürliches Rohstoffangebot prädestiniert für eine biobasierte Wirtschaft. Andere Länder wie die USA, Kanada, Schweden, Finnland, Australien und auch Deutschland mit seiner enormen Innovationskraft und dem exzellenten technischen und naturwissenschaftlichen Know-how sehen vor allem die Potenziale neuer naturschonender Produkte und Verfahren. Sie verfolgen mit ihren nationalen Bioökonomie-Aktionsplänen das Ziel, sich an die Spitze des technologischen Fortschritts zu setzen. Den notwen­digen Rahmen dafür haben die Lebenswissenschaften mit ihrem rasanten Aufschwung in den vergangenen Jahren gesetzt. Die Kenntnis der Genome, leistungsstarke Computer und Bioinformatik sowie immer ausgefeiltere Analytik ermöglichen uns, die über Milliarden von Jahren optimierten Lösungen von Mutter Natur zu entdecken und zu verstehen und in Technik zu übersetzen. Beispiele gibt es zuhauf: Maßgeschneiderte Enzyme werden bereits seit Jahren in Waschmitteln und industriellen Prozessen eingesetzt. Cremes, die gezielt in zelluläre Prozesse eingreifen und so z.B. ihre Anti-Aging-Wirkung entfalten, gibt es bereits genauso wie Zahnpasta, die effizient Karies verhindert, indem sie die Wirkung von natürlichen Lactobazillen nutzt. In den ersten Burger aus Fleisch, das im Labor gezüchtet wurde, haben Menschen gerade gebissen. Spinnenseidenfäden können mit Bakterien fermentativ hergestellt werden. Die möglichen Anwendungen dieses Natur­materials sind vielfältig und reichen von verträglichen Beschichtungen für Implantate bis hin zu ultraleichten Stahlseilen oder kugelsicheren Westen. DNA-Computer und Organersatzteile sind schon heute mehr als nur Konzepte.

Das System Natur verstehen

Solche Hightech-Lösungen führen direkt zu neuen Materialien und Alltagsprodukten. Andere Anwendungen der Bioökonomie helfen, Stoffströme zu optimieren und indus­trielle Prozesse effizienter zu gestalten – zum Wohl von Klima und Umwelt. So kann es gelingen, den ökologischen Fußabdruck des Menschen zu verringern. Als erfolgreich hat sich dabei die (Neu-)kombination natürlicher Prozesse erwiesen wie bei der Aquaponik – der kombinierten Aufzucht von Pflanzen und Fischen in einem Wasserkreislauf. Oder: Abfälle werden Rohstoffe. So wird Kaffeesatz erfolgreich als Substrat für die Pilzzucht genutzt, kann aber auch als Geruchshemmer für Textilien eingesetzt werden. Biokunststoffe, die zu Humus verrotten, werden heute bereits zu Plastiktüten verarbeitet. Indem wir das „System Natur“ verstehen, sind wir dabei zu lernen, unsere Stoffströme den Abläufen der Natur näherzubringen. Das Ziel ist nichts weniger als die Schließung des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs, den der Mensch vor 150 Jahren gebrochen hat, als er begann, Millionen Jahre verborgenes CO2 aus fossilen Pflanzenresten freizusetzen. Zugegeben: Ohne Erdöl, Kohle und Erdgas wäre unser Lebensstandard heute niedriger. Ein „Weiter so“ erscheint aber unverantwortlich, sollen Klima und Umwelt lebenswert erhalten bleiben. Dies ist eine starke Motivation für die Forschung und die Wirtschaft. Für die Bioökonomie – gleichermaßen in der Entwicklung und in der Umsetzung – sind zwei spannende Zielrichtungen auszumachen: Naturnahe und verträgliche Stoffströme ohne Rückstände zu etablieren („Zero waste-Strategie“) sowie überlegene Produkte unmittelbar aus Biomasse herzustellen („Veredlungsstrategie“). Gelingt der Fortschritt mithilfe von Forschung und Entwicklung, werden wettbewerbsfähige Prozesse möglich und die Industrie wird sich weiter „biolo­gisieren“. Starke Anzeichen dafür gibt es schon heute – unsere Kinder werden es erleben.

Die Verfasserin ist Mitglied des Bioökonomierates. Die in diesem Artikel vertretenen Positionen stellen die persönlichen Ansichten der Autorin dar und geben nicht notwendigerweise die Meinung des gesamten Rates wieder.

Foto: © T.Tulik - Fotolia.com

Stichwörter:
Biologische Ressourcen, ­Biomasse, Natur

L&M 6 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2013.
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