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L&M-1-2015 > Besserer Wein durch neue Technologie?

Besserer Wein durch neue Technologie?

Hochintensiver Ultraschall

Wein ist ein sehr altes Lebensmittel. In Deutschland ist er seit mindestens 2.500 Jahren nachweisbar, aber bereits die Bibel berichtet davon, dass Noah nach der Sintflut einen Weinberg gepflanzt und den daraus gekelterten Wein auch getrunken haben soll. Trotz jahrtausendelanger Erfahrung ist die ­Technologie der Weinbereitung keineswegs völlig ausgereift, sondern stetigen Neuerungen unterworfen.

Ultraschalltechnologie in der Lebensmittelindustrie

Die Ultraschalltechnologie basiert auf mechanischen Wellen oberhalb des menschlichen ­Gehörs, das heißt Frequenzen über 16kHz. Ultra­schall kann in drei Frequenzbereiche eingeteilt werden [1]:

// hochintensiver Ultraschall (10–1000W/cm2) mit niedrigen ­Frequenzen (16–100 kHz),

// intensiver Ultraschall (<1W/cm2) mit hohen Frequenzen (100kHz–1MHz)

// diagnostischer Ultraschall (1–10 MHz)

In der Lebensmittelindustrie wird der hochinten­sive Ultraschall verwendet, der ein innovatives, aber bislang nur partiell etabliertes Verfahren darstellt. Hierbei ist die Intensität so hoch, dass physikalische und chemische Eigenschaften in den Lebensmitteln verändert werden können [2].

Aufgrund des gesteigerten Interesses an der Ultraschalltechnologie wurden in den letzten Jahren energieeffizientere Ultraschallgeräte entwickelt. Mit dieser neuen Generation an Geräten kann mit hohen Amplituden (über 100µm) und sogar kontinuierlich im Durchfluss mit integrierter Temperierung gearbeitet werden. Für diese Anlagen können Angaben zum Energieeintrag und zur Intensitätsabgabe (Energieleistung gemessen an der Oberfläche der Sonotrode) gemacht werden. Diese Angaben sind wichtig, um die erzielten Ergebnisse auf den Produktionsmaß­stab zu übertragen. Verschiedene Einflussfaktoren der Beschallung können variiert werden. Diese sind in Abbildung 1 dargestellt. In der Lebensmitteltechnologie gilt die Beschallung mit Ultraschallwellen als innovativ, kosteneffizient und umweltfreundlich.

Eine interessante Ultraschallapplikation ist die Verwendung bei der Weinherstellung (Vinifikation). Allgemein bewirkt der Ultraschall in alkoho­lischen Flüssigkeiten eine Beschleunigung der Oxidation, der Polymerisation und der Kondensation des Alkohols, der Aldehyde, Ester und Olefine. Dabei werden neue Verbindungen gebildet, die dem Wein ein intensiveres und verbessertes Aroma und Bouquet verleihen.


Abb.1 Einflussfaktoren der Beschallung

Rotweinbehandlung

Bei der Ultraschallbehandlung des Rotweines (oder der Maische/des Mostes) bzw. des mit Eichen­holzstücken versetzten Weines wird vor allem die vom Ultraschall induzierte Kavitation als wichtigste Ursache für die sich daraus ergeben­den Wirkungen angesehen. Die Kavitation hat zwei Effekte zur Folge: Zum einen werden durch hohe Drücke, Temperaturen und Strömungs­geschwindigkeiten Zellwände in der Maische und den Eichenholzchips zerstört und somit der ­Diffusionsprozess von Farb-, Gerb- und Aromastoffen aus den Zellwänden in die Flüssigkeit beschleunigt. Zum anderen induzieren solche hohen Temperaturen und Drücke aber auch radi­kalische Reaktionen [3]. Dabei ist die Wahrschein­lichkeit der Entstehung solcher Radikale umso höher, je schlechter die Wärmeleitfähigkeit des Gases/Dampfes in den Blasen ist. Dadurch können phenolische Substanzen polymerisieren sowie Farb- und Aromastoffe oxidieren. Auf diesem Effekt beruht einerseits die Hoffnung, durch Ultraschall Monate oder gar Jahre dauernde Mikro­oxidationsprozesse im Rotwein beschleuni­gen zu können, andererseits begründet sich dadurch aber auch das Risiko, den Wein oxidativ zu schädigen.

Anwendung bei der Mostverarbeitung

Die Versuche zur Anwendung des Ultraschalls bei der Weinbereitung fanden im September und Oktober 2014 in der Winzervereinigung Freyburg/Unstrut statt. Für die Beschallung im Durchfluss stand ein UIP2000hd-Prozessor mit der Sonotrode KS20d55L3, Booster: 1,4down der Firma Hielscher Ultrasonics GmbH Teltow zur Verfügung. Behandelt wurden verschiedene Chargen Portugieser und Dornfelder aus dem Weinbaugebiet Saale-Unstrut mit dem Versuchsaufbau in Abbildung 2. Für die erste Versuchsreihe wurde bei einer Portugieser-Charge die eingetragene Energiemenge variiert (Abb.3). Die Erhöhung des Energieeintrages führt nur zu geringfügigen Anstiegen der Temperatur sowohl direkt an der Sonotrode als auch der Probe (Abb.4). Jeweils 60l behandelte Portugieser-Maische wurden anschließend mit Hefe versetzt und bei 12°C zum Gären angesetzt. Folgende Mostparameter wurden im Labor untersucht: Oechsle, Zusammensetzung der Zucker und Säuren, Farbe, Farbintensität und Farbnuance, antioxidatives Potenzial nach TEAC, Anthocyane und Gesamtpolyphenole.


Abb.2 Versuchsaufbau für die Ultraschallbehandlung von Traubenmaische


Abb.3 Steigender Energieeintrag während des Versuches


Abb.4 Temperaturanstieg während des Versuchs

Der Oechslegehalt und die Konzentration an Glucose und Fructose steigen bei allen untersuchten Traubensorten um durchschnittlich 2% (Abb.5). Die Farbstoffe und phenolischen Verbindungen sind vorwiegend in der Schale und die Polyphenole auch in den Kernen enthalten. Durch die Kavitationsscherkräfte werden die Schalen und Kerne aufgeschlossen. Spektros­kopisch werden bei 420nm die Gelb- bei 520nm die Rot- und bei 620 nm die Blauanteile der Farbe bestimmt (Abb.6). Mit allen drei Komponenten kann die Farbintensität berechnet werden. Die Farbnuance gibt das Verhältnis zwischen den Gelb- und Rotkomponenten an. Alle Anteile an der Farbe haben deutlich zugenommen, die Farb­intensität konnte mehr als verdoppelt werden. Der Polyphenolgehalt und analog die antioxi­dative Kapazität steigen sogar um mehr als 125% (Abb.7). Der effektivere Zellaufschluss und damit das verbesserte Eindringen des Lösungs­mittels in das Zellgewebe durch die Wirkung des Ultraschalls konnte damit signifikant nachgewiesen werden.


Abb.5 Anstieg des Oechslewertes und der Gehalte an Glucose und
Fructose durch zunehmenden Energieeintrag


Abb.6 Farbveränderung des Mostes durch zunehmenden Energieeintrag


Abb.7 Entwicklung des Gesamtpolyphenolgehaltes durch zunehmenden Energieeintrag

Nach zehn Tagen waren die Moste durchgegoren und wurden mithilfe einer Schlauchpresse chargenweise gepresst und im Labor untersucht. Die Polyphenolgehalte konnten durch die Mai­sche­gärung nochmals erheblich gesteigert und die bereits hohen Farbausbeuten ebenfalls erhöht bzw. stabilisiert werden. Die filtrierten Weine werden bei 12°C in 20-Liter-Ballons spund­voll gelagert. Die Qualität der erzeugten Weine wird regelmäßig überwacht, weitere analytische und sensorische Prüfungen werden im Frühjahr erfolgen.

Einsatz von Holzalternativprodukten

Holznoten in Rotweinen gelten heute weltweit als Standard der mittleren und gehobenen Preisklasse. Der langsame Weinausbau in Holzfässern ist eine altbewährte Technologie. Dabei werden aus guten Ausgangsweinen exzellente Weinquali­täten produziert. Neben Eisweinen, Beerenaus­lesen und Trockenbeerenauslesen werden Barrique-Weine als Spitzenprodukte im Premium­­segment bei Prädikatsweinen auch zukünftig ihren festen Platz behaupten [4].

Die Nutzung von Eichenholzchips zur Verbesserung des sensorischen Eindrucks insbeson­dere bei Rotweinen ist unumstritten. Sie bietet die Möglichkeit, die Reifeentwicklung der Weine zu fördern und zu beschleunigen, die Farbe zu stabilisieren, die Tanninstruktur zu optimieren und das Aroma in gewünschte Richtungen zu lenken [5]. Chips bilden im mittleren Preissegment eine kostengünstige und sinnvolle Alternative zur herkömmlichen Barrique-Lagerung [6].

Erste eigene Versuche mit Ultraschall an Dornfelder waren sehr viel versprechend. Es wurden die Behandlungszeit und die Amplitude variiert. Der maximal extrahierbare Gesamtpoly­phenolgehalt aus den Holzchips wird nach 5min Beschallungszeit mit maximaler Amplitude erreicht (Abb.8). Die Extraktion der Eichenholzchips wird gegenüber einer traditionellen ­Lagerung wesentlich beschleunigt, wobei die Be­schallungszeit gegenüber der Amplitude den größeren Einfluss hat. Die Polymerisation der Tannine ist ein wesentliches Alterungsmerkmal von Rotweinen und wird über den Salzsäure­index bestimmt. Der Salzsäureindex ermöglicht eine Aussage über den Polymerisationsgrad der Proanthocyane, also des kondensierten Tannins mit flavonoider Struktur [7]. Der nachgewiesene Anstieg des Salzsäureindexes bestätigt die ebenfalls beschleunigte Alterung des Dornfelders durch die Ultraschallbehandlung (Abb.8).


Abb.8 Anstieg des Polyphenolgehaltes und des Salzsäureindexes in Abhängigkeit der Ultraschallbehandlungszeit

Fazit

Erhöhte Ausbeuten, höhere Qualität und gute Sensorik sind das Ziel eines jeden Winzers. Die Behandlung von Most und Wein mit hochin­tensivem Ultraschall hat sich nach ersten Untersuchungen als interessante Behandlungsmethode erwiesen. Die Technik ist leicht zu installieren, hat einen geringen Energieverbrauch und liefert reproduzierbare Ergebnisse bei der Weinbehandlung.

Literatur
[1] Mason, T.J. & Lorimer, J.P. (2002) “Applied Sonochemistry. The Uses of Power Ultrasound in the Chemistry and Processing.” Wiley-VCH Verlag GmbH
[2] McClements, D.J. (1995) Trends Food Sci. Technol. 6, 293–299.
[3] Hielscher, K. (2011) Food Labor 2, 31–33
[4] Schandelmaier, B. (2012) Der Deutsche Weinbau 18, 38
[5] Weik, B. (2012) Der Deutsche Weinbau 15, 12-15
[6] Otteneder, H. (2011) Chemie in unserer Zeit 45 Heft 2, 86–95
[7] György, Pásti (2012) “Technologies of Black Grape Processing in Premiere Red Vine Production.” Thesis of Doctoral Dissertation, Szent Istvàn University Budapest

Bild: © istockphoto.com|ValentynVolkov

Stichwörter:
Ultraschalltechnologie, Lebensmittelindustrie, Ultraschallgeräte, Rotwein, Kavitation, Anthocyane, Gesamtpolyphenole, Traubenmaische, Oechslegehalt, phenolischen Verbindungen, Spektros­kopisch,

L&M 1 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2015.
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