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Lipid Rafts

Rafts üben eine wichtige Funktion bei Sortier-, Transport- und Signaltransduktionsprozessen aus

Prof. Dr. Ritva Tikkanen und Dr. Antje Banning
Biochemisches Institut, Universität Gießen

Unter „Rafts“ verstehen viele eher Flöße, die auf Wasserwegen als Bewegungsmittel dienen. In der Zellbiologie sind damit allerdings kleine, hochorganisierte Strukturen in den Zellmembranen gemeint. Diese Winzlinge sind für die Regulation von vielen zellulären Prozessen außerordentlich wichtig und ihre Fehlfunktion kann gravierende Folgen, wie z.B. Krebs oder Alzheimer, haben.

Flöße sorgen für Ordnung in der Membran

Alle lebenden Zellen sind von einer aus Lipiden und Proteinen bestehenden Membran umgeben. Ging man ursprünglich davon aus, dass die Membran einzig als passive Trennschicht dient, so weiß man heute, dass Biomembranen hochkomplexe Gebilde mit vielen Funktionen darstellen. 1972 wurde von Singer und Nicolson erkannt, dass der Aufbau von Membranen nach einem bestimmten Prinzip erfolgt. Man stellte sich ein „Flüssig- Mosaik-Modell“ vor, wo Proteine und Lipide sich mehr oder weniger frei in lateraler Richtung innerhalb der Lipid- Doppelschicht bewegen können [1]. Dieses Modell wurde kontinuierlich weiterentwickelt und korrigiert. So stellte sich heraus, dass Proteine und Lipide nicht gleichmäßig in der Membran verteilt sind, sondern dass es Bereiche gibt, in denen manche Moleküle in höherer Konzentration vorliegen. Es wurden schließlich dynamische Einheiten (Mikrodomänen) identifiziert, die reich an Cholesterol und Sphingolipiden sind. Neben den Lipiden kommen hier auch Proteine (z. B. GPI-verankerte Proteine, Transmembranproteine, Proteine mit Fettsäuremodifikationen) vor. 1997 wurde die sehr zutreffende Bezeichnung „Lipid Rafts“ für diese Protein-Lipid- Plattformen gefunden [2] und hat bis heute Gültigkeit. Die Lipid-Doppelschicht der Rafts ist asymmetrisch: Sphingolipide finden sich hauptsächlich im exoplasmatischen Teil, Glycerolipide eher auf der cytoplasmatischen Seite. Cholesterol kommt in beiden Teilen der Lipid-Doppelschicht vor und füllt verbliebene Lücken aus. Aufgrund ihrer Zusammensetzung sind Rafts unlöslich in nicht-ionischen Detergenzien und verfügen über eine geringere Dichte als die übrigen Membranfraktionen. Diese physikochemischen Eigenschaften macht man sich bei der Isolierung von Rafts zunutze. Rafts sind dynamische Gebilde, d. h. sie unterliegen, bedingt durch wechselnde Protein-Protein-Interaktionen sowie durch intra- oder extrazelluläre Stimuli, einem ständigen Umbau und üben so eine wichtige Funktion bei Sortier-, Transport- und Signaltransduktionsprozessen aus.

Rafts regulieren Signaltransduktion

Als geordnete kleine Strukturen in Membranen sind Rafts bestens dafür geeignet, makromolekulare Komplexe bei zellulären Prozessen zu organisieren. Damit kommen die gewünschten Interaktionen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zustande. Dies ist besonders wichtig z. B. bei der Signaltransduktion, wo es sehr darauf ankommt, welche Moleküle sich wo zusammentun, sodass die Zelle diese Signale richtig interpretieren und anschließend reagieren kann. Die korrekte Reaktion entscheidet nicht nur über Leben und Sterben der Zelle selbst. Denn falsche Signalumsetzung kann auch gravierende Folgen, wie z. B. Krebs, für den Gesamtorganismus haben. Durch Zusammenstellen bzw. Fernhalten von Signalmolekülen können Rafts dazu beitragen, dass nur die richtigen Partner eine Möglichkeit haben, miteinander zu interagieren. Somit ist es für die Zelle einfacher, diese komplexen Signalvorgänge zu regulieren.

Reggie-Proteine sind typische Raft-Bewohner

Reggies, auch bekannt als Flotilline, sind typische Raftassoziierte Proteine, kommen ubiquitär vor, sind evolutionär sehr stark konserviert und werden häufig als Marker-Proteine für den Nachweis von Lipid-Rafts genutzt [3]. Die Assoziation an die Plasmamembran wird durch Fettsäuremodifikationen bewerkstelligt. Die beiden Reggie- Proteine, deren Aminosäuresequenz sich ähnelt, neigen in der Membran zur Bildung von Hetero- und auch Homooligomeren. Obgleich die genaue Funktion der Reggies noch nicht geklärt ist, sind die beiden Reggie- Proteine aber viel mehr als nur Raft-Marker- oder Gerüstproteine, sondern erfüllen beispielsweise wichtige Aufgaben in der Raft-vermittelten Signaltransduktion. So wurde z. B. eine Beteiligung an der Signaltransduktion von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren sowie dem IgE-Rezeptor und dem EGF-Rezeptor nachgewiesen. Auch bei der T-Zellaktivierung und im Insulinsignalweg sind Reggie-Proteine beteiligt. Neben ihrem Vorkommen in der Plasmamembran konnten Reggies auch intrazellulär in Endosomen und im Golgi gefunden werden, was auf eine Rolle bei der Raft-vermittelten Endocytose schließen lässt. In Nervenzellen schreibt man den Reggies eine Funktion in regenerativen Prozessen zu und so sind sie auch zu ihrem Namen gekommen [4].

Rafts: krank durch Fehlfunktion

Rafts sind sehr nützliche und wichtige Strukturen für das „normale“ Leben einer Zelle. Dies haben aber leider auch einige Krankheitserreger entdeckt und nutzen diese Mikrodomänen gnadenlos als Eintrittsportal in die Zelle hinein oder als Exit-Gate für die Ausschleusung ihrer Nachkömmlinge. Die Erreger für Cholera produzieren ein Toxin, das auf der Zelloberfläche der Darmepithelzellen an einen in Rafts angereicherten Fettstoff, das Gangliosid GM1, bindet und damit in die Zelle aufgenommen werden kann. Einmal in der Zelle angekommen, kann das Toxin den Ionen- und Wasserhaushalt der Zelle durcheinander bringen und somit die unter Umständen tödlich verlaufende Cholera verursachen. Andererseits nutzen Viren – darunter auch solche Bösewichte wie HIV-1 oder das Ebola-Virus – die Tatsache aus, dass die laterale Bewegung von Molekülen in Rafts langsamer ist und machen Rafts zur Plattform für die Zusammenstellung von neuen Viruspartikeln. Damit gewinnen die Viren wohl Zeit, die außerordentlich regelmäßige Struktur des Viruspartikels in aller Ruhe zu assemblieren, bevor die Nachkömmlinge aus der Zelle herausgeschleudert werden, um weitere Zellen anzugreifen. Nicht nur bei ansteckenden, sondern z. B. auch bei neurodegenerativen Erkrankungen spielen Rafts eine wichtige Rolle. Bei der Alzheimer Erkrankung (AD) ist es bereits länger bekannt, dass hohe Cholesterinwerte ggf. ein Risikofaktor für AD sind. In den letzten Jahren ist klar geworden, dass die Cholesterin-reichen Rafts bei der Entstehung des pathologischen Amyloid-Beta-Peptids und bei dem Transport von dessem Vorläufer APP beteiligt sind. In Zukunft ist es deshalb wichtig, neue Medikamente zu entwickeln, die diese „Fehlfunktion“ von Rafts gezielt angreifen und damit die pathogenetischen Prozesse unterdrücken können. Daher ist die Grundlagenforschung zur Funktion und Zusammensetzung von Rafts von großer Bedeutung, weil erst dadurch die genauen molekularen Mechanismen, die den Unterschied zwischen Leben und Tod machen, geklärt werden können.

Foto1: © panthermedia | Jan-Christer N.
Foto 2-3: © Prof. Dr. Ritva Tikkanen

Literatur
[1] Singer, S.J. & Nicolson, G.L. (1972) Science. 175, 720-731
[2] Simons, K. & Ikonen, E. (1997) Nature. 387, 569-572.
[3] Babuke, T &Tikkanen, R (2007) Eur J Cell Biol 86,
525-532
[4] Schulte, T et al. (1997) Devel. 124, 577-587

L&M 2 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2009.
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