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Virusforschung - Tödliche Viren

Den gefährlichen Erregern auf der Spur

Seit etwas mehr als 100 Jahren sind Viren als eigene biologische Einheit bekannt. Hinweise auf Viruserkrankungen finden sich aber bereits in den frühesten Zeugnissen der Menschheitsgeschichte und Methoden zur Bekämpfung von Viruserkrankungen, wie die Impfung, wurden praktiziert, lange bevor das erste Virus entdeckt wurde. Die Entdeckung eines russischen Pflanzenphysiologen, dass der Saft mosaikkranker Tabakblätter nach Filtration seine ansteckenden Eigenschaften bewahrte, leitete gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Virusforschung ein.

Forschungsgeschichte des Hamburger Tropeninstituts

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde am Bernhard- Nocht-Institut, welches seit 1937 den Namen seines Gründers trägt, vor allem an Malaria und Wurmerkrankungen gearbeitet. Erst in den 50er Jahren entwickelte sich neben der Parasitologie auch die Virologie zu einem weiteren Standbein des Instituts. Vor allem neue Viren rückten ins Blickfeld der Virologie: Mehr als 30 neue Erreger wurden seit den 60er Jahren weltweit entdeckt, die meisten hatten ihren Ursprung in den Tropen. Virologen des Tropeninstituts waren immer wieder mit der Aufklärung von neuen oder importierten Infektionskrankheiten konfrontiert: 1967 mit dem Marburg-Virus, 1976 mit dem Ebola-Virus und Ende der 80er Jahre mit den ersten Hanta- Virusinfektionen. Als 1983 die ersten AIDS-Fälle in Hamburg diagnostiziert wurden, begann am BNI die HIV-Forschung. Mitte der 80er Jahre wurde mit der Herstellung monoklonaler Antikörper gegen Lassa-Virus der Grundstein für eine moderne Diagnostik hochpathogener Viren gelegt. Damit konnte das Virus erstmals nach Anzucht in Zellkultur spezifisch identifiziert werden. Im Jahr 2000 sorgten drei nach Europa importierte Fälle von Lassa-Fieber für Schlagzeilen. Bei allen drei Verdachtsfällen wurde am BNI der Virusnachweis durchgeführt. Filme wie „Outbreak“ rücken die tödlichen, tropischen Viren erst recht in den Fokus der Öffentlichkeit – obwohl es Ausbrüche von Ebola- oder Lassa-Fieber auch schon vor Jahren gegeben hatte. In Deutschland gibt es diese Erkrankungen nicht. Vereinzelte Fälle von Lassa-Fieber werden durch Reisende importiert, die sich in Afrika infiziert haben. Der Abteilung für Virologie gelang im Jahr 2003 zeitgleich mit Laboratorien in den USA und Hongkong die Identifizierung des SARS-Erregers und die Etablierung des weltweit ersten Testverfahrens, welches bereits drei Wochen nach der Virusidentifikation zunächst unentgeltlich auf den Markt kam. Das erste Hochsicherheitslabor in Deutschland nahm auf Bestreben des damaligen Leiters der Virologie, Prof. Herbert Schmitz, 1982 am BNI den Betrieb auf. In ihm kann mit Erregern der Risikogruppe 4, wie Ebola-Virus, Marburg-Virus, Krim-Kongo-hämorrhagisches Fiebervirus und Lassa-Virus gearbeitet werden. Das Labor läuft bis heute zuverlässig. Ab Mitte 2008 steht der Virologie im Erweiterungsbau des BNI ein neues, hochmodernes Sicherheitslabor der Stufe S4 zur Verfügung.

Klinische Virologie und Diagnostik

Für Verdachtsfälle von viralem hämorrhagischem Fieber in Deutschland oder Europa besteht ein Bereitschaftsdienst in der Virologie – im Schnitt vergehen heute nur sechs Stunden vom Eintreffen der Probe bis zum Ausschluss oder Nachweis der wichtigsten Erreger. In Kühlund Brutschränken des Hochsicherheitslabors lagern unter anderem Ebola-, Lassa- und SARS-Virus; derzeit werden 14 verschiedene Tropenviren angezüchtet und zur Durchführung der Diagnostik verwendet. Die Virologie verfügt über eine der größten Sammlungen an Lassa- Virus-Stämmen weltweit. Insgesamt sind am BNI Nachweisverfahren für mehr als 90 tropische und seltene Infektionserreger etabliert. Als Nationales Referenzzentrum für tropische Infektionserreger stellt sich ständig die Aufgabe, bestehende Testverfahren zu verbessern und neue zu etablieren. Die Abteilung Virologie leitete von 2004 bis 2006 ein europäisches Forschungskonsortium, das moderne molekulare Nachweisverfahren für hochpathogene hämorrhagische Fieberviren wie Ebola-Virus, Marburg-Virus, Krim-Kongo-hämorrhagisches Fiebervirus und Lassa-Virus entwickelte und damit die Sicherheit der europäischen Bevölkerung bei einem eventuellen Auftreten dieser Erreger deutlich verbesserte. Als WHO-Kollaborationszentrum untersucht die Abteilung Virologie zusammen mit afrikanischen Partnern die Prävalenz und geographische Verteilung des Lassa- Virus in Westafrika. Das Projekt beinhaltet die Errichtung diagnostischer Labore in Ghana und Nigeria, molekularepidemiologische Untersuchungen zum Lassa-Virus sowie die Verbesserung des Patientenmanagements in den Krankenhäusern der betroffenen Regionen.

Virologische Grundlagenforschung

Die virologische Forschung befasst sich mit dem Lebenszyklus der Viren, der Interaktion zwischen Virus und Wirtszelle sowie der Pathogenese von Viruserkrankungen. Im Fokus der Forschung stehen zwei Gruppen von Viren mit besonderer Bedeutung in tropischen Ländern: erstens hochpathogene tropische Viren wie Lassaund Ebola-Virus, die örtlich begrenzt immer wieder zu Ausbrüchen mit hohen Todesraten führen. Und zweitens Viren mit großer Verbreitung und langfristigem Einfluss auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung, wie Dengue- Virus und HIV. Zentrales Projekt der letzten Jahre war die Etablierung eines Replikon-Systems für das Lassa-Virus, mit dessen Hilfe molekulargenetische Abläufe wie Genomreplikation und Genexpression untersucht werden können. Mit dem System ist es auch möglich, antivirale Substanzen gegen das Virus außerhalb des Hochsicherheitslabors zu testen. Mit der mittlerweile etablierten Technologie wurde zum Beispiel der virale Promotor im Detail untersucht. Von besonderem Interesse ist das zentrale Replikationsprotein des Virus, das L-Protein, das verschiedene, noch uncharakterisierte Enzymaktivitäten aufweist und dessen Struktur biologisch von großem Interesse ist. In Zukunft werden im neuen S4 Sicherheitslabor auch rekombinante Lassa-Viren hergestellt und in Tiermodellen untersucht, um der Pathogenese des oft tödlich verlaufenden Lassa- Fiebers auf die Spur zu kommen.

Die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sollen langfristig dazu dienen, neue Strategien für die Prävention und Behandlung tropischer Viruserkrankungen zu entwickeln.

guenther@bni-hamburg.de

Foto: © Dr. Stephan Günther

L&M 1 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2008.
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