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Umweltschutz durch Nanotechnologien – Faktor 10 oder eher inkrementelle Effizienzsteigerungen?

Umwelt-Entlastung

Nanotechnologien1 sind national und international wichtige Förderschwerpunkte der For schungsund Technologiepolitik. Experten schreiben ihnen erhebliche technische Potenziale zu, die letztlich fast alle gesellschaftlichen Bereiche erfassen können. Dazu gehören auch weit reichende Umweltentlastungspotenziale, wobei sich diese Erwartungen zum einen auf atomare Effizienz und zum anderen auf die Nutzung von Selbstorganisationsprinzipien gründen. Doch wie bedeutsam sind diese Innovationsperspektiven? Handelt es sich um echte Innovationssprünge oder nur um inkrementelle Verbesserungen?

Im Folgenden werden Analyseergebnisse vorgestellt, in denen schon existierende mit in Zukunft erwartbaren nanotechnikbasierten Produkten und Anwendungen verglichen und die Umweltentlastungspotenziale quantifiziert werden. Aufgrund der gebotenen Kürze werden die potenziellen Risiken, die wir auch untersucht haben, ausgeklammert.

Innovationstypisierung

Das zu Grunde gelegte Verständnis von Umweltentlastungspotenzialen umfasst nicht nur die Umwelttechnik im engeren Sinne (End-of-Pipe-Technologien), sondern insbesondere auch den prozess-, produktions- und produktintegrierten Umweltschutz und damit nicht zuletzt auch die „Input-Seite“ auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wirtschaften, also die Verringerung und Veränderung der Quantitäten (Ressourceneffizienz) und Qualitäten (Konsistenz) der Stoff- und Energieströme, die in die Technosphäre eintreten.

Analyse der nanotechnischen Anwendungen

Derzeit gibt es auf dem Markt schon eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, weitere sind zu erwarten. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens für das Umweltbundesamt wurden mehr als 200 Produkte/Anwendungen identifiziert, mit denen z.T. Umweltentlastungspotenziale verbunden sind. Eine erste Einschätzung der Umweltrelevanz dieser Produkte/Verfahren wurde zunächst qualitativ vorgenommen. In ausgewählten Fallbeispielen wurden dann die Entlastungspotenziale in Anlehnung an die Ökobilanzmethode so weit wie möglich quantifiziert.
Im Bereich der klassischen Umweltschutztechnologien (end-of-pipe) finden Nanotechnologien insbesondere in Abgaskatalysatoren, auf fotokatalytischen Oberflächen sowie in nanostrukturierten Membran- und Filtersystemen Anwendung. Die technische Entwicklung der Abgaskatalysatoren hin zu immer kleineren nanostrukturierten Partikeleinsätzen mit proportional größeren Oberflächen erhöht die Katalysatoreffizienz und senkt die spezifische Einsatzmenge an Edelmetallen.
Im Bereich der integrierten Technologien ist eine Reihe von nanotechnischen Innovationen in den Bereichen Beschichtungen und Materialien mit erheblichen Umweltentlastungspotenzialen bei gleichzeitiger Verbesserung der Funktionalitäten verbunden. Zielrichtung ist dabei oft eine verbesserte Ressourcen- und/oder Energieeffizienz.
Eine erhöhte Kratz- und Abriebfestigkeit durch Beschichtungen, neuartige Korrosionsbeschichtungen, Antihaftbeschichtungen und Hartstoffschichten bieten Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen in industriellen Anwendungen wie Kraftwerken, Druckereien, Gießereien, Bäckereien, Lackierereien etc. Dadurch ist es möglich, den Werkstoff- bzw. Werkzeugverschleiß zu minimieren, Standzeiten zu erhöhen, Trennvorgänge zu erleichtern sowie schmierstoffarme/-freie Anwendungssysteme zu realisieren.

Zukünftige Potenziale

In einem nächsten Schritt werden derzeit erst im Labormaßstab vorhandene oder sogar erst in der Planung befindliche Innovationen untersucht. Dafür wurden vorhandene Nanotechnologieroadmaps aus Europa, den USA und Deutschland und ähnliche strategisch angelegte Publikationen gezielt auf Anwendungspotenziale im Umwelt- und Energiebereich analysiert. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die größten Schnittmengen im Energiebereich liegen. Darüber hinaus werden weitere relevante nanotechnologische Entwicklungen erwartet, die auch den klassischen Umweltbereich betreffen. Neben kostengünstigeren Membranen für die Abwasserreinigung werden neue Anwendungspotenziale in der mobilen Trinkwasserreinigung durch Nanonetze sowie in neuartigen Filtermembranen für die Meerwasserentsalzung gesehen. Erhöhte Ressourceneffizienzen werden durch neuartige intelligente Materialien und ultrastabile Leichtbauwerkstoffe zu erreichen sein bzw. konzeptionell durch Produktionstechniken, die auf molekularen Selbstorganisationsmechanismen (SAMs, templatgesteuerte Kristallisation usw.) beruhen.

Quantifizierung von Umweltauswirkungen

Über wortreiche Versprechungen hinaus bilden konkrete quantifizierende Untersuchungen zu erwartbaren Umweltauswirkungen von nanotechnologiebasierten Innovationen bisher die Ausnahme. Inklusive der eigenen Fallstudienarbeiten (z.B. Steinfeldt et al. 2010, Steinfeldt et al. 2007) konnten bisher knapp 25 publizierte Beispiele recherchiert werden, in denen zumeist in Anlehnung an die Ökobilanzmethodik nanotechnologiebasierte Umweltentlastungspotenziale ermittelt wurden. Einschränkend muss aber betont werden, dass in den recherchierten und auch in unseren eigenen Arbeiten vor dem Hintergrund von Datenmangel oft vereinfachende Annahmen getroffen wurden. Insbesondere für die Gebrauchsphase sowie für die Nachnutzungsphase (Recycling, Entsorgung) existieren kaum Informationen und schon gar keine Daten, solange die Produkte noch nicht auf dem Markt sind, sodass sich die Ergebnisse im Zuge der Entwicklung noch ändern können. Die Analysen verdeutlichen, dass der Einsatz von Nanotechnologien in einigen Bereichen durchaus relevante Umweltentlastungen zur Folge haben kann, wobei die Bandbreite sehr groß ist. Es existieren Produkte/Anwendungen mit deutlichen Entlastungswirkungen und solche, bei denen diese eher gering sind oder bei denen sogar unter Berücksichtigung der potenziellen Risiken von zusätzlichen Umweltbelastungen ausgegangen werden muss.
Z.B. gewährleisten nanotechnologiebasierte Beschichtungsstoffe insbesondere für Leichtmetalle auf Basis von anorganischorganischen Hybridpolymeren die gleiche Korrosionsschutzfunktion mit einer um den Faktor 7–10 geringeren Beschichtungsdicke. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die bei anderen Verfahren zumeist notwendige Chromatierung als Vorbehandlung überflüssig wird (vgl. Steinfeldt et al. 2007). Ein weiteres besonders interessantes Beispiel ist das OM Nanofinish-Verfahren zur Herstellung lötfähiger Endoberflächen auf Leiterplatten, das durch eine Kombination aus neuer Materialfunktionalität (organisches Metall) und dessen Nanoskaligkeit gekennzeichnet ist. Gegenüber qualitativ gleichwertigen konventionellen Verfahren verdeutlicht die ökobilanzielle Analyse, dass das neue OM-Nanofinish-Verfahren in allen Umweltkategorien um Faktoren zwischen 4 und 20 besser abschneidet.

Resümee

Die Analyse von bereits auf dem Markt befindlichen oder in Zukunft zu erwartenden nanotechnischen Produkten und Prozessen mit Bezug auf Umweltschutz/Umweltentlastung ergibt eine große Vielfalt an schon realisierten und potenziell erwartbaren Anwendungsbereichen. Bezüglich der Umweltentlastungspotenziale verdeutlichen die vorliegenden Arbeiten, dass bisher eher inkrementelle Verbesserungen überwiegen wie auch die nanotechnologischen Entwicklungen bislang ganz überwiegend inkrementelle Fortschritte darstellen. Bestimmte Nanoinnovationen in spezifischen Anwendungsbereichen verfügen aber auch heute schon über große spezifische Umweltentlastungspotenziale. Summarisch ist festzuhalten, dass mit den Nanotechnologien entscheidende Umweltentlastungen möglich sind. Bisher ist die Umweltentlastung aber nicht das explizit angestrebte Ziel. Solange aber Umweltentlastung nur als unbeabsichtigte Nebenwirkung erzielt wird, ist die Gefahr groß, dass die Umweltentlastungspotenziale nicht voll ausgeschöpft werden. Damit wird auch deutlich, dass es um die Gestaltung der Technologieentwicklung geht, bei der Umweltentlastung und Risikominimierung als Ziele neben der technischen Funktionalität und der ökonomischen Realisierbarkeit bewusst verfolgt werden. Von einem Automatismus im Sinne einer prinzipiellen Verknüpfung von Nanotechnologie und Umweltentlastung kann nicht ausgegangen werden.

mstein@uni-bremen.de
gleich@uni-bremen.de

Literatur
NanoKommission der deutschen Bundesregierung (Hrsg.): Verantwortlicher Umgang mit Nanotechnologien. Bericht und Empfehlungen der Nano Kommission der deutschen Bundesregierung 2008. Berlin 2008.
Royal Commission on Environmental Pollution: Novel Materials in the Environment: The case of Nanotechnology. 2008. http://www.rcep.org.uk/novelmaterials.htm (14.03.2009)
Steinfeldt, M./ von Gleich, A./ Petschow, U./ Pade, C./ Sprenger, R.U.: Entlastungseffekte für die Umwelt durch nanotechnische Verfahren und Produkte. UBA-Texte 33/2010, Dessau 2010.
Steinfeldt, M./ von Gleich, A./ Petschow, U./ Haum, R.: Nanotechnologies, Hazards and Resource Efficiency. Heidelberg 2007.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU, Hrsg.): Verantwortlicher Umgang mit Nanotechnologien. Bericht und Empfehlungen der NanoKommission der deutschen Bundesregierung 2011, Berlin 2010.

L&M 2 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2011.
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