Chemie
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Keramische Energiespeichermaterialien
Keramische EnergiespeichermaterialienFrom Pottery to BatteryBereits 13.000 Jahre v. Chr. waren Keramiken aus Ton fester Bestandteil menschlicher Gebräuche, zum Beispiel als Tongefäße zum Lagern oder Zubereiten von Nahrungsmitteln. Heutzutage finden moderne Funktionskeramiken vielseitigen Einsatz in hoch spezialisierten technologischen Anwendungen, beispielsweise als Piezo-Aktuator in der Kraftstoffeinspritzung in Verbrennungsmotoren, als Ionenleiter in Gassensoren, als Hitzeschutzschild im Spaceshuttle oder als Energiespeichermaterialien in Li-Ionen-Akkumulatoren. Die Ursprünge Die ältesten, heute bekannten Keramiken entstanden ca. 18.00–17.000 v. Chr. in der heutigen Volksrepublik China. Es handelt sich um Tongefäße, die vermutlich zur Lagerung von Nahrungsmitteln dienten (Abb.1). Der erste Einsatz von Keramikgefäßen zur Zubereitung von Nahrungsmitteln lässt sich auf 13.000–9.800 v. Chr. im heutigen Japan datieren. Mit der Erfindung der drehenden Töpferscheibe zwischen 6.000–4.000 v. Chr. wurde die Produktion von Keramikgefäßen in größerem Stil eingeläutet. Ein weiterer Meilenstein in der Historie der Keramiken stellt der erste nachweisliche Einsatz von gebranntem Ton in Ziegelform als Baumaterial zwischen 3.100–2.900 v. Chr. dar.
Abb.1 Zylindrisches Gefäß aus Mergelton.
Keramiken heute Die heutige Herstellung moderner Funktionskeramiken hat nicht mehr viel mit dem damaligen Ton- und Lehmbrennen gemein, sondern basiert auf Pulvertechnologieverfahren. Beim klassischen Sintern kommen Binder und Additive zum Einsatz, die die keramische Formgebung vereinfachen und helfen, keramische Materialeigenschaften besser einzustellen. Allgemein hängen die Eigenschaften moderner Funktionskeramiken grundlegend von ihrer elementaren Zusammensetzung ab. Hierbei werden die Hauptgruppen der Oxid- und Nichtoxid-Keramiken unterschieden, zur Letztgenannten zählen Carbide, Nitride, Boride und Silicide. Neben der elementaren Zusammensetzung haben Herstellungsmethode und Verarbeitung maßgeblichen Einfluss auf die spätere keramische Funktionalität. Je nach Anwendungsanforderung können Dichte, Porosität, Festigkeit, Härte, Korrosions- und Temperaturbeständigkeit sowie elektrische Eigenschaften durch eine zielgerichtete Prozessierung angepasst und optimiert werden.
Abb.2 Schematischer Aufbau einer Lithium-Ionen-Zelle. Positive Elektrode: LiCoO2; negative Elektrode: Grafit.
Polymerabgeleitete Keramiken Neben den klassischen Sinterverfahren zur Keramikherstellung entdeckten Aigner und Herbert sowie Chantrell und Popper in den frühen 1960er-Jahren die Möglichkeit der thermischen Umwandlung molekularer Präkursoren in Nichtoxid-Keramiken. Zehn Jahre später gelang Verbeek, Winter und Mansmann die kontrollierte thermische Zersetzung von Polysiloxan-, Polysilazan- und Polycarbosilan Verbindungen zu keramischen Si3N4- und SiC-basierten Fasern. Zeitgleich entwickelten Yajima et al. ein bis dato unbekanntes Verfahren zur SiC-Faser-Herstellung, den sogenannten Yajima-Prozess, welcher ebenfalls auf der thermischen Zersetzung von Polycarbosilanen basiert. Alle drei Entdeckungen spiegeln die Geburtsstunde einer neuen Klasse von Keramiken wider, der sogenannten polymerabgeleiteten Keramiken, die in der Literatur als Polymer-Derived Ceramics (PDCs) bezeichnet werden. Seit der Entdeckung der PDCs wurde in den folgenden Jahren vor allem die Entwicklung und Erforschung neuer Syntheserouten für präkeramische Polymere vorangetrieben. Erst zu Beginn der 1990er-Jahre erweiterte sich das wissenschaftliche Interesse an PDCs und deren Anwendungsmöglichkeiten deutlich. Das Fachgebiet Disperse Feststoffe am Institut für Materialwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt widmet sich der Thematik der PDCs bereits seit 1993. Im wissenschaftlichen Fokus steht die weitere Grundlagenforschung polymerabgeleiteter keramischer Systeme, die Synthese und Charakterisierung neuartiger polymerer Keramikpräkursoren sowie daraus hergestellter ternärer und multinärer SiOC- und SiCN-basierter Keramiken und die Erschließung neuer Anwendungsfelder für PDCs. Seit 2003 werden in unserer Arbeitsgruppe polymerabgeleitete SiOC- und SiCN-Keramiken hinsichtlich ihrer Funktion als Energiespeichermaterial untersucht, u.a. als neues, potenzielles Anodenmaterial für Li-Ionen Batterien. Die Li-Ionen-Batterie Der Siegeszug der Li-Ionen-Batterie datiert zurück ins Jahr 1991 mit der kommerziellen Markteinführung keramischer Elektrodenmaterialien durch Sony EnergyTec. Als Elektrodenmaterialien kamen damals Grafit und LiCoO2 zum Einsatz (Abb.2). Aufgrund ihrer schichtartigen Struktur können beide Materialien Li-Ionen in den Schichtzwischenräumen per Interkalation speichern. Gegenwärtig repräsentiert Grafit noch immer das meist verwendete Anodenmaterial, wobei reines LiCoO2 auf der Kathodenseite mehr und mehr durch Mischoxide wie z.B. Li(Ni1/3Mn1/3Co1/3)O2 und Spinel- (LiMn2O4) und Olivin-Strukturen (LiFePO4) abgelöst wird. Als alternatives Anodenmaterial wurde bereits Anfang der 1990er-Jahre das Potenzial amorpher Kohlenstoffe erkannt, welche gegenüber Grafit (372mAh/g) über eine deutlich höhere Li-Ionen-Speicherkapazität (~600mAh/g) verfügen. Jedoch weisen amorphe Kohlenstoffe signifikante Nachteile gegenüber Grafit auf. Diese zeigen unter anderem eine schlechtere Zyklenstabilität, hohe irreversible Ladungsverluste bei erstmaliger Lithiierung oder ein niedriges Aktivitätspotenzial, welches die Gefahr der Abscheidung von metallischem Lithium und somit Sicherheitsrisiken im Betrieb der Zelle mit sich bringt.
Abb.3 Interkalation von Li-Ionen in Grafit, höchste Stöchiometrie LiC6.
Keramische Anodenmaterialien aus Silicium-Oxycarbid Silicium-Oxycarbid (SiOC) besteht in seiner Mikrostruktur aus einem amorphen SiO4-xCx-Netzwerk, in dem freier Kohlenstoff dispergiert ist. Ein hoher Anteil an freiem Kohlestoff führt zur Ausbildung eines Perkolationsnetzwerkes und ist insbesondere für die Funktionalität der Keramik hinsichtlich ihrer elektrochemischen Eigenschaften als Anodenmaterial von Interesse (Abb.4A). Erstmalig wurden polysiloxan-abgeleitete SiOC-Keramiken im Jahr 1994 elektrochemisch untersucht. Dahn et al. konstatierten dem Material eine hohe Li-Ionen-Speicherkapazität von bis zu 600mAh/g, blieben jedoch Experimente zur Langzeit-Zyklenstabilität schuldig [1]. Die weitere Erforschung polymerabgeleiteter SiOC-Anoden versiegte vorerst 1997. Erst über zehn Jahre später, d.h. seit 2008, finden sich bedeutende Veröffentlichung zu SiOC als Anodenmaterial in der Literatur wieder. Den Wissenschaftlern um H. Fukui und K. Kanamura gelang es, kohlenstoffreiches SiOC mit einer Li-Ionen-Speicherkapazität von bis zu 620?mAh/g und überzeugender Zyklenstabilität aus Polysilan/Polystyrol-Mischungen herzustellen [2]. Die ersten elektrochemischen Untersuchungen zur Anwendung polymerabgeleiteter Keramiken in unserer Arbeitsgruppe befassten sich mit SiCN/Grafit-Kompositen. 2009 begann die systematische Untersuchung kohlenstoffreicher SiOC- und SiCN-Keramiken. Anders als im Vorgehen von Fukui und Kanamura wird seither der Ansatz der thermischen Zersetzung von kohlenstoffreichen Einkomponentenvorstufen verfolgt, wodurch eine einfache und reproduzierbare Herstellung SiOC- und SiCN-basierter Keramiken gewährleistet ist. Im Mittelpunkt der Forschung zu SiOC-Anodenmaterialien steht die Korrelation zwischen keramischer Mikrostruktur und elektrochemischen Materialeigenschaften, wobei ein signifikanter Zusammenhang zwischen struktureller Beschaffenheit der freien Kohlenstoffphase und der Li-Ionen-Speicherkapazität in SiOC-Keramiken festzustellen ist [3]. Eine möglichst geringe Ordnung des freien Kohlenstoffs erweist sich als wünschenswert, da in dieser Modifikation deutlich mehr Li-Ionen-Speicherplätze vorliegen als bei höher geordneten Strukturen. In Grafit kann aufgrund der Schichtstruktur nur maximal ein Lithiumatom pro sechs Kohlenstoffatome gespeichert werden (vgl. Abb.3). In kohlenstoffreichem SiOC hingegen beträgt das Verhältnis 1,52 Li-Atome pro Formeleinheit SiO0.95C3.72 [4]. Der amorphe Charakter der freien Kohlenstoffphase erweist sich hierbei von Vorteil, denn ähnlich wie bei amorphen Kohlenstoffen, können Li-Ionen zusätzlich an Ecken und Defektstellen einzelner Kohlenstoff-Lagen gespeichert werden (Abb. 4C). Anders als amorphe Kohlenstoffe weisen SiOC-Keramiken keine ausgeprägte elektrochemische Aktivität bei niedrigen Potenzialen auf, wodurch sie hinsichtlich ihrer Betriebssicherheit überlegen sind. Anhand elektroanalytischer Methoden kann die Diffusion der Li-Ionen im Material in der freien Kohlenstoffphase und insbesondere in der Phasengrenze zum amorphen Si-O-C Netzwerk identifiziert werden (Abb.4B) [4]. Der amorphen Si-O-C Phase hingegen lässt sich nur ein geringer Anteil an der reversiblen Li-Ionen-Speicherung zuschreiben, jedoch ein messbarer Beitrag zu irreversiblen Ladungsverlusten bei erstmaliger Lithiierung der Keramik (Abb.4C).
Abb.4 Schematische Darstellung der A) SiOC-Mikrostruktur, B) Li-Ionen-Diffusion in SiOC und C) Li-Ionen-Speicherung in SiOC (grün=irreversibel gebundene Ionen; gelb= reversibel gespeicherte Ionen).
Auswahl historischer Meilensteine in der Entwicklung von (Funktions-) Keramiken und Batterien. Der Schnittpunkt 1991 markiert die kommerzielle Markteinführung keramischer Elektrodenmaterialien in der Li-Ionen-Batterie.
Ausblick Zur weiteren Steigerung der Li-Ionen-Speicherkapazität polymerabgeleiteter SiOC- und SiCN-Keramiken mit dem Ziel 1000mAh/g zu erreichen, bietet die zusätzliche Einbettung elektrochemisch aktiver Phasen in der keramischen Mikrostruktur einen vielversprechenden Ansatz. Erst kürzlich berichteten J. Kaspar et al. über die erfolgreiche Herstellung von SiOC/Sn-Nano-Kompositen [5]. Zur Synthese von SiOC/Sn wird hierbei ein neuer innovativer Ansatz verfolgt, bei dem die Ausscheidung von metallischen Zinn-Nano-Partikeln in der SiOC-Matrix in-situ erfolgt. Aufgrund des höheren spezifischen Li-Ionen-Speichervermögens von metallischem Sn (994mAh/g) kann somit die Gesamtkapazität des SiOC-Anodenmaterials erhöht werden.
Literatur
Abb.1: Quelle: http:/
Abb.3: Quelle: http:/ Bild: © nasa.gov |
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