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Möglichkeiten durch die Miniaturisierung der elektronischen Welt

Möglichkeiten durch die Miniaturisierung der elektronischen Welt

Zukunftsziel „atomare Elektronik“

Anorganische Halbleiter sind die Grundlage unserer heutigen Informations- und Kommuni­kationstechnologie, die unser tägliches Leben in zuvor ungeahntem Ausmaß durchdringt und zunehmend unsere Gesellschaft formt. Noch haben wir nicht die ultimative Grenze der Funktio­nalität, das atomare Niveau erreicht, aber wir sind auf gutem Wege.

Die Region zwischen Dresden, Freiberg und Chemnitz ist Europas größter Mikroelektronikstandort mit etwa 51.000 Beschäftigten in rund 2.100 Unternehmen. Neben der laufenden Produktion und der Fortentwicklung etablierter Technologien gibt es weit gefächerte Aktivitäten in der Erforschung von neuen Technologieansätzen. Hierbei arbeiten Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Unternehmen Hand in Hand. An der TU Dresden wurde im Jahr 2012 im Rahmen der Exzellenz­initiative des Bundes und der Länder das „Center for Advancing Electronics Dresden“ (CfAeD) etabliert, in dem sich vor allem die grundlagenorientierte Forschung bündelt, um die Entwicklung neuer Technologien voranzutreiben. Diese Technologien bilden die Grundlage, Schaltungen mit einem hohen Integrationsgrad, hoher Geschwindigkeit, niedrigem Stromverbrauch, hoher Robustheit und Flexibilität bei niedrigem Kosten zu realisieren.

Ein Kernpunkt ist „die“ große Herausforderung der Mikroelektronik des 21. Jahrhunderts: Im Zuge fortschreitender Miniaturisierung stoßen die gegenwärtige CMOS-Technologie ebenso wie das Standardverfahren zur Strukturierung von anorganischen Halbleitermaterialien, die Fotolithografie, an ihre physikalischen Grenzen. Neue Materialien und Verfahren werden benötigt, um Bauelemente und Schaltkreise auf der Nanometerskala – also auf atomarer Längenskala – zu konstruieren. Der Beitrag der experimentellen und theoretischen Chemie zur Bewältigung dieser Herausforderung ist evident, stellt doch die Längenskala am Übergang von Nanostrukturen zu Molekülen eine angestammte Domäne der Chemie dar.

Verfügbarkeit

In neuerer Zeit wurden vielfältige Ansätze zur Synthese und Charakterisierung von ein- und zweidimensionalen Nanostrukturen als Basis für neue Konzepte in der atomaren Elektronik verfolgt. Für die Arbeiten zu Einzelschichten des Graphits, dem Graphen, wurden A. Geim und K. Novoselov mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Aufbauend auf den umfangreichen Arbeiten an Schichtverbindungen in den 70er- und 80er-Jahren wurden jüngst auch die Einzelschichten von zahlreichen anderen Schichtmaterialien isoliert und untersucht. Dabei sind insbesondere die Metalldichalkogenide (z.B. MoS2) und auch der schwarze Phosphor zu nennen. Bereits in den 90er-Jahren war es mit der Synthese der Kohlen­stoffnanoröhren (carbon nanotubes, CNTs) gelungen, quasi- eindimensionale Nanostrukturen von Schichtverbindungen zu erzeugen und zu untersuchen. Aktuell werden z.B. im Rahmen des CfAeD Transistoren für den Hochfrequenz­bereich auf der Basis von CNTs entwickelt. Angeregt durch den Erfolg bei der Herstellung von CNTs wurde die mögliche Existenz von tubularen Nanostrukturen anderer Schichtverbindungen vorhergesagt und ihre Synthese realisiert. Hierfür wurden wiederum Metalldichalkogenide eingesetzt, aber auch das Element Bismut. Die Theorie zeigt dabei die möglichen Existenzbereiche der entsprechenden Nanostrukturen und ihre elektronischen Eigenschaften auf.

Für die gezielte Herstellung derartiger Materialien ist zugleich die Entwicklung neuer präparativer Ansätze unabdingbar. Wir haben uns hier im Besonderen den Niedertemperatursynthesen unter Einsatz von Mikrowellen­strahlung sowie der Nutzung von Ionischen Flüssigkeiten als Reaktionsmedien verschrieben. Letztere Aktivitäten führten zur Initiierung des DFG-Schwerpunktprogramms „Materialsynthese nahe Raumtemperatur“ (SPP 1708), das im Jahr 2014 eingerichtet wurde.

Funktion

Jenseits der Verfügbarkeit hinreichend stabiler (Sub-)Nanometer-Strukturen gilt es, zahlreiche weitere Hürden auf dem Weg zur atomaren Elektronik zu überwinden. Dazu gehören die Limitierung von Defekten, die Beherrschung der Dotierung, die Kontaktierung und die Steuerung des elektronischen Transports auf der Nanometerskala. Das Verständnis des elektronischen Schalt- und Transportverhaltens einzelner Nanostrukturen und deren Kombination zum elektronischen Schaltkreis sind entscheidende Schritte in der Realisierung einer atomaren Elektronik. Dazu bedarf es geeigneter Methoden für eine Multiskalensimulation zur Identifizierung und Optimierung geeigneter molekularer Strukturen für neuartige elektronische Bauelemente, ihre Integration in Schaltkreise und das entsprechende Design dieser Schaltkreise. Hierzu wurden auch in Dresden effiziente Verfahren zur Berechnung der Struktur, Stabilität und Dynamik der elektronischen Eigenschaften von Nanostrukturen sowie des Elektronentransports durch die entsprechenden Bauelemente entwickelt und angewendet.

Mechanische Stabilität und der Einfluss mechanischer Belastungen sind für elektronische Anwendungen im nanoskaligen Bereich außer­ordentlich wichtig. Durch Simulation der Nanoindentation einer frei stehenden zweidimensionalen MoS2-Schicht (Abb. 1) konnten wir beispielsweise zeigen, dass MoS2 ein robustes Material für eine flexible Elektronik darstellt.


Abb.1 Quantenleitfähigkeit von MoS2-Monoschichten. In der Abbildung ist die berechnete Quantenleitfähigkeit (Conductance) als Funktion der Größe der Deformation der MoS2-Monoschichten dargestellt. Die Energie ist relativ zur Fermi-Energie (F) angegeben. Es ist deutlich zu erkennen, dass sich selbst bei großen lateralen Auslenkungen (Deformation) der Schicht das elektronische Transportverhalten nur wenig verändert. (Nach T. Lorenz et al., Nanotechnology 25 (2014) 445201.)

Während nach jahrzehntelanger Optimierung die Kontakte in der
siliziumbasierten Elektronik heute kaum noch ein Problem darstellen, spielen sie in der nanoskaligen Elektronik oft eine entscheidendere Rolle als das Halbleitermaterial selbst. Deshalb stellt die Realisierung der optimalen Kontaktierung in elektronischen Nanostrukturen eine große Herausforderung dar. In Abbildung 2 wird gezeigt, wie die Variation des Metalls (Au vs. Ti) durch die unterschiedlichen Bindungseigenschaften des Metalls zum Schwefel die Ladungsträgerinjektion vom Kontakt (Metall) in die Halb­leiternanostruktur (hier eine Einzelschicht von MoS2) entscheidend beeinflusst. Während sich zwischen dem Gold und der MoS2-Schicht eine relativ hohe (Schottky-)Barriere aufbaut, können die Elektronen nahezu barrierefrei vom Titan in die Halbleiterschicht eindringen.


Abb.2 Elektronenstruktur an der Schnittstelle zwischen einer MoS2-Monoschicht und Gold (Au) bzw. Titan (Ti). Auf der rechten Seite ist das elektrostatische Potential (z) in einer Schnittebene entlang Mo-S-Au/Ti
dargestellt. Deutlich ist die breite und hohe Potentialbarriere zwischen Au und S gegenüber der schmalen und deutlich kleineren Barriere zwischen Ti und S zu erkennen. (Nach I. Popov et al., PRL 108 (2012) 156802.)

Die Eigenschaften der Materie auf der Längenskala von einem Nanometer können sich deutlich von denen im Bereich von 20 Nanometern und darüber unterscheiden. Unter anderem geht die zu übermittelnde Information beim Transport durch einen nur wenige Atome dicken Metalldraht bereits auf kurzen Strecken verloren. Die Kohärenzlänge in einer MoS2-basierten Nanostruktur ist kleiner als 20 nm. Hoffnung auf eine Lösung für dieses fundamentale Problem erwächst aus einem jüngst entdeckten Quantenzustand der Materie: An der Oberfläche sogenannter topologischer Isolatoren (TIs) existieren besondere metallische Zustände, in denen Spin und Impuls eines Leitungselektrons aneinander gekoppelt und gleichzeitig geschützt sind. Als Folge davon wird die Streuung dieser Elektronen aufgehoben und der Strom- und Spintransport verläuft (nahezu) verlustfrei. Die Stabilisierung kann so stark sein, dass dieser quanten­mechanische Effekt sogar bei Raumtemperatur Bestand hat.

Unglücklicherweise müssen mehrere Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein, damit ein TI vorliegt. Es bedarf einer besonderen elektronischen Struktur, die das Material im Inneren isolierend bzw. halbleitend macht. Die Bandlücke muss zudem durch (möglichst starke) Spin-Bahn-Kopplung entstanden sein, und es müssen bestimmte Symmetrieeigenschaften gelten. Es verwundert daher nicht, dass bis heute die außergewöhnliche Eigenschaft eines TIs nur an sehr wenigen potenziell nutzbaren Materialien experimentell nachgewiesen werden konnte.

Wegen der Notwendigkeit einer starken Spin-Bahn-Kopplung konzentriert man sich bei der Suche auf Verbindungen mit einem hohen Anteil an schweren Elementen. Physikalische Eigenschaften, Toxizität und Handelspreis führen unmittelbar auf Bismut als Element der Wahl. Tatsächlich ist Bi2Te3 der bisher am intensivsten erforschte TI, wobei die isotrope Ausprägung seiner TI-Eigenschaft Probleme für die Anwendung birgt. Günstiger erscheinen schichtartig aufgebaute Halbleiter, deren topologisch geschützte, elektronisch leitfähige Zustände nur entlang der Schichtkanten auftreten. Letztere bilden dann unmittelbar die gewünschten, nur wenige Atome breiten Leiterbahnen.

Als erstes Material, das all diese Rahmenbedingungen erfüllt, konnten wir Bi14Rh3I9 präsentieren. In der Struktur der chemisch recht robusten Verbindung wechseln sich intermetallische Schichten aus Bismut und Rhodium mit salzartigen Schichten aus Bismut und Iod ab (Abb. 3). Durch enge Kooperation von Chemikern und Physikern in Dresden und Aachen gelang es, an speziell gezüchteten Kristallen die TI-Eigenschaften in aufwändigen Experimenten, die durch quantentheoretische Modellierungen begleitet wurden, zweifelsfrei nachzuweisen. Besonders eindrucksvoll ist die experimentelle Visualisierung der topologisch geschützten Zustände entlang der Kanten der intermetallischen Schichten (Abb. 3).


Abb.3 Der topologische Isolator Bi14Rh3I9. a In der Kristallstruktur wechseln sich intermetallische Netze aus rhodiumzentrierten Bismut-Würfeln (rot) mit salzartigen Iodidobismutat-Ketten (blau) ab (Nach B. Rasche et al., Nature Mater. 12 (2013) 422.). b Mittels Rastertunnelmikroskopie kann der topologisch geschützte Zustand (helle Bereiche) entlang einer künstlich geschaffenen Stufe auf der Kristalloberfläche sichtbar gemacht werden. (Nach C. Pauly et al., Nature Phys. 11 (2015) 338.)

Die Verbindung Bi14Rh3I9 steht nicht allein, sondern gehört zu einer beachtlich großen Klasse metallreicher Hybridverbindungen, in denen intermetallische (leitende) und salzartige (isolie­rende) Struktureinheiten nebeneinander vorliegen. Aus einigen lässt sich in sanften heterogenen Reaktionen die Salzkomponente herauslösen, ohne dass die Kristalle zu Pulver zerfallen. So konnte u.a. eine metastabile, aber luftbeständige Form von Bi3Ni erzeugt werden, welche aus inkohärenten Bündeln von Metalldrähten besteht, von denen jeder nur noch vier Atome im Querschnitt hat (Abb. 4). In diesem unkonventionellen Material koexistieren Ferromagnetismus und Supraleitung, zwei Phänomene, die sich nach klassischer Auffassung gegenseitig ausschließen. Strukturierung auf atomarer Längenskala kann also auch Funktionalität generieren, die im meso- und makroskopischen Bereich unbekannt ist.


Abb.4 Bi3Ni-Nanodrähte. a Nur drei Bismutatome und ein Nickelatom bilden den Querschnitt von intermetallischen Fasern, die etwa einen halben Nanometer dick sind. b In amorphem Bi3Ni liegen diese in parallelen, aber ungeordneten Bündeln vor. Die innere Oberfläche zwischen den Faser­bündeln ist für die Koexistenz von Supraleitung und Ferromagnetismus entscheidend. (Nach T. Herrmannsdörfer et al., PRB 83 (2011) 140501.)

Schlussbemerkung

Die Entwicklung der atomaren Elektronik ist wie auch bei anderen innovativen Forschungsfeldern nur in Kooperation zwischen verschiedenen (Teil-)Disziplinen möglich. Nicht zuletzt dadurch wird es zu einer außerordentlich interessanten und für jeden beteiligten Wissenschaftler fordernden Thematik. Wir dürfen gespannt sein, welche neuen Möglichkeiten aus der weiteren Miniaturisierung der elektronischen Welt im Laufe der nächsten Jahrzehnte erwachsen werden.

Bild: istockphoto.com,
grandeduc, Henrik5000, Maartje van Caspel

L&M 7 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 7 / 2015.
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