Forscher
>
Prof. Dr. Stephan Nußberger
>
Porenproteine
PorenproteineVon Nanolöchern in Mitochondrien
Prof. Dr. Stephan Nußberger, Unpolare und kleine polare Moleküle sind in der Lage, Membranbarrieren aus freien Stücken zu überwinden. Für ein Alkoholmolekül ist dies beispielsweise noch recht einfach. Es kann frei durch Lipidmembranen diffundieren. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde könnte so ein „Alkoholgleichgewicht“ zwischen Zellinnerem und Zelläußerem hergestellt werden. Dies ist jedoch nicht für Ionen oder größere polare Moleküle möglich. Für sie sind die Membranpermeabilitäten verschwindend gering. Das hat natürlich seinen Sinn. Ohne spezielle Kanäle, Transporter, Molekülpumpen oder Translokasen, die den Molekültransfer strengstens kontrollieren, gibt es kein Durchkommen. Manche „Kontrolleure“ sind schnell, manche langsam. Dementsprechend können die Transferraten nahe am Diffusionslimit der Moleküle, bei mehreren Millionen Transfers pro Sekunde oder nur im Bereich von wenigen einzelnen Durchtritten pro Sekunde liegen. Die Funktion und Struktur der Ionenkanäle, einiger ionengekoppelter Transporter und ABC-Transporter für Ionen oder Metabolite hat man bereits im Einzelnen erforscht. Wie die Transportsysteme für größere Moleküle und Biopolymere – beispielsweise Oligonukleotide oder ganze Proteine – funktionieren, versteht man dagegen nur im Ansatz. Der geheimnisvolle Weg von Aminosäureketten durch die Membran Infolge der Verfügbarkeit ausgefeilter genomischer und proteomischer Methoden wurde in jüngster Zeit ein ganzes Bündel von unterschiedlichen Komponenten entdeckt, die strukturell oder regulativ auf membranständige Transportsysteme für Oligonukleotide und Proteine einwirken. Mechanistische Analysen, die in die Funktionen dieser Translokasen eindringen und deren Wirkungsweise auf molekularer Ebene aufzuklären versuchen, können mit dieser Entwicklung jedoch kaum Schritt halten. Obwohl die meisten Untereinheiten der Proteinkomplexe bekannt sind, versteht man die grundlegenden physikalischen Mechanismen der Transportprozesse häufig nur in Ansätzen. An diesem Punkt setzen die Forschungsarbeiten der Abteilung Biophysik am Biologischen Institut der Universität Stuttgart an. Im Visier stehen die Mitochondrien; fraglich ist, wie Proteine in die Kraftwerke der Zellen gelangen (Abb. 1). Dies wurde in Stuttgart bisher am Beispiel von TOM, einer Proteintranslokase in mitochondrialen Außenmembranen, eingehend untersucht. Wer oder was ist TOM? TOM ist ein hocholigomerer Membranproteinkomplex [1]. Er sitzt in mitochondrialen Außenmembranen und fädelt rund 1000 verschiedene Proteine durch die Außenmembran. TOM erfüllt somit die faszinierenden Funktionen der Erkennung und Entfaltung von mitochondrialen Vorstufenproteinen. Insbesondere aber bildet er einen nanoskaligen Kanal, durch den entfaltete Polypeptidketten über die Außenmembran in den mitochondrialen Intermembranraum gelangen. Anschließend gibt er die Polypeptidketten – je nach Auswahl des Präproteins – an weitere Translokasen der mitochondrialen Innenmembran oder an SAM weiter, selbst in der Außenmembran [2-4]. Was bei dem Translokationsprozess die unterschiedlichsten Aminosäurefäden durch die TOM-Poren schiebt oder zieht, ist bisher nur für ausgewählte Proteinsubstrate im Ansatz bekannt. Proteine, die für die Matrix von Mitochondrien bestimmt sind, werden mithilfe des TOM-Komplexes durch die äußere und mithilfe des TIM23- Komplexes durch die innere mitochondriale Membran transportiert, wobei ein transienter TOM/TIM-Superkomplex während des Transports gebildet wird. Dabei wird zwischen dem so genannten „Thermal Ratchet“-Modell und dem „Power Stroke“- Modell unterschieden. Beide Modelle beruhen zunächst auf gerichteter thermischer Bewegung entfalteter Polypeptidketten durch die TOM/TIM-Translokationspore. Im ersten Modell wird die thermische Bewegung der Polypeptidketten durch Anbindung von Chaperonen auf der Matrixoder Innenseite der mitochondrialen Innenmembran beeinflusst. Im zweiten Modell wird die thermische Bewegung der Polypeptidketten durch eine ATP-verbrauchende Konformationsänderung der anbindenden Chaperone und somit einer einwärts gerichteten Kraft überlagert. TOM im Elektronentomografen Einen ersten interessanten Einblick in die Architektur des proteinleitenden Kanals lieferte in unserem Labor in Zusammenarbeit mit dem Department Molekulare Strukturbiologie am MPI für Biochemie in Martinsried (Prof. Dr. W. Baumeister) die Elektronenmikroskopie/-tomografie (Abb. 2; [5,6]). Während bei der Computertomografie in der Medizin Röntgenstrahlen eingesetzt werden, wird hier auf Elektronen zurückgegriffen. Der Unterschied zur medizinischen Anwendung ist, dass die molekularen Patienten hier etwa ein hundert Millionstel Mal winziger sind. TOM wurde in verschiedensten Orientierungen durchleuchtet und schließlich aus unterschiedlichen Projektionsaufnahmen rekonstruiert. Während der größte Bildhauer des römischen Barock, Lorenzo Bernini, für eine Marmorskulptur von König Karl I. von England lediglich ein Dreifach-Porträt als Vorlage benötigte, waren für die Rekonstruktion von TOM mehrere tausend Vorlagen und Projektionsaufnahmen erforderlich. Gegenwärtig gibt es ein Strukturmodell des TOM-Core-Komplexes des filamentösen Schimmelpilzes Neurospora crassa bei einer Auflösung von ca. 2.5 nm. Der proteinleitende Kanal ist mit rund 2 nm Durchmesser für den Transfer von entfalteten oder partiell entfalteten mitochondrialen Proteinen hinreichend groß. Translokase – die Kunst des Ein- und Ausfädelns Die grundlegende physikalische Fragestellung ist: Erfolgt die Überwindung der extremen räumlichen Begrenzung in der Pore durch ein Präprotein allein durch Diffusion („Brownian ratchet“), spielen konformationelle Änderungen des TOM-Komplexes eine entscheidende Rolle oder wird das Präprotein durch für den Transport essenzielle Chaperone aktiv durch die Pore gezogen („Power stroke“)? Können wir einzelne Translokationsereignisse beobachten und den Polypeptiden beim Ein- und Durchfädeln zusehen? Mithilfe elektrophysiologischer Verfahren konnte in den vergangenen Jahren ein erster Einblick in den Mechanismus der Translokation verschiedenster Polymere durch nanoskalige Membranporen gewonnen werden [7]. Die Grundlage lieferte das bereits in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelten Coulter-Zählverfahren, das für den automatischen Nachweis und die Charakterisierung von Einzelpartikeln und Zellen im Größenbereich weniger Mikrometer verwendet wird. Ein Coulter-Messkopf besteht dabei aus zwei mit Elektrolyten angefüllten Flüssigkeitsbereichen, die durch eine Messöffnung definierter Geometrie miteinander verbunden sind. Beim Durchtritt eines Partikels durch die Messöffnung steigt der elektrische Widerstand. Bleibt die Stromstärke konstant, werden dabei Spannungsimpulse beobachtet, die proportional zu den Volumina der durchtretenden Partikel sind. Basierend auf diesem Messprinzip werden die klassischen Coulter-Messköpfe zunehmend durch nanoskalige Messöffnungen ersetzt, um damit die Detektion und Analyse einzelner Moleküle, Molekülkomplexe, Makromoleküle und Polymere (Stichworte „ssDNA-Sequenzierung am Einzelmolekül“ und „1000-Dollar-Genomprojekt“) mit hoher zeitlicher Auflösung zu ermöglichen [7]. Als Messöffnungen dienen entweder synthetisch hergestellte Poren, z.B. in dünnen Siliziumnitridschichten [8] oder natürliche Proteinkanäle in Lipidschichten [9,10]. Wird nun TOM als Einzelmolekül in eine solche planare Lipidschicht eingebaut, so kann elektrophysiologisch das stochastische Schließen und Öffnen des Kanals in Stuttgart beobachtet werden. Mitochondriale Substratpeptide verschließen den Kanal [1,5,6]. Die Analyse der verschiedenen Leitfähigkeitszustände des Kanals ohne Substrat zeigt ein interessantes Stromspannungsverhalten [11]. Im vollständig geöffneten Zustand werden lineare Ohm’sche Kennlinien gemessen. Daraus kann – in Übereinstimmung mit den elektronenmikroskopischen Bildern – wiederum ein Kanaldurchmesser von ca. 2 nm abgeschätzt werden. Die zum Teil geschlossenen Unterzustände des Kanals hingegen offenbaren nichtlineares Verhalten. Offensichtlich muss hier eine Energiebarriere von einigen kBT überwunden werden. Entfaltete Proteine können sie vermutlich nicht überwinden, sodass nur die vollständig offene Konformation des TOM-Kanals für die Polypeptidtranslokation infrage kommt. What next? Um zu einem vollständigen mechanistischen Verständnis des Gesamtprozesses der Proteintranslokation zu gelangen, werden die Vorgänge mithilfe von fluoreszenzmikroskopischen und elektrophysiologischen Einzelmolekülmethoden auf molekularer Ebene bei uns in Stuttgart weiter verfolgt werden. Der primäre Messparameter ist dabei die Verteilung der Interaktionszeiten zwischen TOM und der durchfädelnden Polypeptidkette. Theoretische Modelle zum Transfer von Polymeren durch nanoskalige Poren gibt es bereits. Was fehlt sind Daten, mit denen sie gefüttert werden können. >> nussberger@bio.uni-stuttgart.de
Literatur |
L&M 1 / 2010Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Der Autor:Weitere Artikel online lesenNewsSchnell und einfach die passende Trennsäule findenMit dem HPLC-Säulenkonfigurator unter www.analytics-shop.com können Sie stets die passende Säule für jedes Trennproblem finden. Dank innovativer Filtermöglichkeiten können Sie in Sekundenschnelle nach gewünschtem Durchmesser, Länge, Porengröße, Säulenbezeichnung u.v.m. selektieren. So erhalten Sie aus über 70.000 verschiedenen HPLC-Säulen das passende Ergebnis für Ihre Anwendung und können zwischen allen gängigen Herstellern wie Agilent, Waters, ThermoScientific, Merck, Sigma-Aldrich, Chiral, Macherey-Nagel u.v.a. wählen. Ergänzend stehen Ihnen die HPLC-Experten von Altmann Analytik beratend zur Seite – testen Sie jetzt den kostenlosen HPLC-Säulenkonfigurator!© Text und Bild: Altmann Analytik ZEISS stellt neue Stereomikroskope vorAufnahme, Dokumentation und Teilen von Ergebnissen mit ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508ZEISS stellt zwei neue kompakte Greenough-Stereomikroskope für Ausbildung, Laborroutine und industrielle Inspektion vor: ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508. Anwender sehen ihre Proben farbig, dreidimensional, kontrastreich sowie frei von Verzerrungen oder Farbsäumen. © Text und Bild: Carl Zeiss Microscopy GmbH |