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Prof. Dr. Eike Brunner
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Biomineralisation in Algen
Biomineralisation in AlgenMikroskopische Algen als Biomineralisationskünstler von globaler Wirkung
Prof. Dr. Eike Brunner, Fachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie, Bioanalytische Chemie, Technische Universität Dresden
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von extrahierten Zellwänden der Diatomeenspezies Eucampia zodiacus.
Manche Besucher der Lüneburger Heide wissen sicher von den dortigen Kieselgurlagerstätten – es gibt sogar einen Kieselgur- Rundwanderweg. Kieselgur ist ein wichtiger Rohstoff, der im Wesentlichen amorphes Siliziumdioxid enthält. Dieses Sediment entstand aus den Zellwänden abgestorbener Kieselalgen (Diatomeen, Abb. 3). Wie viele Bewunderer der einzigartigen Heidelandschaft haben wohl schon einmal mikroskopische oder elektronenmikroskopische Aufnahmen von Diatomeenzellwänden gesehen? Coccolithophoriden und Diatomeen sind wesentliche Bestandteile des Phytoplanktons. So existieren weltweit etwa 200.000 verschiedene Diatomeenspezies. Es gibt sowohl Salzwasser- als auch Süßwasserdiatomeen. Man nimmt an, dass Diatomeen für mindestens ein Viertel der Biomasse-Primärproduktion in den Weltmeeren verantwortlich sind.
Diatomeen sind also – ebenso wie die Coccolithophoriden – beileibe keine Seltenheit. Diatomeenzellwände sind ein komplexes Hybridmaterial, das aus amorphem Siliziumdioxid (einfach gesagt: aus Silikatglas) sowie organischen Komponenten mit speziesspezifischer Zusammensetzung besteht. Diese silikathaltigen Zellwände werden aus Kieselsäure gebildet, die in natürlichen Gewässern in geringer Konzentration vorhanden ist. In den Ozeanen beträgt die Kieselsäurekonzentration im Mittel etwa 70 µM. Die Kieselsäure wird von den Diatomeen aktiv aufgenommen und zur Zellwandbiosynthese in ein spezielles Kompartiment, das so genannte SDV (silica deposition vesicle) transportiert. Das SDV ist also gewissermaßen der „Silikatsynthesereaktor“ im Inneren der Zelle, den die Forscher gern bei der Arbeit beobachten würden, um von den dort ablaufenden Prozessen zu lernen. Denn abgesehen von der Schönheit der oben gezeigten Strukturen besteht auch ein ganz praktisches Interesse an Biomineralisationsphänomenen: Einerseits ist die Biomineralisation medizinisch wichtig, zum Beispiel im Hinblick auf Knochen- oder Zahnersatz. Andererseits sind Biomineralien auch aus materialwissenschaftlicher Sicht sehr interessant. Die biochemischen und biophysikalischen Prozesse, die zu ihrer Entstehung führen, können möglicherweise zu neuen und umweltschonenden Syntheseverfahren für technisch wichtige Materialien führen. Übrigens werden Diatomeenschalen auch im Hinblick auf ihre optischen Eigenschaften (photonische Kristalle) untersucht. Diatomeen sind auch deshalb wichtige Modellorganismen für das Studium der Biomineralisation, weil sie leicht im Labor gezüchtet und inzwischen auch genetisch manipuliert werden können. Zu Beginn meiner Tätigkeit an der Universität Regensburg hörte ich einen Vortrag von Professor Manfred Sumper, einem ebenfalls in Regensburg tätigen Biochemiker. Er berichtete über eine aufregende Entdeckung: Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hatte er sehr seltsame Biomoleküle in den Zellwänden einiger Kieselalgen gefunden. Diese so genannten Silaffine sind Proteine mit auffälligen Modifizierungen, die zuvor noch nie in anderen Organismen beobachtet worden waren. Es war zu vermuten, dass diese Moleküle einzigartige Funktionen bei der Strukturierung der Zellwände besitzen. Die von uns dann gemeinsam angestellten Untersuchungen ergaben, dass die Silaffine Zwitterionen sind, welche die Fähigkeit zur Selbstassemblierung besitzen, also als strukturdirigierende Template wirken können. Außerdem beschleunigen sie die Präzipitation von Silikat aus Kieselsäurelösungen. Inzwischen sind neben den Silaffinen auch noch andere interessante Biomoleküle in den Diatomeenzellwänden gefunden worden. Beispiele sind spezielle langkettige Polyamine sowie die erst kürzlich entdeckten so genannten Silacidine. Trotzdem sind die Diatomeenzellwände und ihre Entstehungsmechanismen immer wieder gut für Überraschungen. So gelang uns gerade der Nachweis, dass die Zellwände von Thalassiosira pseudonana ein fein strukturiertes Netzwerk aus Chitin enthalten (Abb. 4).
Diese Netzwerke wurden unter anderem mithilfe verschiedener spektroskopischer Methoden (NMR, IR, Raman) charakterisiert und enthalten neben Chitin noch weitere, bisher nicht näher untersuchte Biomoleküle (cross-linker?). Chitin ist in der Natur nach der Zellulose das zweithäufigste Polysaccharid. Seine Bedeutung in der Calciumcarbonatbiomineralisation – zum Beispiel im Perlmutt – ist wohlbekannt. Dort bilden sich Gerüste oder Kompartimente aus Chitin, auf denen dann unter dem Einfluss anderer Biomoleküle das Calciumcarbonat gebildet wird. Ist das bei manchen Diatomeen vielleicht ganz ähnlich, nur dass es dort zur Abscheidung von Silikat kommt? Und wie weit verbreitet sind Chitingerüste nach dem Vorbild der Thalassiosira pseudonana unter den vielen anderen Diatomeenspezies? Auch der Silikatstoffwechsel der Diatomeen, welcher der vergleichsweise schnellen Bildung der Zellwände zu Grunde liegt (zum Teil geschieht das innerhalb von 15–30 Minuten, sonst in wenigen Stunden), ist bislang nur zum Teil verstanden. Die Zellwandbiogenese von Diatomeen bleibt also ein spannendes Forschungsgebiet – und die Schönheit ihrer Strukturen wird auch in Zukunft ein nicht zu unterschätzender Antrieb für uns Forscher sein.
Literatur (ausgewählte eigene Arbeiten) Sumper, M. & Brunner, E. (2008) ChemBioChem 9, 1187–1194. 1 Biomineralisation ist die Synthese anorganischer Verbindungen und deren Strukturierung als Folge biologischer Prozesse. *Biomineralisation ist die Synthese anorganischer Verbindungen und deren Strukturierung als Folge biologischer Prozesse. |
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