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Diabetologie - Dick oder dünn

Diabetologie - Dick oder dünn

Schlechte Aussichten ohne funktionierendes Fettgewebe

Deike Hesse, Dr. Angela Hommel, Prof. Dr. Annette Schürmann Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, Abteilung Experimentelle Diabetologie

Im Zeitalter kontinuierlicher Zunahme des Körpergewichts und ansteigender Adipositas sucht man nach Wegen, die Fettpolster loszuwerden. Ein gut funktionierendes Fettgewebe ist allerdings absolut notwendig für einen gesunden Stoffwechsel und eine ausgewogene Energiehomeostase. Zwei Typen Fettgewebe mit unterschiedlicher Funktion

Das Fettgewebe spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Energiehaushalts des Körpers. Man unterscheidet zwei Formen des Fettgewebes mit unterschiedlichen Funktionen, das weiße und das braune Fettgewebe. Während das weiße Fettgewebe der Speicherung von Lipiden dient, wird im braunen Fettgewebe Energie bei der zitterfreien Wärmebildung verbraucht (NST: non shivering thermogenesis). Eine besondere Eigenschaft des braunen Fettgewebes ist die Expression des Proteins UCP1 (uncoupling protein 1; Bouillard et al., 1985; Ricquier et al., 1991). Mithilfe des UCP1 können die im braunen Fettgewebe zahlreich vorkommenden Mitochondrien von der üblichen ATP-Produktion (in der oxidativen Phosphorylierung) auf Wärmeerzeugung umschalten, sodass in braunen Fettzellen gespeichertes Fett zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur genutzt und größere Mengen an Energie verbraucht werden (Sell et al., 2004). Lange ging man davon aus, dass das braune Fettgewebe beim Menschen eher eine untergeordnete Rolle spielt und er nur im Säuglingsalter ein wenig davon besitzt. Neuere Studien belegen jedoch, dass auch der erwachsene Mensch über braunes Fettgewebe verfügt, wobei allerdings adipöse Personen kein braunes Fettgewebe oder nur geringe Mengen dieses stoffwechselaktiven Gewebes aufweisen (Au-Yong et al., 2009). Das weiße Fettgewebe ist das Hauptorgan zur Speicherung von Fetten in Form von Triglyzeriden, die in Fastenperioden oder bei länger anhaltender körperlicher Belastung als metabolische Energie mobilisiert werden können (Brasaemle et al., 2000; Su et al., 2003). Triglyzeride werden in Form von Lipidtropfen gespeichert, die zunächst an Membranen des endoplasmatischen Retikulums (ER) in Abhängigkeit von der Triglyzeridsynthese entstehen. Die Lipidtropfen wachsen dann durch die Fusion einzelner kleiner Lipidtropfen schließlich zu großen, die gesamte Zelle ausfüllenden Fetttropfen (Olofsson et al., 2008). Wie dies funktioniert und welche molekularen Mechanismen die Fettspeicherung regulieren, ist bisher nur zum Teil bekannt und ein Schwerpunkt unserer Arbeiten. Vor mehr als 15 Jahren wurde die Ras-ähnliche GTPase ARFRP1 in einem Screening-Ansatz in Fettzellen als neues Mitglied der ARF (ADP-ribosylation factors)-Proteine gefunden. Inzwischen wissen wir, dass ARFRP1 im aktiven GTP-gebundenen Zustand mit Membranen des Golgi- Apparates interagiert und dort die Sortierung von Proteinen reguliert (Zahn et al., 2006). Um nun zu prüfen, welche Funktion ARFRP1 in der Regulation fettzellspezifischer Prozesse spielt, wurde sein Gen spezifisch im Fettgewebe ausgeschaltet. Die fettspezifische Arfrp1- knockout-Maus verlor fast völlig ihre Fähigkeit zur Triglyzeridspeicherung, da das Wachstum der Fetttropfen beeinträchtigt und die Triglyzeridspaltung (Lipolyse) erhöht war (Hommel et al., 2010).

ARFRP1, ein Protein des Golgi-Apparats

Bisher war bekannt, dass die Triglyzeridsynthese im endoplasmatischen Retikulum (ER) erfolgt, aber wie es schließlich zur Ausbildung großer Fetttropfen kommt und welche Rolle andere Organellen spielen, war lange Zeit unbekannt. Die Gruppe um Robert Farese lieferte in einem Zellsystem der Fruchtfliege Drosophila erste Hinweise darauf, dass neben dem ER auch andere Zellkompartimente (z.B. der Golgi-Apparat) die Lipidtropfenbildung beeinflussen (Gao et al., 2008). Die GTPase ARFRP1 wird nach Bindung von GTP aus dem Zytoplasma an Membranen des trans-Golgis umverteilt und zieht in der Folge ein verwandtes Protein, das ARF-like 1 (ARL1) und dessen Bindungspartner Golgin-245 (ein so genanntes GRIP-Domäne- Protein, das als „tethering factor“, einem Anbindefaktor fungiert) an diese Membranen (Zahn et al., 2006). Wird ARFRP1 konventionell in der Maus ausgeschaltet, stirbt der Embryo während der Keimblattentwicklung (Mueller et al., 2002), da das Zell-Zell- Kontaktprotein E-Cadherin – statt an die Plasmamembran gebracht zu werden – z. T. im Golgi-Apparat verbleibt und ein Adhäsionsdefekt die Entwicklung des Mesoderms blockiert (Zahn et al., 2008).

Welchen Einfluss nimmt ein Golgi-Protein auf die Funktion der Fettzelle?

Wird das Arfrp1-Gen spezifisch im Fettgewebe inaktiviert, werden die Mäuse geboren und unterscheiden sich augenscheinlich nicht von ihren Kontrollgeschwistern, sind aber im Folgenden kleiner (Abb. 1A) und sterben in den ersten drei Lebenswochen aufgrund einer reduzierten Körpertemperatur (Abb. 1B) und niedriger Blutglucosespiegel. Weißes Fettgewebe, das nach der Geburt angelegt wird, ist in den mutierten Tieren kaum nachweisbar, braunes Fettgewebe, das sich bereits in der späten Embryonalentwicklung bildet, ist deutlich kleiner. Das Differenzierungsprogramm der Fettzellen läuft allerdings unverändert ab, wichtige fettzellspezifische Transkripte und Proteine wie der Transkriptionsfaktor PPAR oder der Glucosetransporter GLUT4 werden auch in Abwesenheit von ARFRP1 gebildet. Auch die Triglyzeridsynthese ist prinzipiell möglich, da Triglyzeride und alle Vorstufen (Monoacylglycerol und Diacylglycerol) in Fettgewebsproben von knockout-Tieren nachweisbar sind. Mikroskopische Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Fetttropfen deutlich kleiner waren (Abb. 1).


Abb. 1 Mäuse, denen die GTPase ARFRP1 im Fettgewebe fehlt (-/-), sind (A) kleiner als ihre Wildtyp-Geschwister (+/+) und (B) weisen eine deutlich niedrigere Körpertemperatur auf, wie mithilfe einer Infrarot-Wärmekamera gezeigt wird.

Dies führen wir darauf zurück, dass ein an Fusionsereignissen beteiligtes Protein, das SNAP23 (synaptosomal-associated protein of 23 kDa) nicht wie sonst in Fettzellen üblich an kleinen Fetttropfen vorzufinden ist, um deren Fusion zu größeren Tropfen zu ermöglichen, sondern im Zytoplasma und an der Zelloberfläche lokalisiert ist. Die Lipidtropfengröße wird nicht nur durch die Kapazität der Fusion, sondern auch durch die Aktivität von Fettspaltenden Enzymen wie der ATGL (Adipozyten-Triglyzerid-Lipase) und der HSL (Hormon-sensitive Lipase) beeinflusst. Die Enzyme werden durch die Stimulation der Lipolyse, die u. a. mit Phosphorylierungsreaktionen (HSL und das Lipidtropfenprotein Perilipin) einhergeht, aus dem Zytoplasma an die Lipidtropfen rekrutiert und spalten dann Triglyzeride (ATGL) und Diacylglycerol (HSL). Tatsächlich zeigte sich im braunen Fettgewebe der Arfrp1-Nullmutanten eine gesteigerte Phosphorylierung von HSL und eine stärkere Assoziation beider Lipasen an den Fetttropfen. Im Zellkultursystem bestätigten wir außerdem, dass nach Hemmung von ARFRP1 die basale Lipolyse gesteigert war (Hommel et al., 2010). Wir gehen also davon aus, dass das Golgi-Protein ARFRP1 und damit Golgi-abhängige Prozesse gleichzeitig zwei Prozesse regulieren. Einerseits werden sie für die Fusion kleiner Fettpartikel zu größeren Fetttropfen benötigt, andererseits modulieren sie den enzymatischen Fettabbau (Abb 3).


Abb. 3 Modell der Rolle der GTPase ARFRP1 in der Regulation der
Fetttropfenbildung.

Fehlende Fettspeicherung im Fettgewebe führt zur Insulinresistenz

Ist das Fettgewebe nicht in der Lage, Lipide zu speichern, spricht man von einer Lipodystrophie, die neben peripherem Fettverlust durch eine Insulinresistenz und eine Erhöhung der Blutfette ge kennzeichnet ist. Auch in Abwesenheit von ARFRP1 führt der Speicherdefekt des Fettgewebes dazu, dass die Tiere bereits im Alter von nur 7 und 14 Tagen Fette in anderen Geweben wie der Leber lagern (Abb. 2B-D; Hommel et al., 2010).


Abb. 2<7B> Defekte Fettspeicherung im Fettgewebe führt zu einer Hepatosteatose (Fettleber). (A) Die Fetttropfen im Fettgewebe der knockout-Tiere (-/-) sind deutlich kleiner als in dem von Kontrolltieren (+/+); die Oberfläche der Fetttropfen wurde durch Anfärbung des Lipidtropfenproteins Perilipin (grün) sichtbar gemacht. Die Zellkerne sind blau angefärbt. (B) Als Konsequenz der verminderten Fettspeicherung im Fettgewebe lagert die knockout- Maus Lipide in der Leber ab. Dies wird nach Färbung der Fette in Leberschnitten 14 Tage alter Tiere mit dem Farbstoff Oil-red-O (rot) deutlich. (C) Der erhöhte Fettgehalt der Leber in Abwesenheit von ARFRP1 zeigt sich auch nach biochemischer Bestimmung der Triglyzeridkonzentration oder (D) nach Auftrennung der Lipide mittels Dünnschichtchromatografie.

Damit ähnelt die Lipodystrophie der Konstellation des so genannten „metabolischen Syndroms“ (zentrale Adipositas, Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie, Dyslipoproteinämie), das eine Folgeerscheinung des Übergewichts und der Adipositas darstellt. Diese Tatsache erklärt, weshalb eine medikamentöse Hemmung der Fettspeicherung im Fettgewebe kein sinnvoller Ansatz in der Adipositastherapie ist. Allerdings stellt die von uns entwickelte Maus ein neues Modell zur Untersuchung der Ursachen und Mechanismen der Insulinresistenz, einer Vorstufe des Typ-2-Diabetes dar. Die Maus wird uns ermöglichen, die molekularen Mechanismen der Insulinresistenz aufzuklären, die durch eine ‚fehlerhafte’ Fettspeicherung ausgelöst wird.

Literatur:
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Florian, S., Scheepers, A., Joost, H.G., Huber O., and Schürmann, A. (2008). ADP-ribosylation
factor-like GTPase ARFRP1 is required for trans-Golgi to plasma membrane trafficking
of E-cadherin. J. Biol. Chem. 283:27179–27188.

L&M 4 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2010.
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