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Biosensoren – neue Möglichkeiten für ein etabliertes Arbeitsgebiet

Eindeutige Reaktionen

Die Sensorik mit Biomolekülen ist auf die selektive Stoffdetektion in komplexen Systemen gerichtet. Hierbei wird im Vergleich zu anderen analytischen Ansätzen auf den direkten Kontakt der biologischen Erkennungsstruktur mit einem Signalwandler fokussiert. Somit sind Messungen von Konzentrationsverläufen online und ortsaufgelöst möglich. Das Konzept ist mit Enzymsensoren in den 60er-Jahren durch L. Clark begründet worden und hat seitdem eine umfangreiche Entwicklung erfahren.

So sind neben die Enzymsubstrate als Analyte nieder- und hochmolekulare Antigene, Toxine, DNA, Nukleinsäurebindemoleküle, Metallionen u.a. getreten. Auch die Bandbreite genutzter Erkennungselemente hat sich enorm vergrößert, neben biologisch vorkommenden Molekülen werden zunehmend auch artifizielle Moleküle z.B. aus Nukleinsäuren (Aptamere, Ribozyme, LNA usw.), Peptiden (Affibodies), aber auch Polymere (z.B. molekular geprägte Polymere – MIPs) eingesetzt. Um die spezifische Wechselwirkung eines Analytmoleküls mit der Erkennungsstruktur sensitiv anzuzeigen, ist eine effektive Kopplung dieser Moleküle mit dem Signalwandler notwendig. Hier hat sich gerade in den letzten Jahren geradezu eine boomhafte Entwicklung abgespielt. Dies hat verschiedene Ursachen: Neben den Fortschritten im Engineering von Biomolekülen und der Herstellung unterschiedlicher Oberflächen in mikrofluidischen Systemen haben hierzu Neuerungen in der Nanotechnologie einen erheblichen Beitrag geleistet. Dies ist auch ein Arbeitsschwerpunkt der AG Biosystemtechnik an der TH Wildau.

Genau definierte Signalwege

Biosensoren haben – obwohl sie von Menschenhand geschaffene technische Systeme darstellen – dennoch biologische Vorbilder. So schaut die Biosensorik auf biochemische Systeme, um zu lernen, wie hier die Anwesenheit spezifischer Stoffe in bestimmten Konzentrationen über genau definierte Signalwege zu einer eindeutigen Reaktion des Systems führen. Proteine sind in der Biosensorik favorisierte Moleküle, da sie sowohl über spezifische Erkennungseigenschaften als auch über katalytische Aktivität verfügen können. Besitzen sie redoxaktive Gruppen, die wesentlich für ihre Funktion sind, bietet sich die Kopplung mit elektrochemischen Signalwandlern an. Hierzu wurden verschiedene Kopplungsstrategien entwickelt. In den letzten Jahren treten jedoch immer mehr Entwicklungen in den Vordergrund, um eine direkte Kommunikation zwischen dem Redoxzentrum z.B. eines Enzyms und der Elektrode herzustellen. Dies vermeidet den Einsatz von Shuttlemolekülen, verringert mögliche Interferenzen und erlaubt bei der Umsetzung eines Substrates einen direkten Signaltransfer an die signalwandelnde Elektrode. Die AG Biosystemtechnik hat hier einen Beitrag geleistet, indem verschiedene Redoxproteine und Enzyme so effektiv mit Elektroden gekoppelt werden, dass der Nachweis von Interaktionspartnern der Proteine mithilfe von Strommessungen möglich wird. Ein Beispiel ist die Detektion von kurzlebigen Sauerstoffspezies wie dem Superoxidradikal mithilfe von Sensorelektroden, die mit dem Redoxprotein Cytochrom c modifiziert sind.

Erhöhte Menge aktiver Moleküle

Da man bei dieser Herangehensweise jedoch geringe Elektronentransferabstände sicherzustellen hat (zwischen dem Redoxzentrum des Proteins und der Elektrode), ist man deutlich in der Menge der aktiven Biomoleküle begrenzt. Hier wurde in der AG Biosystemtechnik ein neuartiger Ansatz entwickelt. Dabei wird unter zu Hilfenahme eines schwachen Polyelektrolyten eine schichtweise, ladungsgesteuerte Abscheidung von Redoxproteinen auf Elektroden genutzt. Dabei werden die Bedingungen in dem Schichtsystem so eingestellt, dass die immobilisierten Proteinmoleküle miteinander kommunizieren können und deshalb bei Anlegen einer entsprechenden Spannung an der Elektrode sowohl vollständig oxidiert als auch reduziert werden können. Mit diesen voll redoxaktiven Proteinmultischichtelektroden kann eine enorme Vergrößerung der Menge aktiver Moleküle erreicht werden – und zwar ohne dass die für die Kommunikation mit der Elektrode zusätzlichen niedermolekularen Shuttlemoleküle notwendig sind. Dies erhöht sofort die Sensitivität für die Detektion von Interaktionspartnern wie z.B. für das Superoxidradikal, wenn Cytochrom-c- Multischichten auf der Sensorelektrode genutzt werden. Im Rahmen dieser Arbeiten kann außerdem gezeigt werden, dass neben Polylektrolyten auch andere Bausteine für den Aufbau von aktiven Proteinmultischichten möglich sind. Insbesondere sind doppelsträngige DNA als biomolekularer Baustein oder Nanopartikel aus Gold oder Siliziumdioxid als anorganische Bausteine geeignet. Letztere müssen jedoch geeignet modifiziert werden, sodass eine definierte Oberflächenladung entsteht (z.B. für das bei pH7 positiv geladene Cyt c negative Liganden mit Karboxy-Terminus).

Komplexe Systeme mit integrierten Enzymen

Der Ansatz der schichtweisen Assemblierung von Redoxproteinen reflektiert die Situation in vielen biologischen Systemen, wie man sie z.B. in der Atmungskette findet, wo es ebenfalls zu einer stufenweisen Weitergabe von Elektronen von einem Redoxzentrum zum nächsten Redoxzentrum kommt. Diesem Grundsatz weiterfolgend, wurden komplexere Systeme mit integrierten Enzymen entwickelt. Diese Proteinmultischicht- Architekturen besitzen noch immer volle Redoxaktivität für die fixierten Redoxproteine, aber darüber hinaus die volle katalytische Aktivität der genutzten Biokatalysatoren. Dadurch entsteht eine Signalkette, die aus vielen Elektronentransferschritten besteht, beginnend mit der Substratumwandlung am katalytischen Zentrum des Enzyms über mehrere Elektronenaustauschprozesse innerhalb des Schichtsystems bis hin zum Elektronentransfer an der Elektrode. Dies ist in Abbildung 3 schematisch illustriert. Ein solches System ist nicht nur als Mimick biologischer Signalwege interessant, sondern bedeutet analytisch auch eine Erhöhung der Sensitivität über die Anzahl der aufgebrachten Proteinschichten auf der Elektrode. Dies kann für Enzyme wie Billirubinoxidase, Sulfitoxidase aber auch Cellobiosedehydrogenase gezeigt werden. Die Analyse verschiedener Substratkonzentrationen wird dabei durch die vielen Elektronentransferschritte nicht limitiert. Die Geschwindigkeit ist ausreichend hoch, um der Umsatzreaktion am Enzym zu folgen und damit eindeutige Signal-Konzentrationskorrelationen herzustellen, wie sie für die Stoffanalytik notwendig sind.

Interessante Funktionseigenschaften

Nanomaterialien, die im ähnlichen Größenordnungsbereich wie Biomoleküle liegen, sind jedoch nicht nur wertvoll bei der Assemblierung von Biomolekülen unter Erhalt von deren Funktionalität, sondern können auch selbst interessante Funktionseigenschaften besitzen. Ziemlich bekannt ist die intensive Absorption von Goldnanopartikeln oder auch die Fluoreszenz von Halbleiternanopartikeln. Weniger genutzt ist die Eigenschaft der Ladungsträgerseparierung in Halbleiternanopartikeln bei Bestrahlung mit Licht geeigneter Wellenlänge. Dies wird in der AG von Prof. Lisdat intensiv bearbeitet und es werden neue Prinziplösungen für die bio chemische Analytik entwickelt, die auch patentiert werden. Hierzu werden Halbleiternanokristalle, die auch Quantenpunkte („quantum dots“ – QDs) genannt werden, auf Elektroden fixiert und nach Beleuchtung, die in den QDs erzeugten Ladungsträger entweder an die Elektrode übertragen oder von der Elektrode „aufgefüllt“. Dadurch können Reaktionen mit Stoffen in Lösung befördert werden, die im ersten Fall als Donatoren wirken und im letzteren Fall als Akzeptoren. Somit lassen sich lichtgesteuerte Signalketten aufbauen, die der Stoffkonzentration der jeweiligen Donatoren oder Akzeptoren folgen. Als Messgröße dient hierbei der Stromfluss unter Beleuchtung (Photostrom).

Biochemische Detektion

Aufbauend auf diesen einfachen Systemen können auch biochemische Detektionsverfahren entwickelt werden. So kann z.B. die NADH-Oxidation an beleuchteten QDs bei geringem Potenzial ausgenutzt werden, um die Substrate von NAD+-abhängigen Dehydrogenasen über Veränderungen im Fotostrom nachzuweisen. Ein weiteres Beispiel ist in Abbildung 4 illustriert. Hier wird die Elektronenübertragung auf Sauerstoff durch die angeregte QD-Elektrode bei negativer Polarisation ausgenutzt. Der kathodische Fotostrom ist somit sauerstoffsensitiv und kann deshalb biokatalytische Reaktionen von Oxidasen verfolgen, die auf der QD-Elektrode immobilisiert sind. Durch den enzymatischen Verbrauch von Sauerstoff bei Substratumsatz wird der Fotostrom zum Maß für die Konzentration des entsprechenden Enzymsubstrates. Der besondere Vorteil solcher Systeme besteht in der zusätzlichen Stellgröße für die Sensorauslese: Neben dem gewählten Elektrodenpotenzial erscheint das Licht. Dadurch werden nur Bereiche der Elektrode ausgewertet, die auch beleuchtet werden. So werden parallele Analysen auf einer Sensorelektrode möglich, wenn auf der QD-Elektrode verschiedene biochemische Systeme immobilisiert sind. Dies wird in Abbildung 4b schematisch illustriert. Auch diese artifiziellen Systeme haben ein biologisches Vorbild. So wird bei der Fotosynthese die Ladungsträgerseparierung in den Fotosystemen nach Beleuchtung für die Produktion von Reduktionsäquivalenten (NADPH) genutzt. Diese wird über stufenweise Elektronentransportprozesse in Gang gesetzt. Analog wird bei Beleuchtung einer biochemisch modifizierten QD-Elektrode eine Kaskade von Elektronentransferschritten erzeugt, die zu einem Fotostrom führt und als Signal genutzt werden kann. Die beiden vorgestellten Arbeitsrichtungen sollen zeigen, wie faszinierend nach wie vor die Biosensorik und ihr Entwicklungspotenzial sind. Besonders kennzeichnend sind der interdisziplinäre Charakter und das Aufgreifen von Entwicklungen angrenzender Wissenschaftsbereiche wie der Mikrosystemtechnik, den Materialwissenschaften, der Molekularbiologie oder auch der Biochemie. Dazu erwachsen aus dem medizinischen Bereich immer neue Anforderungen an den Nachweis einzelner Stoffe; gerade hier kann die Biosensorik einen wichtigen Beitrag leisten.

Literatur
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L&M 2 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2013.
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