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L&M-6-2012 > Molekulargenetische Diagnostik von erblichen Netzhauterkrankungen

Molekulargenetische Diagnostik von erblichen Netzhauterkrankungen

Schau mir in die Augen, Kleines …

Mit seinem berühmten Satz in „Casablanca“ ging es Humphrey Bogart nicht um Netzhautdiagnostik. Anders jedoch Wissenschaftlern der Universität Regensburg: Mit einem tiefen Blick in die genetische Welt erkennen sie frühzeitig mit Mikrochip-Elektrophorese und neuer RetChip-Technologie erbliche Netzhauterkrankungen.

Sehen ist neben Hören, Riechen, Schmecken und Tasten eine der fünf Sinnesleistungen, die für die meisten Menschen selbstverständlich zum Alltag dazugehören. Wenn das Sehen jedoch plötzlich nur noch eingeschränkt möglich ist, werden viele Kleinigkeiten des Alltags für den Betroffenen zu einer großen Herausforderung. Um die Diagnostik und Behandlung dieser Patienten zu vereinfachen, wurde am Institut für Humangenetik der Universität Regensburg ein neues Verfahren entwickelt, das zu neuen Erkenntnissen in Forschung und Diagnostik genutzt wird.

Erbliche Netzhauterkrankungen

Es gibt viele unterschiedliche Gründe, warum es zu einer Sehstörung kommen kann und es gibt ebenso zahlreiche unterschiedliche Krankheitsbilder. Umweltbedingungen wie z.B. Rauchen und Übergewicht erhöhen das Risiko, eine häufige Netzhautkrankheit wie die altersabhängige Makuladegeneration zu bekommen, jedoch betonen neueste Forschungsergebnisse vor allem auch den genetischen Ursprung solcher Krankheiten.
Unter „Netzhautdystrophie“ versteht man hauptsächlich genetisch verursachte Funktionsstörungen der Netzhaut, die entsprechend in Familien gehäuft auftreten. Gene enthalten Informationen für Proteine. Veränderungen im genetischen Erbmaterial können zu einer fehlerhaften Zusammensetzung oder Faltung von Proteinen führen. Für viele Netzhautdystrophien sind die Gene für diese molekularen Ursachen heute bekannt. Zumeist sind veränderte Proteine der Photorezeptoren oder der Pigmentepithelzellen – der darunter liegenden Zellschicht für die Ernährung der Photorezeptoren – dafür verantwortlich, dass sich eine Netzhautdystrophie entwickelt. Je nach Ausprägung unterscheidet man verschiedene Krankheitsbilder. So geht beispielsweise die Makuladystrophie mit einem Verlust des zentralen Sehbereiches einher (der Sehschärfe, des Kontrastempfindens, des Farbsehens, der Anpassungsfähigkeit an veränderte Lichtverhältnisse sowie einer Erhöhung der Blendeempfindlichkeit). Die Makula ist der zentrale Bereich der Netzhaut mit der größten Dichte an Zapfen-Photorezeptoren. Eines dieser Gene, die eine Makuladystrophie auslösen kann, ist das Gen ABCA4, das für einen Lipidtransporter kodiert, der nach Lichtanregung potentielle toxische Komponenten aus der Retina entfernt.

Der RetChip v1.0 – gleichzeitiger Test verschiedener Gene

Um die genetische Ursache einer Netzhauterkrankung nachzuweisen, hat das Institut für Humangenetik Regensburg den so genannten RetChip v1.0 entwickelt. Hierbei können bis zu 72 potenziell defekte Gene parallel analysiert werden. Die klinische Fragestellung legt die zu testenden Gen-Sets („Module“) vor. So können z.B. in dem „Modul Morbus Stargardt“ die Gene, die für die Stargardt-Erkrankung verantwortlich sind, getestet werden, wie z.B. das Gen ABCA4.Die neue RetChip-Technologie erlaubt es – im Vergleich zu konventioneller klinischer Diagnostik – viele Gene gleichzeitig zu testen und steigert so die Wahrscheinlichkeit, die Ursache der Erkrankung zu identifizieren. Zudem können nun auch neue, noch nicht bekannte Veränderungen in diesen Krankheitsgenen identifiziert werden. Eine durch den RetChip gefundene Veränderung der DNA-Sequenz wird mittels Sanger-Sequenzierung bestätigt. Die so genannten Soll-DNA-Sequenzen „Standard“-DNA-Sequenzen ohne Gendefekt) befinden sich auf dem Chip. Die gefärbte Patienten-
DNA wird zu dem Chip hinzugegeben. Wenn sie die gleiche DANN-Sequenz zur Soll-DNA aufweist und dementsprechend an die komplementäre Soll-DNA bindet, wird dies durch eine entsprechende Färbung sichtbar. Um bestimmte Proben eines Patienten untersuchen zu können, benötigt man die DNA-Sequenzen der „Krankheitsgene“ des Patienten in ausreichender Konzentration. Hierzu wurden spezifische Startmoleküle („Primer“) entworfen, die den Start und das Ende dieser Sequenzen festlegen. Mittels einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR) kann dann der durch die Primer festgelegte DNA-Bereich hunderttausendfach kopiert werden. Bei der so genannten Multiplex-PCR handelt es sich um eine PCR-Reaktion, bei der nicht nur ein einzelner, sondern mehrere DNA-Bereiche in einer einzigen PCR-Reaktion gleichzeitig vervielfältigt werden, wodurch sich Zeit, Kosten und Arbeitsbelastung reduzieren.

Automatisierte Multiplex-Analysen

Um die richtigen Mengen an DNA zu bestimmen, die für die Analyse des RetChip v1.0 eingesetzt werden müssen, wurden diese Multiplexe früher durch Gel-Elektrophorese untersucht (Abb. 1). Da dies jedoch viel Zeit und manuelle Arbeit erforderte, wird diese Methode zukünftig immer öfter durch automatische Elektrophoresesysteme ersetzt. Das MCE-202 MultiNA-Gerät von Shimadzu (Abb. 2) bietet bei der Analyse der DNA-Fragmente eine moderne Alternative zur Agarose-Gelelektrophorese. Manuelle Arbeitsschritte für Vorbereitung, Trennung, Nachweis und Datenaufbereitung laufen komplett automatisiert ab. Die Größenbestimmung und die Quantifizierung von DNA-Fragmenten basieren auf einer Mikrochiptechnologie, wobei wiederverwendbare Quarzmikrochips eingesetzt werden.

Fazit

Durch den Nachweis der genetischen Ursache mithilfe der Multiplex-PCR, Mikrochiptechnologie und RetChip-Analyse kann die klinische Diagnostik verlässlich durchgeführt werden. Der Patient kann nun besser auf den zukünftigen Krankheitsverlauf vorbereitet und in einer gezielten Therapie ggf. medikamentös oder mit bekannten Nahrungsergänzungsmitteln behandelt werden. Betroffene Familien können dahingehend beraten werden, wie hoch das Risiko ist, dass andere Familienangehörige und deren Nachkommen an dieser Krankheit erkranken (Wiederholungsrisiko). Zudem wird die Forschung auf diesem Gebiet vereinfacht. Die zunehmenden Erkenntnisse in der Molekulargenetik steigern damit auch die Wahrscheinlichkeit für eine künftige sinnvolle Gentherapie.

Abb.1:
A: DNA-Analyse von 16 Gen-Multiplexen mittels klassischer Gel-Elektrophorese.
B: DNA-Analysen von 16 Gen-Multiplexen mit dem automatisierten Mikrochip-Elektrophorese-Gerät MCE-202 MultiNA von Shimadzu. Gelansicht, Elektropherogrammansicht und Datenanalysetabelle (zur Konzentrationsbestimmung). L: X174 DNA / HaeIII Marker (Promega).
In Abb. A und B wurden jeweils die gleichen kodierenden Bereiche von Multiplexen aus den Genen ABCA4, CNGB3, ELOVL4, GUCA1A, KCNV2, NR2E3, RIMS1 und TIMP3 untersucht.

Abb.2: MCE-202 MultiNA-Gerät

Quellen:

Mellough C.B., Steel D.H.W. und Lako M. (2009): Genetic Basis of Inherited Macular Dystrophies and Implications for Stem Cell Therapy Stem Cells, 27(11): 2833–2845.
Molday R.S. und Zhang K. (2010): Defective lipid transport and biosynthesis in recessive and dominant Stargardt maculardegeneration, Prog Lipid Res. 49(4):476-92.
http://www.humangenetik-regensburg.de/ (Stand 27.02.2012)

Foto: © Vanessa Liedschulte

L&M 6 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2012.
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