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L&M-4-2012 > Katalytische Transferhydrierungen in der Mikrowelle

Katalytische Transferhydrierungen in der Mikrowelle

Wasserstoff wechsel dich!

Katalytische Hydrierungen und Hydrogenolysen sind bedeutende Reaktionen, die sowohl industriell in großtechnischem Maßstab bei der Synthese von Feinchemikalien, Naturstoffen und Pharmazeutika als auch in Laboratorien der organischen Synthesechemie häufig Anwendung finden. Während industrielle Hydrierungen meist unter hohem Wasserstoffdruck in Autoklaven durchgeführt werden, ist für Arbeiten in Syntheselaboratorien oft ein hoher Geräteaufwand nötig. Um den Umgang mit molekularem Wasserstoff, einem hochentzündlichen Gas, zu vermeiden, greift man besonders im Labormaßstab häufig auf alternative Wasserstoffquellen zurück.

Derartige Wasserstoff-Donoren erzeugen unter der katalytischen Wirkung klassischer Hydrierungskatalysatoren Wasserstoff in situ. Dieser wird anschließend auf vorhandene Wasserstoff-Akzeptoren übertragen. Im Rahmen solcher Transferhydrierungen [1 – 3] kommen meist organische Moleküle wie Kohlenwasserstoffe, primäre und sekundäre Alkohole sowie Ameisensäure und ihre Salze als Wasserstoffquelle zum Einsatz (Abb. 1). Geeignete Wasserstoff-Akzeptoren sind neben ungesättigten Verbindungen auch Nitro- und Azoverbindungen, Carbonyle, Azide und Nitrile. Da mithilfe dieser Technik weiterhin auch C-N- oder C-OBindungen gespalten werden können, findet die Transferhydrierung besonders im Rahmen von Peptidsynthesen zur Entfernung von Schutzgruppen sowie der Abspaltung der Peptide von Trägerharzen Anwendung [4]. Transferhydrierungen verlaufen, ebenso wie klassische Hydrierungen, meist mit sehr guten Ausbeuten. Sie benötigen jedoch in Abhängigkeit vom eingesetzten Wasserstoff-Donor mitunter lange Reaktionszeiten. Diese können durch den Einsatz von Mikrowellenstrahlung deutlich reduziert werden. Ein sehr aktiver Wasserstoff-Donor ist Ammoniumformiat.
Bei Transferhydrierungen in geschlossenen Mikrowellen-Druckbehältern kommt es allerdings bei hohen Temperaturen zu dessen Sublimation. Im Zuge der Reaktion ist zudem eine starke Druckentwicklung, als Folge der Entstehung des Nebenprodukts Kohlendioxid zu beobachten. Diese verfahrenstechnischen Nachteile können jedoch durch die Reaktionsführung in offenen Glasgeräten unter Rückfluss umgangen werden. Ammoniumformiat kann auf diese Weise beispielsweise zur Reduktion von Nitroaromaten und C-C-Mehrfachbindungen, aber auch als Transferhydrogenolyse zur Abspaltung von Benzyl- (Bn) und Benzyloxycarbonyl- (Cbz) Schutzgruppen eingesetzt werden, um die gewünschten Produkte innerhalb weniger Minuten zu erhalten.
Mikrowellenunterstützte Reduktionen aromatischer Carbonylverbindungen zu den entsprechenden Alkoholen werden meist mithilfe von 2-Propanol durchgeführt. Dieser Wasserstoff-Donor kann in manchem Fällen zugleich als Lösemittel verwendet werden. Die Reaktionen werden überwiegend durch spezielle Ruthenium-Komplexe homogen katalysiert und ermöglichen asymmetrische Transferhydrierungen. Die Abtrennung und Rückgewinnung der homogenen Katalysatoren erweist sich allerdings oft als sehr aufwändig.
Auch ungesättigte Kohlenwasserstoffe wie Cyclohexen, 1,4-Cyclohexadien und Methylcyclohexene haben sich bei mikrowellenunterstützten Transferhydrierungen als effektive Wasserstoff-Donoren erwiesen. Durch Palladium-Katalyse werden diese Moleküle unter Wasserstoffabgabe zu Benzol bzw. Toluol oxidiert. Die Triebkraft dieser Dehydrierung ist die Bildung thermodynamisch äußerst stabiler Verbindungen. Diese können nach erfolgter Reaktion zusammen mit dem Lösemittel destillativ abgetrennt werden, sodass kein weiterer Aufreinigungsschritt zur Entfernung von überschüssigem Wasserstoff-Donor und dessen Nebenprodukt nötig wird. Während solche Reaktionen unter klassischer Reaktionsführung im Ölbad häufig extrem lange Reaktionszeiten benötigen, kann die Reaktionsdauer durch Mikrowellenbestrahlung auch hier meist auf wenige Minuten reduziert werden. Da durch die Entstehung der Oxidationsprodukte Benzol/Toluol keine starke Druckentwicklung zu beobachten ist, eignen sich Transferhydrierungen mithilfe dieser Wasserstoff-Donoren besonders für die Reaktionsführung in geschlossenen Mikrowellen-Druckbehältern. Dies bietet wiederum die Möglichkeit, bei Temperaturen zu arbeiten, die weit über dem Siedepunkt des jeweiligen Lösemittels liegen und durch diesen thermischen Effekt die Reaktionsgeschwindigkeiten deutlich zu erhöhen. Anwendung findet diese Arbeitsweise besonders bei der Synthese aromatischer Amine durch Reduktion der entsprechenden Nitroverbindungen, der Reduktion von Olefinen sowie der Entfernung von Schutzgruppen an Aminen und Alkoholen. Der dabei gebräuchliche Katalysator Palladium/Aktivkohle lässt sich durch einfaches Abfiltrieren aus dem Reaktionsgemisch entfernen.
Die Synthese aromatischer Amine gelingt darüber hinaus auch durch Reduktion von Nitrilverbindungen. Enthalten solche Verbindungen weitere funktionelle Einheiten, beispielsweise eine Epoxy-Gruppe, so lassen sich im Rahmen der Transferhydrierung aus dem entstehenden AB2 Monomer durch direkt anschließende Epoxid-Amin-Additionsreaktion verzweigte Systeme aufbauen (Abb. 2) [5].
Transferhydrierungen unter Mikrowellenbestrahlung besitzen einen großen Anwendungsbereich und können zur Reduktion verschiedener funktioneller Gruppen herangezogen werden [6]. Moderne Synthesemikrowellengeräte bieten die Möglichkeit, Reaktionen sowohl im offenen System unter Rückfluss als auch in geschlossenen Druckbehältern durchzuführen und sorgen dadurch für ein hohes Maß an Flexibilität, beispielsweise bei der Wahl des jeweils geeignetsten Wasserstoff-Donoren. Durch die sichere und benutzerfreundliche Bedienung der Geräte stellt diese Arbeitsweise eine einfache und schnelle Alternative zu den teils langen Reaktionszeiten klassischer Transferhydrierungen im Ölbad dar.

Literatur
[1] G. Brieger, T. J. Nestrick, Chem. Rev. 1974, 74, 567 – 580.
[2] R. A. W. Johnstone, A. H. Wilby, I. D. Entwistle, Chem. Rev. 1985, 85, 129 – 170.
[3] G. Zassinovich, G. Mestroni, S. Gladiali, Chem. Rev. 1992, 92, 1051 – 1069.
[4] D. C. Gowda, K. Abiraj, Lett. Pept. Sci. 2002, 9, 153 – 165.
[5] J. Theis, H. Ritter, J. E. Klee, Macromol. Rapid Commun. 2009, 30, 1424 – 1427.
[6] C. Schmöger, A. Stolle, W. Bonrath, B. Ondruschka, Curr. Org. Chem. 2011, 15, 151 – 167.

Foto: © Prof. Dr. Helmut Ritter / Julia Theis

L&M 4 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2012.
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