L&M-1-2010
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chemie&more - Siliciumdioxid
chemie&more - SiliciumdioxidNeue MaterialienSiliciumdioxid existiert in reiner Form als Quarz und anderen kristallinen Modifikationen. In hydratisierter Form mit der Formel (SiO2)n • x H2O, bildet es Kieselsäuren, von Mono- oder Orthokieselsäure bis hin zu Polykieselsäuren und hochvernetzten Polymeren, sog. Kieselsäuregelen, die äußerst variable Gerüstsubstanzen mit hydrophilen Eigenschaften darstellen [1–3]. Die Entwicklung begann mit der Herstellung der Graham’schen Kieselsäuresole und ersten Kieselsäuregele in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Es folgte dann die Entwicklung technischer Prozesse zur Herstellung der Kieselsäuregele, der pyrogenen und gefällten Kieselsäuren aus Silikaten und Silciumtetrachlorid als Edukten. Die Gewinnung von Reinstsilicium nach der Müller-Rochow-Synthese eröffnete neue Wege für Silicium als Halbleitermaterial und für siliciumorganische Verbindungen zur Herstellung von Silikonen [4]. Ein weiterer Meilenstein war die Synthese von Aerogelen [5].
Klassifizierung von Kieselsäuren
Innovationspotenziale Kieselsäuren (pyrogene, gefällte Kieselsäuren und Kieselsäurexerogele) werden großtechnisch im Tonnen- bis Hunderttausend- Tonnen-Maßstab seit mehreren Jahrzehnten hergestellt [2]. Zu Beginn der 90er-Jahre erfuhr die Kieselsäurechemie einen beträchtlichen Innovationsschub durch Verwendung von Alkoxysilanen als Edukte, die Aufklärung der Sol-Gel-Chemie und die Synthese hochgeordneter mesoporöser Materialien, die mithilfe von Templaten synthetisiert werden [12,13]. Template sind strukturdirigierende organische Zusätze bei der Synthese, die die Bulk- und Porenstruktur sowie die Tex tur und Morphologie beinflussen und steuern. Die Wirkung und der Einsatz von Templaten wurden bei der Synthese von siliciumreichen Zeolithen eingehend studiert und dann auf die Synthese von reinen Kieselsäuren übertragen. Auf diese Weise wurden hochgeordnete mesoporöse Kieselsäuren des Typs MCM-41, MCM-48 u.a synthetisiert [13]. Durch den Einsatz von Tetralkoxysilanen als Edukte sind solche Produkte wesentlich teurer als solche auf Silikatbasis. Die Wertschöpfung liegt jedoch in ihrer besonderen Porenstruktur, Morphologie und in ihrer kontrollierten und einstell baren Oberflächenfunktionalität. Die Aufklärung der Wirkungsweise der Template bei der Bildung nanoskaliger Materialien stellt den Schlüssel dar, um ihre Eigenschaften kontrolliert einzustellen. Dazu gehören auch die Modellierung und Simulation der Bildungsprozesse auf molekularer Ebene und die Charakterisierung ihrer Eigenschaften. Auf der anderen Seite versucht man, die Bildung natürlicher Mineralien wie z.B. der Diatomeenerde (Kieselgur) unter Einwirkung organischer Substrate zu verstehen und aufzuklären (Biomineralisation) (s. Abb. 3) [14]. Nanostrukturierte Materialien bilden die Grundlage zur wissenschaftlichen Untersuchung im Hinblick auf das Verhalten von Gasen, Dämpfen und Flüssigkeiten in begrenzten Hohlräumen (confined space). Stofftransport durch Diffusion, Phasengleichgewichte und Reaktionen in solchen Nano-Hohlräumen verlaufen anders als in freien Volumenphasen. Solche Phänomene bedürfen noch einer intensiven Grundlagenforschung. In diesem Zusammenhang wird oft vergessen, dass es hier ein direktes Analogon zu lebenden Organismen (Pflanze, Tier, Mensch) gibt. Auch im lebenden Organismus finden Stofftransportprozesse statt, die einmal durch Druck und zum anderen durch schwache elektrische Felder in flüssiger Phase bewerkstelligt werden. Um solche fundamentalen Zusammenhänge zu studieren, benötigen wir entsprechende reproduzierbare und in ihren Eigenschaften kontrollierbare und variierbare Materialien. Beispielsweise ist es möglich, poröse und unporöse Kieselgelpartikel mit Teilchengrößen im Nano- und Mikrometerbereich reproduzierbar herzustellen [15,16]. Ein weiteres Forschungsfeld mit hohem Innovationspotenzial ist die Synthese von monolithischen Kieselgelmaterialien, die über einen Sol-Gel-Prozess in Gegenwart eines hydrophilen Polymeren als Porenbildner verläuft [17]. Das Produkt – ein kontinuierliches Bett mit bimodaler Porenstruktur – erlaubt es, mithilfe von Modellierung und Simulation die Eigenschaften vorauszusagen, um bei Stofftrennprozessen in flüssiger Phase optimale Effizienz im Hinblick auf die Trennung und Analysenzeit zu erreichen (s. Abb. 2) [18]. Die Bildungsprozesse erlauben es, durch Hydrolyse und Kondensation von siliciumorganischen Edukten Hybridmaterialien zu synthetisieren, die die vorteilhaften mechanischen Eigenschaften des Kieselgels mit der Variation der funktionellen Gruppen im organischen Rest kombinieren [19]. Das Konzept der templatgestützten Synthese von hochgeordneten mesostrukturierten Materialien lässt sich noch durch das Nanocasting, d.h. das Abbilden von nanostrukturierten Strukturen, ergänzen [20]. Dadurch wird es möglich, hochgeordnete mesostukturierte Kohlenstoffmaterialien und andere Oxide zu synthetisieren, die auf anderem Wege nicht zugänglich sind.
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