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Zecken und Insekten als Überträger von Krankheitserregern – Vorbeugung ist notwendig!

Zecken und Insekten als Überträger von Krankheitserregern – Vorbeugung ist notwendig!

Nahezu wöchentlich erscheinen in den Medien Horrormeldungen über in Deutschland gerade eingewanderte Blutsauger, die in ihren Heimatländern als Überträger (Vektoren) der Erreger von lebensbedrohlichen Erkrankungen gefürchtet sind. Mithilfe der medialen „Vielzweckwaffe Klimawandel“ werden dann sofort Szenarien entsprechender Seuchenausbrüche auch hier bei uns prognostiziert. Dabei wird übersehen, dass die Ankunft und Ausbreitung eines potenziellen Vektors keine Gefahr darstellt, weil eben dazu auch der passende Erreger in einer ausreichenden Menge von bereits erkrankten Wirten (Menschen, Tiere) notwendig ist.

Darüber hinaus ist leider auch in Vergessenheit geraten, dass die in Mitteleuropa vorhandenen Vektoren erwiesenermaßen bereits in der Lage wären, die Erreger schwerster Erkrankungen zu übertragen (z.B. die der Malaria, Hirnhautentzündungen etc.), sofern diese in einer größeren Anzahl von Menschen „importiert“ würden. Auch wird übersehen – weil Europa als „sichere Insel“ gefühlt wird –, dass die hier in Milliardengröße auftretenden Blutsauger vielfach unerkannt ein extrem breites Spektrum von Viren, Bakterien und/oder Parasiten „an Bord“ haben. Aktuelle gemeinsame Untersuchungen unserer Gruppe mit der von Prof. Dr. Pfeffer (Düsseldorf) sowie Landesämtern im Saarland und in Rheinland-Pfalz zeigten, dass zahlreiche Erreger unerkannt unterwegs sind.

1. Was macht Zecken so gefährlich?

Im Vergleich zum Heer der Insekten gibt es in Mitteleuropa nur relativ wenige Zeckenarten, die aber durchaus in riesiger Individuenzahl auftreten, denn die Weibchen einiger Arten können bis zu 5000 Eier legen, aus denen dann die nur 0,2 mm großen und mit bloßem Auge faktisch nicht sichtbaren sechsbeinigen Larven schlüpfen. Die in Deutschland beim Menschen, seinen Haustieren Hund und Katze häufigste Art ist der sog. Holzbock (Ixodes ricinus), die auch gleichzeitig der bedeutendste Überträger (Vektor) von gefährlichen, ja sogar lebensbedrohlichen Krankheitserregern ist (Tabelle 1; Abb. 1 , 2). Ixodes ricinus hat diesen Status erlangt, weil sie in der Evolution grandiose Fähigkeiten entwickelt hat. So saugen alle Entwicklungsstadien (Larve, Nymphe, Männchen, Weibchen) bei über 250 Wirten inklusive des Menschen beträchtliche Mengen an Blut (? = bis zum 250-Fachen des Eigengewichts). Dabei werden naturgemäß potenziell große Mengen an Erregern aufgenommen, selbst wenn in adaptierten Wirten (wie z. B. Mäusen) nur wenige Erreger pro ml Blut auftreten. Nach dem Saugakt lassen sich die Larven und die achtbeinigen Nymphen zu Boden fallen, um sich dort binnen 4 – 6 Wochen zu achtbeinigen Nymphen bzw. Adulten zu häuten. Diese Stadien befallen dann neue Wirte, wobei sie dann die im Stadium zuvor aufgenommenen Erreger auf diese übertragen. Zwar besitzen alle Ixodes-Stadien keine Augen und sind daher auf andere Sinnesorgane angewiesen, die Gerüche, Erschütterungen und Luftzug wahrnehmen, sich auf den zu diesem Zweck weit vorgestreckten Vorderbeinen befinden und als „Haller’sche Organe“ bezeichnet werden. Faktisch alle heute von Zecken auf Menschen und Tiere übertragene Erreger können sich im Inneren der Zecke vermehren und dann auch in die Speicheldrüse und von dort mit dem Speichel während des 7-bis 10-tägigen Saugakts in den neuen Wirt gelangen. Manche Erreger, wie z. B. die Viren der Frühsommermeningoencephalitis (FSME), treten sogar im Zeckenweibchen in die Eier über und gelangen so in die nächste Zeckengeneration. Daher erklärt sich die aktuelle Nordwärtswanderung der FSME aus den deutschen „Stammländern“ Bayern und Baden-Württemberg, wo bis zu 5 % der Zecken FSME-Träger sind. Entsprechende Untersuchungen unserer Gruppe laufen zusammen mit den Landesbehörden in Rheinland-Pfalz und im Saarland. All diese Fähigkeiten der Zecken, die mit Igeln, Mäusen, Vögeln auch in die heimischen Gärten vordringen, macht es notwendig, sich mit geeigneten Repellents vor Zeckenbefall zu schützen, sich in den entsprechenden Gebieten gegen FSME impfen zu lassen bzw. bei Auftreten von starken Hautrötungen nach Zeckenbefall eine Antibiotikatherapie gegen die Erreger der Borreliose durchzuführen bzw. 6 Wochen nach dem Zeckenstich eine Blutuntersuchung auf Borreliose zu veranlassen. Da die Borreliose (fast jede 3. Zecke ist Träger dieser Bakterien) schwere, nicht reparable Folgeschäden bewirken kann, ist Vorsicht geboten und dies darf keinesfalls als „falsche Angst“ angesehen werden.

2. Mücken – wirklich nur lästig?

Stechmücken im engeren Sinne (engl. mosquitoes) umfassen weltweit mehrere tausend Arten der Gattungen Aedes, Anopheles und Culex, von denen eine ansehnliche Anzahl auch in Deutschland auftritt. Bei allen Arten dieser drei wesentlichen Gattungen saugen ausschließlich die Weibchen Blut, das sie unbedingt zur Ablage ihrer Eier nach der Kopulation mit den Männchen benötigen. Letztere ernähren sich von Pflanzensäften und „tanzen“ an Wasserläufen in rauchartig erscheinenden Schwärmen, in die die Weibchen hineinfliegen und noch in der Luft begattet werden. Die Weibchen finden ihre Wirte auch im Dunklen durch die Wahrnehmung der Hautausdünstungen. Sie nehmen im meist nur 5 – 20 Sekunden dauernden Saugakt mindestens ihr Körpergewicht an Blut auf. Dabei injizieren sie über den Speichelkanal ihres Saugrüssels Speichel, der drei Komponenten – gefäßerweiternde, schmerzunter bindende und gerinnungshemmende – enthält. Diese Elemente ermöglichen die schnelle Aufnahme des flüssig gehaltenen Blutes, das sie über einen separaten Kanal ihres Stechrüssels in ihr Darmsystem hineinpumpen. Etwa 3 – 5 Tage nach der Blutaufnahme legen die Weibchen befruchtete Eier – je nach Art – einzeln oder zusammen als kleine Schiffchen auf der Wasseroberfläche ab, wofür selbst geringste Wassermengen (etwa in Eimern oder sogar in Blumen vasen) ausreichen. Über 5 Larven stadien und eine Puppe entwickeln sich je nach Außentemperatur in 17 – 40 Tagen die Adulten. Da die Mücken in freier Natur die Eiablage (bis zu 100) mindestens 10-mal wiederholen können, wird klar, dass sie auch mindestens 10-mal. Blut saugen. Dies erfolgt naturgemäß bei verschiedenen Wirten, sodass sie bei jedem Saugakt potenziell vorher aufgenommene Erreger auf den neuen Wirt übertragen können. Sind nun in der Humanbevölkerung im Lebensbereich der Mücken übertragungsfähige Erreger vorhanden (etwa in Malaria-, Denguefieber- oder Gelbfiebergebieten der Tropen), kann eine Übertragung schnell erfolgen. In Mitteleuropa übertragen die oben genannten Stechmückenarten faktisch nur relativ harmlose Erreger (etwa das Tahyna-Virus), die in Deutschland aber meist nur leichteren Fieber oder grippe artigen Erscheinungen führen, sodass die Übertragungen dann meist unerkannt bleiben, während es in den Tropen bei den dort übertragenen Erregern häufig zu Todes fällen kommt (etwa 1 Million Malaria tote pro Jahr, Millionen von schweren Dengue-Fällen). Weil aber in Deutschland und weiten Teilen Europas Mücken nur relativ harmlose Erreger übertragen, unterschätzen Touristen vielfach die Übertragungsmöglichkeiten von Mücken bei Tropen reisen und schützen sich nicht durch das Auftragen von Repellents auf die Haut bzw. durch die Nutzung von Moskitonetzen über den Betten oder durch vorbeugende Impfung (Gelbfieber bzw. Chemoprophylaxe gegen Malaria). Daher kommen jährlich 2500 importierte Malariafälle allein in Deutschland vor, von denen häufig bis zu 20 tödlich enden (Tabelle 2).
Zahlreiche Mückenstiche führen bei vielen Personen – je nach Grad der Sensibilisierung – zu massiven allergischen Reaktionen. Aber selbst der „normale“, starke Juckreiz, der nach Mückenstichen im Bereich der entstehenden großen Quaddeln für Tage anhält, kann dem naturliebenden Menschen den Aufenthalt im Freien verleiden, ja selbst am eigenen Gartenteich. Gegen die in Tümpeln und Teichen lebenden Mückenlarven hilft das Einsetzen von kleinen Fischen. Das Anbringen von feiner Gaze vor den Fenstern verhindert den Anflug blutlüsterner Mückenweibchen, vor deren Stich man sich auch im Freien durch das Auftragen von Repellents schützen kann.

3. Fliegen – eine unterschätzte Gefahr

Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. der sog. Wadenstecher Stomoxys calcitrans) nehmen echte Fliegen ihre Nahrung leckend-saugend auf, indem sie ihren stempelartigen Saugrüssel auf flüssige, schleimige bzw. feuchte Substanzen (z. B. Kot, verwesende Materialien, aber auch auf die Schleimhäute von lebenden und toten Tieren bzw. des Menschen) tupfen und Partikel mithilfe von ausgeschiedenem und dann wieder aufgesogenem Speichel aufnehmen (Abb. 3, 4). Sind in dieser Flüssigkeit Erreger enthalten, so werden diese potenziell entweder beim nächsten „Leckakt“ bzw. über abgesetzten Kot auf andere Wirte übertragen, wobei bei einigen Bakterien oft bereits 20 – 30 Stadien ausreichen, um eine Infektion des betroffenen Wirts herbeizuführen und massive Krankheitssymptome auszulösen. Unsere Untersuchungen (über einen Zeitraum von 4 Jahren hinweg) von Fliegen, die in der Nähe von Pferde-, Rinder-, Schweine- und Hühnerställen sowie auf Hundewiesen bzw. auf innerstädtischen Plätzen bzw. in der Nähe von Badeseen gefangen worden waren, erbrachte den Nachweis einer großen Fülle von Bakterien und Parasiten auf dem Fliegenkörper und in ihrem Kot. Unter diesen mit Anzuchtmethoden (Abb. 5), aber auch molekularbiologisch einwandfrei identifizierten Erregern, befanden sich zahlreiche, die potenziell zu schweren Erkrankungen bei gesunden, aber insbesondere bei immunsupprimierten Personen führen können (Tab. 3). In Experimenten, bei denen Fliegen auf definierte Bakterien- bzw. Parasitenkulturen für wenige Sekunden gesetzt und dann auf saubere Anzuchtmedien verbracht wurden, konnte gezeigt werden, dass Fliegen in der Lage sind, faktisch alle in Kot oder anderen Substraten vorhandenen Erreger mechanisch bei Berührung bzw. durch Absetzen von Kot zu übertragen. Dies macht klar, dass überall dort eine bisher sicher unterschätzte Übertragungsgefahr besteht, wo sich Fliegen in der Nähe von Nahrungsmitteln bzw. in der Nähe von Wohnungen, Restaurants, Schulen, Krankenhäusern etc. entwickeln können. Somit gilt es, solche Fliegenbrutstätten zu ermitteln und mit geeigneten chemischen und biologischen Maßnahmen zu bekämpfen, Wohnungen und Krankenzimmer durch das Anbringen von Fliegengittern zu schützen, Tierkot in Nähe von Wohnhäusern zu entfernen und bereits in Wohnungen eingedrungene Exemplare mithilfe von Klebefliegenfängern bzw. Fliegenklatschen zu eliminieren. Lebensmittel sollten nie lange frei herumstehen, weil diese Fliegen zur Nahrungsaufnahme bzw. Eiablage anlocken.

Fazit: Fliegen können gefährlich sein!

Um die Tabellen zu sehen, laden Sie bitte das PDF des Magazins (rechts oben) runter.

Literatur
Aspöck H (2010) Krank durch Arthropoden. Denisia 30; Österreich Landesmuseen.
Förster et al. (2012) Flies as vectors of parasites potentially inducing severe diseases in humans and animals. Parasitol Res Monographs, Vol. 3, Springer Heidelberg.
Gestmann et al. (2012) Flies as vectors of microorganisms potentially inducing severe diseases. Parasitol Res Monographs, Vol. 3, Springer Heidelberg.
Mehlhorn B, Mehlhorn H (2010) Zecken auf dem Vormarsch. Düsseldorf University Press, Düsseldorf.
Mehlhorn et al. (2012) Schach den Blutsaugern und Schädlingen. Düsseldorf University Press, Düsseldorf.

Foto: © Prof. Dr. Heinz Mehlhorn

L&M 5 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2012.
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