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Bedeutung des braunen Fettgewebes für den Energiestoffwechsel

Böses Fett – gutes Fett

Übergewicht und erhöhte Blutfette sind weit verbreitete Risikofaktoren für die Entstehung von Diabetes und Herzkreislauferkrankungen und mittlerweile die kostenträchtigste Einzelursache für Krankheiten in Deutschland. Einen neuen therapeutischen Ansatz zur Behandlung dieser Volkskrankheiten bietet möglicherweise die Aktivierung des braunen Fettgewebes. In diesen spezialisierten Kraftwerken des Körpers können überschüssige Kalorien durch Verbrennung in Wärme umgewandelt und somit möglicherweise unschädlich gemacht werden.

Übergewicht (Adipositas) und die damit assoziierten Komorbiditäten entstehen, wenn die Energieaufnahme den Energieverbrauch überschreitet [1]. Sobald überschüssige Energie nicht verbraucht werden kann, wird diese als Reserve für schlechte Zeiten vor allem in weißem Fettgewebe gespeichert. Nach neuesten Studien der OECD sind nahezu 70 % der erwachsenen Bevölkerung in Europa und Nordamerika übergewichtig. Weltweit wird daher fieberhaft nach Lösungen gefahndet, um übergewichtigen Menschen das Abnehmen zu erleichtern – denn erfahrungsgemäß ist Abnehmen z.B. durch Reduktion der Nahrungsaufnahme allein für den Einzelnen nicht erfolgreich. Im Jahre 2009 allerdings wurde entdeckt, dass nicht nur Neugeborene, sondern auch erwachsene Menschen braunes Fettgewebe besitzen [2-4]. Dieses Gewebe dient dazu, die Körpertemperatur bei Kälte durch Verbrennung von Fetten aufrechtzuerhalten. Während das weiße Fettgewebe also Energie speichert, verbraucht das braune Fettgewebe Kalorien, um Wärmeenergie zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur zu erzeugen [5-6]. Gerade die Tatsache, dass das braune Fettgewebe aktiv energiehaltige Metabolite wie Glukose und Fettsäuren aus Triglyzeriden abbauen kann, hat zu der Hoffnung geführt, sich dieses Gewebe zur Bekämpfung von Übergewicht zu Nutze machen zu können. Leider scheint bei übergewichtigen Patienten die Stoffwechselaktivität des braunen Fettgewebes in Abhängigkeit vom Body-Mass-Index herabgesetzt zu sein [7].
Obwohl bislang nicht geklärt ist, ob eine verminderte Aktivität des braunen Fettgewebes ursächlich mit der Entstehung von Übergewicht im Zusammenhang steht, wird bereits intensiv das therapeutische Potenzial des braunen Fettgewebes untersucht.

Wohin mit den Fetten?

Fette sind wasserunlöslich und werden in Lipoproteinen verpackt durch den Körper transportiert (siehe Abb. 1). Ist der Abbau dieser Lipoproteine gestört, so lagern sich mit der Zeit Fette in der Gefäßwand ab und es entsteht Atherosklerose. Neben diesen schädlichen Ablagerungen in den Blutgefäßen, die Herzinfarkte und Schlaganfälle verursachen können, werden Fette in großen
Depots an Bauch, Beinen und Po zur Energiespeicherung angesammelt. Neben mangelnder Bewegung spielt die energieüberladene Ernährung in der westlichen Welt offensichtlich eine bedeutsame Quelle für die Vermehrung des weißen Fettgewebes. Aber wie gelangen die Fette aus der Nahrung dorthin? Seit Langem ist bekannt, dass nach dem Essen die im Dünndarm gebildeten Lipoproteine – die Chylomikronen – über die Lymphe in den Blutkreislauf gelangen (Abb. 2). In der Zirkulation wird dann vorwiegend im weißen Fettgewebe die Lipid spaltende Aktivität des Enzyms Lipoprotein-Lipase induziert, was zur Aufnahme von Nahrungsfetten in die Fettzellen (Adipozyten) führt. Dieser für den Abbau der Chylomikronen entscheidende Prozess wird durch verschiedene Proteine im Blut wie z.B. Apolipoprotein A5 reguliert und ist – da die Hauptmenge der aufgenommenen Lipide schließlich im weißen Fettgewebe landet – an der pandemischen Ausbreitung der Adipositas entscheidend beteiligt. Die im Fettgewebe hydrolysierten Lipoproteine werden jedoch nicht komplett abgebaut, sondern als so genannte Remnant-Lipoproteine zur weiteren Verwertung über verschiedene Rezeptoren von der Leber aufgenommen [8]. So ist man bisher davon ausgegangen, dass nach dem Essen primär das weiße Fettgewebe und die Leber die Nahrungslipide unter sich aufteilen. Die Einschätzung stützte sich allein auf die Menge der vorhandenen Fettdepots, denn das braune Fettgewebe hat im Vergleich zum weißen Fettgewebe nur einen geringen Anteil am Körpergewicht [5]. Aus diesem Grund wurde dem Fett verbrennenden Organ bislang keine bedeutende Rolle bei der Aufnahme und dem Verbrauch von Nahrungsfetten zugetraut. Wie unterscheiden sich weiße und braune Fettzellen? Ähnlich wie ihre weißen Zellverwandten speichern auch braune Adipozyten Fette, allerdings in vielen einzelnen Lipidtröpfchen und nicht in einer großen einzelnen Lipidvakuole. Bei einem Kältereiz, der über das sympathische Nervensystem vermittelt wird, geht dieser Vorrat jedoch schnell zur Neige (Abb. 3). Ein metabolisches Programm wird gestartet, das nicht nur zur Wärmeproduktion führt, sondern auch eine vermehrte Aufnahme der Lipoproteine zur Folge hat. Bereits ein kurzer Aufenthalt in der Kälte und das braune Fettgewebe wird so stark aktiviert, dass Nahrungsfette nicht mehr in das weiße Fettgewebe, sondern sehr effizient in das braune Fettgewebe transportiert und verbrannt werden [9]. Die Effizienz dieser Aktivierung ist außergewöhnlich, quasi über Nacht konnten im Tiermodell auf diese Weise stark erhöhte Blutfette gesenkt werden. Aber nicht nur das: Der molekulare Mechanismus des Stoffwechselprogramms konnten entschlüsselt und somit neue potenzielle therapeutische Ziele identifiziert werden. Überschüssige Fette aus dem weißen Fettgewebe werden ebenfalls abgebaut, sodass dicke Mäuse wesentlich dünner wurden. Erstaunlicherweise war auch Insulinresistenz, ein Phänomen, das dem Typ 2 Diabetes vorausgeht, aufgehoben [9].

Nanopartikel zeigen den Weg

Wie kommt man darauf, die quantitative Bedeutung eines prozentual an der Körpermasse eher unbedeutenden Organs für den systemischen Lipidtransport zu untersuchen? Inspiriert durch moderne PET-CT-Analysen, welche die Existenz signifikanter Mengen des braunen Fettgewebes auch beim erwachsenen Menschen nachgewiesen haben [2-4], haben wir Nanoteilchen zur Markierung von Lipoproteinen eingesetzt. Wie beim Trojanischen Pferd werden dazu Nanoteilchen in den Lipidkern der Lipoproteine versteckt, sodass wir die physikalischen Eigenschaften der Nanoteilchen zur molekularen Bildgebung nutzen können [10]. Bereits wenige Sekunden nach der Injektion der mit superparamagnetischen Nanoteilchen markierten Lipoproteine setzte sich in der dynamischen Magnetresonanztomografie das braune Fettgewebe kontrastreich von den umgebenden Organen in Abhängigkeit vom Aktivierungsgrad ab [9]. Weitere Untersuchungen folgten, letztendlich konnten erstmalig der Prozess der Fettverarbeitung im Blut und die anschließende Aufnahme der Fette in das braune Fettgewebe dynamisch und mit hoher Auflösung sichtbar gemacht werden – wir konnten somit zuschauen, wie die Lipoproteine im braunen Fettgewebe verarbeitet wurden. Der Weg der Fette scheint somit nicht zwangsläufig in das weiße Fettgewebe zu führen. Vielmehr wird er von der Umgebungstemperatur bestimmt.

Braunes Fett – prima fürs Klima?

Ist die Aktivierung ein Ansatz zur Reduktion des weißen Fettgewebes auch beim Menschen und könnten Gewichtsreduzierende Maßnahmen sich sogar positiv auf die Klimaerwärmung auswirken? Auch wenn die Fragen etwas provokativ verknüpft sind, kann man vermutlich beide bejahen. Dazu ein paar Fakten: In Abhängigkeit vom Geschlecht (Frauen haben mehr), vom Jahrgang (mit zunehmendem Alter wird es weniger) und vom Gewicht (Adipöse haben weniger) konnte aus den PET-CT-Studien berechnet werden, dass – bei sehr hoher Variabilität – etwa 50 Gramm des Kalorien verbrennenden Organs beim erwachsenen Menschen vorhanden sind. Diese Menge ist ausreichend, um bis zu 20 % der täglichen Kalorienzufuhr zu verbrennen. Hochgerechnet auf ein Jahr entspricht das bis zu acht Kilo Körperspeck! Jedoch ist die Aktivität des braunen Fettgewebes nur bei kalten Umgebungstemperaturen induziert, womit wir zur zweiten Frage kommen. In der kalten Jahreszeit sind viele Räume überheizt, jedes Grad zur Erhöhung der Raumtemperatur kostet jedoch bis zu 6 % mehr an Energie. Die Studien zur Aktivierung des braunen Fettgewebes beim Menschen wurden bei 18 °C durchgeführt, also die ideale Raumtemperatur, um im Winter keine überschüssigen Kalorien abzulagern, bereits bestehende Fettpolster abzubauen und einen persönlichen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen zu leisten.

Literaturverzeichnis
[1] Rosen, E.D. & Spiegelman, B.M. (2006) Nature 444, 847-53
[2] van Marken Lichtenbelt, W.D. (2009) N. Engl. J. Med. 360, 1500-8
[3] Cypess, A.M. et al. (2009) N. Engl. J. Med. 360, 1509-17
[4] Virtanen, K.A. et al., (2009) N. Engl. J. Med. 360, 1518-25
[5] Cannon, B. & Nedergaard, J. (2004) Physiol. Rev. .84, 277-359
[6] Seale, P. & Lazar, M.A. (2009) Diabetes 58, 1482-4
[7] Saito, M. et al., (2009) Diabetes 58, 1526-31
[8] Heeren, J. et al. (2006) Arterioscler. Thromb. Vasc. Biol. 26,442-8
[9] Bartelt, A. et al., (2011) Nat. Med. 17, 200-5
[10] Bruns, O.T. et al., (2009) Nat. Nanotechnol. 4, 193-201

Foto: © Dr. Alexander Bartelt

L&M 5 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2011.
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