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Das Metabolom der Endometriose

Das Metabolom der Endometriose

Anwendungen der LC/MS/MS in Forschung und Diagnostik

Die Endometriose ist eine benigne, gynäkologische Erkrankung, die ca.10-15% aller Frauen zwischen der Pubertät und der Menopause betrifft. Insgesamt sind in Deutschland ca. 1,5 Mio. Frauen an der chronischen und meist sehr schmerzhaften Endometriose erkrankt. Bei der Endometriose gelangen Zellen des Endo­metriums über die Tuben in den Bauchraum außerhalb der Gebärmutterhöhle und werden dort implantiert. Dieses als ektopes Endometrium bezeichnete Gewebe durchläuft die gleichen Veränderungen während des Menstrua­tionszyklus wie Schleimhautgewebe, das normalerweise die Auskleidung des Uterus darstellt.

Die Formen der Endometriose

Endometrioseherde lassen sich meist im Becken- und Bauchraum der Patientinnen lokalisieren (Abb.1). Sind die Eierstöcke betroffen, so spricht man von der ovariellen Endometriose, die – ­bedingt durch Gewebsveränderungen der Tuben oder der Ovarien – oft zur Unfruchtbarkeit der Patientin führt. Ist die Gebärmuttermuskulatur betroffen, so bezeichnet man diese Form der Erkrankung als Adenomyosis. Findet man Läs­ionen am Peritoneum, so spricht man von peritonealer Endometriose. Charakteristisch für die tief infiltrierende Endometriose sind starke Gewebsveränderungen des Spatium rectovaginale zwischen Vagina und Rektum, die die umliegen­den Organe wie Harnleiter, Harnblase und Enddarm in ihrer Funktion beeinträchtigen können.



Abb.1 Mögliche Lokalisationen der Endometrioseherde.

Bild: Tsaitgaist CC BY SA 3.0, derivative work: Hic et nunc

Die Symptome der Endometriose

Die Endometriose ist vor allen Dingen durch schweren Bauch- oder Beckenschmerz während der Menstruation gekennzeichnet, doch auch chronische Schmerzen kommen sehr häufig vor. Dabei sind die Patientinnen je nach Manifesta­tionsgrad durch die Schmerzsymptomatik in ­ihrem alltäglichen Leben stark beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung kann die vollständige ­Erwerbsunfähigkeit und schwere Depressionen nach sich ziehen. Trotz der stark eingeschränkten Lebensqualität für die Patientinnen und der großen volkswirtschaftlichen Bedeutung sind entsprechende Forschungsaktivitäten zu den Ursachen dieser Erkrankung ausgesprochen gering.

Eine Erkrankung mit unbekannten Ursachen

Die Pathophysiologie der Endometriose ist weitestgehend unklar. Gegenwärtig wird eine Kombination aus mehreren Theorien diskutiert, doch keine reicht aus, um das komplexe Erscheinungsbild dieser Erkrankung zu erklären. Sicher ist die Hormonabhängigkeit der Endometriose. Mädchen vor der Pubertät und postmenopausale Frauen zeigen keine Symptome. Ektopes Endometrium wird vermutlich durch eine vermehrte Synthese von Estradiol stimuliert (Abb.2). Dieser erhöhten Estrogenkonzentration liegen ein Defekt in der Funktion des Enzyms 17 β- Hydroxisteroiddehydrogenase und eine Akti­vierung des Enzyms Aromatase zu Grunde. Der autokrine Wirkmechanismus von Endometriose­läsionen wird diskutiert.



Abb.2 Synthesewege der Steroidhormone
Bild: David Richfield, Mikael Häggström, Hoffmeier, Settersr CC BY SA 3.0 DE

Die Diagnostik ist kompliziert und invasiv

Der Zeitraum zwischen Symptomen und Diagnose der Erkrankung kann bis zu 12 Jahre betragen. Gegenwärtig ist die Diagnose durch Visu­alisierung der Endometrioseläsionen im Verlauf chirurgischer Eingriffe wie Laparoskopie bei gleichzeitiger Extirpation des betroffenen Gewebes das einzige zuverlässige Verfahren zur Diagnose und zur Therapie der Endometriose. Diagnostische Verfahren über Serummarker – zum Beispiel das „Cancer Antigen 125“ – sind in ihrer Aussage sehr unspezifisch.

Eine dauerhafte Linderung der Beschwerden ist fast unmöglich

Die etablierten Therapieansätze bestehen entweder aus dem Entzug der proliferativen Stimulation durch ovarielle Östrogene bzw. der chirur­gischen Entfernung der Ovarien oder aus einer Hemmung der Inflammation und der Schmerzsymptomatik. Zwar schafft die operative Sanierung des Bauchraumes durch die Exzision der Endometri­oseläsionen schnelle Linderung der Beschwerden, doch ist die Rezidivrate mit 30%–50% sehr hoch, die Auffindung aller Läsionen während einer Lapraskopie ist ausgesprochen schwierig. Somit ist ein gutes Operationsergebnis in starkem Maße abhängig von der Erfahrung des Operateurs. Eine medikamentöse Therapie zur Reduktion der Rezidive kann in ihrem Verlauf und in ihrer Pharmakokinetik nicht kontrolliert werden. Die optimale Dosierung eingesetzter Medikamente ist heute noch vollkommen unbekannt. Damit sind die diagnostischen und therapeutischen Verfahren entweder hoch invasiv (d.h., chirurgischer Eingriff unter Vollnarkose) oder unspezifisch und damit immer zu teuer.

Gibt es Hoffnung?

Aus dieser Situation heraus konstituierte sich im Jahr 2012 eine Gruppe von Wissenschaftlern unterschiedlichster Expertise, die das Ziel hatte, non-invasive, biologische Marker für eine frühe Diagnose und für eine Verlaufskontrolle bei medi­kamentöser Therapie zu finden. Dazu wurden Seren von Patientinnen, die lapraskopisch und histologisch eindeutig an ovarieller, peritonealer oder tief infiltrierender Endometriose erkrankt waren, auf die Konzentrationen von insgesamt 207 Metaboliten hin untersucht. Als Kontrolle dienten die Seren von Frauen, die zwar unter Schmerzen im Bauch- und Beckenraum litten, aber lapraskopisch frei von Endometrioseläsionen waren. Neben 18 Steroidhormonen wurden Metaboliten aus den Substanzklassen der biogenen Amine, der Aminosäuren, der Acylcarnitine sowie der Phospho- und Sphingolipide als potenzielle Biomarker analysiert.

Steroidanalytik

Für ein Steroidhormonprofil sollten mindestens die Gestagene und die Östrogene im Serum der Probandinnen quantifiziert werden. Die LC/MS/MS in Kombination mit einer Probenvorbereitung, die die maximale Ausbeute an Analyten und ­Minimierung der Matrixeffekte ermöglicht – als so genannter „targeted metabolomic approach“ –, war hier die Methode der Wahl. Um den metho­dischen Aufwand so gering wie möglich zu halten, wurde ein Kit der Firma BIOCRATES Life Science verwendet. Dieses Kit ermöglicht die Festphasenextraktion der Analyten aus dem Serum, die Kalibrierung des Massenspektro­meters für achtzehn Steroide und die Trennung der Steroide auf einer C18-Säule. Die Steroide können simultan in einem Probenvolumen von 500µl werden.

Multiple Reaction Monitoring

Während der Vorbereitung wird die Probe mit einem internen Standard (I.S.) zu jedem Analyten versetzt. Diese I.S. sind stabile Isotope der Analyten mit einem Masse-Ladungs-Verhältnis von 1 oder 2 Th (Thomson) größer, die der Probe in definierter Stoffmengenkonzentration vor der Extraktion zugesetzt werden. Sie ermöglichen über den Vergleich ihrer Fragmentionen mit ­denen des Analyten eine sehr sensitive und ­spezifische Quantifizierung (multiple reaction moni­toring, MRM).

Analyse von Schlüsselmetaboliten

Auch für das Screening des Serums nach möglichen Markern für die Endometriose wurde ein so genantes „targeted metabolomics approach“ der o.g. Firma gewählt. Dieses Kit enthält interne Standards von 186 Schlüsselmetaboliten aus fünf Substanzklassen: Aminosäuren, biogene Amine, Acylcarnitine, Glycerophospholipide und Sphin­go­lipide. Biogene Amine und Aminosäuren werden über eine C18-„reversed phase“-HPLC-Säule getrennt, Acylcarnitine, Glycerophospholipide und Sphingolipide können direkt mittels „flow injection“ in das Massenspektrometer gebracht werden. Als LC/MS/MS fand eine Agilent-HPLC der Serie 1200 in Kombination mit einem ABSciex-5500-Qtrap-Massenspektrometer Verwendung. Trotz der Verwendung dieser Kitsysteme ist die Methodik komplex und aufwändig. Die Einstellung der Geräteparameter und ein Testlauf benötigen ca. einen Doktorandenarbeitstag. Daher soll an dieser Stelle auf weitere technische Details verzichtet werden.

Ergebnisse

Von 207 getesteten Metaboliten zeigten 42 Substanzen aus allen sechs Gruppen mehr als 30% Konzentrationsunterschied zwischen gesunden und erkrankten Patientinnen und kommen somit als potenzielle Biomarker für die Endometriose in Betracht, doch müssen sämtliche Ergebnisse unter Verwendung neuer Proben validiert werden.



Konzentrationsdifferenzen der untersuchten Metaboliten, bezogen auf die Werte der gesunden Frauen. Jeder Teilstrich auf der Ordinate entspricht 10%.

Fazit

Die Ergebnisse aus den Untersuchungen des Metaboloms der Endometriose sind viel versprechend. In der Zukunft ist neben der Wieder­holung der Analysen mit einem großen Patientin­nenkollektiv auch der metabolomische Vergleich von Serum und Gewebe aus den Läsionen ge­plant. Ein weiterer Schwerpunkt wird die detaillierte Untersuchung von Steroidhormonprofilen über alle Phasen des Zyklus sein. Auch eine detaillierte Untersuchung des Transkriptoms ist bereits geplant, jedoch noch nicht finanziert. Wir wollen mit unserer Forschung die Diagnose und die Therapie dieser Erkrankung weiterhin verbessern und suchen nach Koopera­tionen und Unterstützung, die sich proaktiv auf die Realisierung des Projektes auswirken.

Literatur
[1] Schweppe, K-W. (2011) Gynäkol.prax. 35, 75–86
[2] Vouk, K. et al. (2012) Human Reproduction, Vol. 0, No. 0, pp. 1–11
[3] May, K.E. et al. (2010) Human Reproduction Update, Vol. 16, No. 6, pp. 651–674

Bild: © fotolia.com|krishnacreations

Die hohe Kunst der -omics, hier Metabolomics

Unter dem Begriff Metabolomics versteht man die systematische Zustandsbeschreibung (Qualität und Quantität) aller kleinen Stoffwechselintermediate eines Zellkompartimentes, einer Zelle, eines Gewebes oder von Körperflüssigkeiten. Man unterscheidet grundsätzlich die so genannten. „targeted metabolomics“ – hier betrachtet man ein Set bereits bekannter Schlüsselmetaboliten quantitativ – von den „non ­targeted metabolomics“. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, die Masse, die Struktur und die Funktion von physiologisch unbekannten Molekülen zu beschreiben. Für beide experimentellen Ansätze ist die Verwendung von Massenspektrometern mit unterschiedlicher Funktionsweise notwendig.

L&M 5 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2014.
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