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Kernphysik - Erstmaliger Nachweis des chemischen Elements 117

Prof. Dr. Dr. h.c. Sigurd Hofmann, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH

Der gegenwärtig letzte Meilenstein auf dem Weg zur Entdeckung superschwerer Elemente wurde Anfang April von einem russisch-amerikanischen Forscherteam gesetzt, die Entdeckung des neuen chemischen Elementes mit der Ordnungszahl 117. Geleitet wurde das Team von Yuri Oganessian, Direktor am Kernforschungszentrum in Dubna nahe bei Moskau.

In Bestrahlungen einer dünnen Schicht aus Bk-249 (Berkelium, Element 96) mit Ca-48 Ionen wurden durch Kernverschmelzung zwei Isotope des neuen, bisher unbenannten Elementes erzeugt. Veröffentlicht wurde die Arbeit in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters (PRL 104, 142502 (2010)). Damit sind nun alle chemischen Elemente – vom Wasserstoff als dem leichtesten bis zu Element 118, dem gegenwärtig schwersten Element – lückenlos bekannt und können hinsichtlich ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften untersucht werden, insbesondere daraufhin, ob die schwersten Elemente bereits auf der vorhergesagten Insel stabiler, superschwerer Elemente liegen.

Hohe Bindungsenergie

Seit Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann bei der Suche nach neuen Transuran-Elementen die Kernspaltung entdeckten, war es offensichtlich, dass die Anzahl der Elemente nach oben durch Spaltung der Atomkerne begrenzt sein würde. Beschreiben ließ sich die Kernspaltung mit dem Modell eines geladenen Tropfens. Danach sollten oberhalb von Element 110 keine Elemente mehr existieren können. Später, im Jahr 1949, zeigte sich aber, dass das Tropfenmodell durch die Anordnungen der Protonen und Neutronen des Atomkerns in Schalen modifiziert werden muss. Diese Schalenstruktur entspricht genau der Anordnung der Elektronen im Atom, wodurch die Edelgase mit gefüllter Elektronenschale chemisch besonders innert sind. Das Schalenmodell für den Atomkern konnte die erhöhte Bindung bei abgeschlossenen Schalen, den so genannten magischen Zahlen 2, 8, 28, 50, 82 für Protonen und Neutronen und für Neutronen auch 126, richtig beschreiben. Angewandt auf die Vorhersage neuer Schalenabschlüsse, ergab das Modell 114, 120 oder 126 für die Protonen und 172 oder 184 für die Neutronen. Sind bei einem Kern die Schalen für Protonen und Neutronen gleichzeitig abgeschlossen, man spricht von einem doppelmagischen Kern, so ist dessen Bindungsenergie besonders hoch. Nach dem Modell sollte im Bereich der Elemente 114 bis 126 und Neutronenzahl 184 eine Insel langlebiger Kerne mit Lebensdauern existieren, die bis in den Bereich von Millionen von Jahren reichen könnten.


Abb. 1 Das obere Ende der Nuklidkarte zeigt in rot die beiden neuen Isotope von Element 117 und deren Zerfallsketten.
Die "Insel der superschweren Elemente" entsteht durch erhöhte Bindungsenergie der Kerne bei Z=114 und N=184, dargestellt durch die blaue Hintergrundfarbe. Die heute bekannten Kerne sind durch ihre Zerfallsart gekennzeichnet, Alpha-Zerfall in Gelb, Spontanspaltung in Grün und Beta-plus-Zerfall in Hellrot. Compoundkerne, die durch Verschmelzen von Kernen mit leihteren Projektilen entstehen, sind mit Sternen markiert.

Die Superschweren

Erste erfolgreiche Ergebnisse zur Erforschung der „Insel der Superschweren“ gelangen in den vergangenen zehn Jahren am Forschungszentrum in Dubna. Am dortigen Zyklotron Beschleuniger U400 wurde ein intensiver Strahl aus dem seltenen, neutronenreichen Ca-48 Isotop entwickelt. In langen Experimentreihen wurden damit dünne Schichten aus Aktiniden-Isotopen (U-238, Pu-242, Pu-244, Am-243, Cm-245, Cm-248 und Cf-249) bestrahlt. Die Fusionsreaktionen sind exothermisch. Zur Ab kühlung dampfen die entstandenen Compoundkerne drei bis vier Neutronen ab. In den meisten Fällen wurde der entstandene neue superschwere Kern mit einem gasgefüllten Separator abgetrennt. Zum Nachweis wurden ortsempfindliche Silizium detektoren benutzt. Die Messdaten wurden mit einer Orts-Zeit-Korrelationsanalyse ausgewertet, einem Verfahren, das bei GSI zum Nachweis der Elemente 107 bis 112 entwickelt worden war. Die meisten der entstandenen Kerne der Elemente 113 bis 116 und 118 emittieren Alphateilchen (He-Kerne), sodass lange Zerfallsketten entstehen. Alle Zerfallsketten enden durch spontane Spaltung. Dieses Bild wird durch die Zerfallsketten der neuen Isotope von Element 117 vervollständigt. Aus den Eigenschaften der nunmehr vorhandenen Daten können die Forscher ableiten, dass die Insel der Superschweren erreicht ist und die schwersten Kandidaten schon weit im Inneren der Insel liegen. Durch die Schaleneffekte wird die Bindungsenergie der Kerne so groß, dass der geladene Tropfen nicht sofort spaltet, sondern es entsteht eine Spaltbarriere, welche die Spaltung verhindert. Stattdessen emittieren die Kerne Alphateilchen. Am Rand der Insel wird die Bindungsenergie geringer, die Spaltbarriere wird kleiner und die Kerne spalten. Dies geschieht bei den Isotopen mit gerader Anzahl von Protonen und Neutronen bei Element 112. Sind ungerade Protonen und Neutronen beteiligt, tritt ein weiterer Effekt ein. Ein ungerades Nukleon vergrößert die Spaltbarriere, wodurch die Lebensdauer um einen Faktor 100 bis 10E+04 verlängert wird. Sind sowohl Protonen als auch Neutronen ungerade, so multipliziert sich der Effekt und die Lebensdauern könnten bis zu einem Faktor 10E+08 oder mehr verlängert werden. Als Folge davon enden die Ketten der ungeraden Isotope der geraden Elemente erst bei Element 110 durch Spaltung. Von den beiden Isotopen des neuen Elementes 117 besitzt eines eine gerade Anzahl von Neutronen (Atomgewicht A=293, Neutronenzahl N=176). Seine Zerfallskette endet bei Element 111. Das zweite Isotop hat A=294 und N=177. Seine Spaltbarriere und die seiner Tochterkerne ist soweit erhöht, dass die Kette erst bei Element 105 durch Spaltung endet.

Insel im Meer der Instabilität

Auf einer Landkarte mit den Protonen und Neutronen als Koordinaten in Richtung Nord bzw. Ost zeigt sich, dass die Insel superschwerer Elemente im Südwesten bei Protonenzahl 112 und Neutronenzahl 170 betreten wurde. Noch wissen wir nicht, wo die Insel in den anderen Himmelsrichtungen wieder im Meer der Instabilität enden wird. Der nordwestliche und der nordöstliche Bereich kann in Fusionsreaktionen mit Strahlen aus stabilen Isotopen erkundet werden. Von besonderem Interesse ist jedoch der südöstliche Teil. Dort, im Bereich der Elemente 108 bis 110 und bei Neutronenzahlen um 180, werden die längsten Lebensdauern erwartet. Um jedoch in diesen Teil der Insel zu gelangen, sind Strahlen aus neutronenreichen, aber dann radioaktiven Isotopen notwendig. Eine andere, aussichtsreiche Methode könnten Transferreaktionen sein, bei denen in Reaktionen mit den schwersten zur Verfügung stehenden Isotopen, also Strahlen aus 238U und Targets aus 248Cm, neutronenreiche Bruchstücke von einem zum anderen Kern übergehen, sodass neue, neutronenreiche Kerne entstehen könnten. Solche Strahlen stehen bei GSI zur Ver fügung. Falls tatsächlich sehr langlebige Kerne mit Lebensdauern im Bereich von Jahrmillionen gefunden werden, würde sich die Frage anschließen, ob solche Kerne auch in der Natur entstanden sein könnten und wo man am besten nach ihnen suchen sollte.


Abb. 2 Schematische Darstellung der Fusion eines Bk-249 Targetkerns bei Bestrahlung mit Ca-48 Projektilen.
Wegen der starken elektrischen Abstoßung zwischen Projektil und Targetkern zerfällt schon in den meisten Fällen das Zwischensystem und es kommt zu keiner Kernverschmelzung. In den seltenen Fällenbildet sich ein Compoundkern durch Neutronrnabdampfung ab und es entsteht ein neues Element, wie hier Element 117. Der Fusionsprozess verläuft in kürzester zeit von etwa 10E-17 Sekunden.

Stichwörter:
Kernfusion, Fusionsreaktion, Superschwere Kerne, Targetkern, Projektil

L&M 3 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2010.
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