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Forscher > Prof. Dr. Dr. h. Otto Pulz > Bioenergie - Treibstoffe aus Algen

Bioenergie - Treibstoffe aus Algen

Das schwarze Gold der Mikroalge

Nachwachsende Rohstoffe wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten als ein viel versprechendes Thema für die Energiegewinnung gehandelt und mit Biodiesel und Bioethanol haben sie bereits Einzug in den Energiemarkt gehalten. In neuerer Zeit kam die Bioenergieherstellung durch die Konkurrenz zwischen Bioenergie- und Nahrungsmittelproduktion immer mehr in das Kreuzfeuer der Kritik.

Vor dem Hintergrund der weltweiten Suche nach Alternativen für fossile Energieträger und der Notwendigkeit einer Reduktion des CO2-Ausstoßes gewinnen die Bemühungen einer industriellen Mikroalgenproduktion eine völlig neue Bedeutung. Hier einige Fakten: Mikroalgen als stark chlorophyllhaltige Zellen sind im Vergleich fünfmal so effizient in der Umwandlung von Sonnenlicht in Biomasse wie höhere Pflanzen. Der Ertrag je Hektar ist mit jährlich bis zu 150 Tonnen fünfzigmal so groß wie der von Raps. Der wesentlich geringere Flächenbedarf von Algenproduktionsanlagen stellt eine kaum bis nicht vorhandene Flächenkonkurrenz zu etablierten landwirtschaftlichen Kulturen dar.
Eine industrielle Biomasseproduktion aus Mikroalgen könnte mit dazu beitragen, Preise von landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln auf dem Weltmarkt auf einem erträglichen Niveau zu halten.

Mikroalgen

Algen sind vorwiegend im Wasser lebende, ein- oder vielzellige autotrophe Organismen von verhältnismäßig einfacher Organisation und unterschiedlicher Größe und aufgrund ihrer enormen physiologischen und morphologischen Diversität auf der Erde allgegenwärtig. Es wird geschätzt, dass die im Süß- und Salzwasser lebende Gruppe der Algen, die mikroskopisch -kleine Einzeller (Mikroalgen), aber auch bis zu 30 m lange Riesentange umfasst (Makroalgen), jährlich etwa die gleiche Menge Kohlendioxid assimiliert und organische Substanzen biosynthetisiert, wie die höheren Pflanzen an Land.

Mikroalgen sind die ersten Sauerstoff-Produzenten der Erde, die wichtigsten CO2- Konsumenten, der Beginn der Nahrungskette in den Ozeanen, die wichtigsten Primär- produzenten der Welt. Je nach Algenart und Wachstumsbedingungen besitzt die über 35.000-mal wissenschaftlich beschriebene Mikro-algen-Spezies ein breites Spektrum an hochwertigen Inhaltsstoffen wie z.B.:

hohe Proteingehalte mit dem kompletten Spektrum an essenziellen und nicht essenziellen - Aminosäuren,
- Kohlenhydraten,
- Fetten und Fettsäuren,
- Mineralstoffen und Spurenelemente,
- Pigmenten,
- Vitaminen.

Mikroalgen sind derzeit auf den Märkten für Nahrungsergänzungsmittel, Futterzusätze, Grundstoffe für die chemische -Industrie, die Pharmazeutik (z.B. krebshemmende Medikamente) und Kosmetika präsent. Es können aber auch Zusatzstoffe für die Landwirtschaft und für Aqua-kulturen oder die Rekultivierung von Industriebrachen gewonnen werden. Abwasserreinigung, CO2-Recycling und die Biosorption von Schwermetallen sind weitere wichtige Einsatzgebiete. Der industrielle Algenmarkt ist viel versprechend und wächst exponentiell.

Biotechnologische Nutzung

Der entscheidende Ansatzpunkt für eine biotechnologische Nutzung der Algen ist die hohe Effizienz, die in entsprechenden Kultivierungssystemen zu einer Überlegenheit gegenüber den saisonal abhängigen Ackerpflanzen und anderen Biomasserohstoffen führen kann. So können Mikro-algen über das ganze Jahr täglich geerntet werden und die Produktivität von Algen ist bis zu fünfzigmal höher als die von Getreide. Darüber hinaus beansprucht die industrielle Produktion von Algen keine landwirtschaftliche Nutzfläche, kein Trinkwasser und wenn, wird auf einen geschlossenen Wasserkreislauf geachtet und somit lässt sich auch der Wasserverbrauch auf ein Minimum reduzieren (Abb. 1 und 2).
Weitere Vorteile sind die Fähigkeit zur CO2-Bindung und die Erzeugung von anderen „Nebenprodukten“ wie Sauerstoff, Biogas, Syngas oder Biowasserstoff. Reststoffe etwa bei der Ölgewinnung aus -Algenbiomasse können noch weiter verarbeitet werden, z.B. als Protein-Lieferanten oder als Grundlage für die Biowasserstoff-Gewinnung durch Fermentation. Eine ungefähre Stoff-bilanz kann wie folgt aufgestellt werden: Aus ca. 2 Tonnen CO2 entsteht 1,6 Tonne Sauerstoff, 1 Tonne Biomasse, wovon 0,2–0,5 Tonnen Biodiesel gewonnen werden können.

Industrielle Produktion von Treibstoffen

Im Zusammenhang mit der energetischen Nutzung der Mikro-algen und dem damit verbundenen Konkurrenzdruck auf den Rohstoff Algenbiomasse gewinnt die Effi-zienz der Algenproduktion, d.h., die je Mengeneinheit produzierter Algen erforderliche Kulturfläche, eine entscheidende Rolle.
Die wichtigste Voraussetzung für das Algenwachstum ist eine optimale Versorgung mit Licht in möglichst geringen Schichten in der Kultursuspension.

Algenkultivierungssysteme

Mikroalgen können in offenen, geschlossenen oder auch z. B. Ultradünnschicht-systemen kultiviert werden.
Offene Systeme, das sind natürliche oder künstliche Becken, Raceway Ponds und so genannte Inclined Surface Systeme. Als klassische Methoden zur Produktion von Algenbiomasse be-anspruchen sie große Flächen, aber bei kostengünstiger Flächennutzung und guten klimatischen Bedingungen sind die Investitionskosten bis zu einer gewissen Anlagengrößen vergleichsweise gering.
Der Biomassezuwachs in offenen Systemen hängt stark vom regionalen Klima und den jeweiligen Anlagen ab.
Geringe Produktivitäten sowie die Anfälligkeit offener Systeme führten zur Entwicklung geschlossener Reaktoren, in denen -fotobiologische Prozesse weitgehend unabhängig von störenden Umwelteinflüssen stattfinden können.

Geschlossene Reaktoren besitzen eine Reihe von prinzipiellen Vorteilen:

- geringere CO2-Verluste
- geringere Wasserverluste
- reduziertes Kontaminationsrisiko
- optimale Temperaturregulation
- kontrollierbare Hydrodynamik
- reproduzierbare Kultivationsbedingungen
- größere Flexibilität in Bezug auf Umwelteinflüsse
- geringerer Platzbedarf

Diese Fotobioreaktoren ermöglichen durch transparente Reaktorwände (Röhren, Platten) einen Lichteintrag in die Kultursuspension, bei dem etwa 90 % des eingestrahlten Lichts die Zellen erreichen.
Beispiele für geschlossene Anlagen wie z. B. Röhrenreaktoren lassen sich auch in Deutschland finden, so -befindet sich die größte industrielle Algenproduktions-anlage Europas in Klötze mit einer Grundfläche von 12.000???m2 und einer Produktionskapazität von insgesamt 150.000 kg Chlorella Biomasse pro Jahr. Die produzierten Biomassen sind lebensmittelrechtlich als auch futter-mittelrechtlich zugelassen.
Die offenen Systeme und geschlossenen Glasrohr-systeme -weisen für die Erzeugung algaler Bioenergie sowohl hinsichtlich der Effizienz der Biomasseproduktion als auch produktions-kostenseitig Defizite auf. Die Biomassen aus den invest- und betriebs-kostenintensiven geschlossenen Fotobioreaktoren -werden -erfolgreich für
z.B. Nahrungsmittel- und Futtermittelzusätze -vermarktet.
Derzeit forscht die IGV GmbH an Weiterentwicklungen so- genannter Ultradünnschichtverfahren. Dieses Verfahren wurde bereits 2007 in einer Pilotanlage in Arizona/USA auf die Funktionsfähigkeit und den Ertrag positiv getestet. Die Qualität des aus der Algenbiomasse produzierten Kraftstoffes entspricht den hohen Anforderungen der Automobilindustrie. Mit der neuen Technologie kann die Produktivität auf ein Fünffaches im Vergleich mit offenen Systemen gesteigert werden.

Foto: Rasche

Stichwörter:
industrielle Mikroalgenproduktion, Mikroalgen, Bioenergie, Algen, Algenkultivierungssysteme

L&M 4 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2009.
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