L&M-6-2010
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Nicht überall, wo NAT draufsteht, ist PCR drin
Nicht überall, wo NAT draufsteht, ist PCR drinMit dem Kürzel NAT wird eine Gruppe gentechnischer Verfahren umschrieben, mit deren Hilfe Nukleinsäuren vervielfältigt werden können. NAT steht für „Nukleinsäure amplifizierende Technik” oder „Nukleinsäure amplifizierender Test”. Im Englischen findet man oft auch das Kürzel NAAT, was dann analog für „Nucleic Acid Amplification Technique“ oder „Nucleic Acid Amplification Test“ steht. NAT sind heute aus der naturwissenschaftlichen Forschung, der medizinischen Diagnostik, dem Blutspendewesen und vielen anderen Bereichen unseres täglichen Lebens bis hin zur genetischen Analyse der Hefen in unserem Gerstensaft nicht mehr wegzudenken.
Die Entdeckung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) im Jahre 1983 durch Kary Mullis kann man getrost als die Geburtsstunde der NAT bezeichnen. Der aufsehenerregende Erwerb der weltweiten PCR-Lizenzen im Jahre 1991 durch Hoffmann- La Roche sowie der Nobelpreis, den Mullis bereits im Jahre 1993 für seine Entdeckung erhielt, sorgten dann für eine schnelle Anerkennung und weltweite Verbreitung der PCR. Heute gibt es kaum ein Labor, in dem nicht mit PCR gearbeitet wird. Es ist also nicht erstaunlich, dass man lange Zeit automatisch an PCR dachte, wenn von NAT die Rede war. Die Existenz alternativer NAT, die aus dem Schatten der berühmten PCR herauszutreten versuchten, fristeten ein eher bescheidenes Dasein. Gemeinsamkeiten von PCR und TMA Mit beiden NAT lassen sich definierte Nukleinsäuresequenzen unter Einsatz von spezifischen Primern und Enzymen millionenfach durch zyklische Reaktionen kopieren. Die Ergebnisse können sowohl qualitativer als auch quantitativer Natur sein. Es handelt sich also um funktionsähnliche Verfahren mit – in den meisten Fällen – vergleichbaren Leistungsdaten. Dem Anwender könnte es also auf den ersten Blick egal sein, ob sein NAT für den Nachweis von z.B. humanen Papillomaviren auf PCR oder TMA beruht. Die Unterschiede liegen jedoch wie so oft im Detail und es macht Sinn, sich vor der Entscheidung für das eine oder andere Verfahren mit diesen Unterschieden vertraut zu machen. Die Unterschiede zwischen PCR und TMA
Die TMA erkennt sowohl RNA als auch DNA direkt als Target. Die PCR erkennt lediglich DNA direkt als Target und kann RNA-Targets nur über den Umweg der Reversen Transkription nachweisen. Die TMA arbeitet bei einer konstanten Temperatur (41 °C) und benötigt hierfür nur ein einfaches Wasserbad oder einen Heizblock. Für die PCR sind bekanntlich ein Temperaturprofil (meist 3 unterschiedliche Temperaturschritte) und damit ein teurer Thermocycler erforderlich. Ablauf einer TMA bei Analyse einer RNA-Zielsequenz 1. Die TMA-Reaktion beginnt mit der Bindung eines Promotor-Primers an sein RNA-Target. Das Besondere an diesem Primer ist, dass er neben einer spezifischen, zum Target komplementären Nukleotidsequenz (gestrichelter Teil) zusätzlich eine Sequenz der Promotor-Region einer RNA-Polymerase enthält (abstehender Teil). Ein Promotor ist ein regulierender Genbereich, an den sich Transkriptionsfaktoren, hier die RNA-Polymerase, über hoch affine DNA/Protein Interaktionen anlagern, um von dieser Stelle aus die DNA-Matrix in RNA zu überschreiben. 2. Der Promotor-Primer und die Zielsequenz bilden ein Primer/Zielsequenz-Hybrid. Die RT erkennt diese Struktur und stellt eine DNA-Kopie des RNA-Targets her. 3. Es ist eine RNA:DNA-Heteroduplex entstanden. 4. Der RNA-Anteil dieser Heteroduplex wird durch die RNAse H-Aktivität der RT abgebaut. Übrig bleibt die einzelsträngige DNA-Kopie mit der Promotor-Primer- Sequenz. RNAse H ist eine unspezifische Endoribonuklease, die RNA: DNA-Hybride erkennt und die RNA hydrolytisch spaltet. 5. Primer 2 bindet nun an die DNA-Matrix und über die DNA-Polymerase-Aktivität der RT entsteht eine DNA-Kopie der DNA-Matrix. 6. Es ist ein doppelsträngiges DNA-Template entstanden, in dem auch der Promotor-Primer einschließlich der Promotor-Region für die RNA-Polymerase in doppelter Ausfertigung vorhanden ist. Die nicht zyklische Vorphase der TMA ist nun abgeschlossen und es beginnt die zyklische Phase, also der eigentliche Prozess der Vervielfältigung der Zielsequenz. 7. Mit der Aktivität der RNA-Polymerase beginnt die zyklische Phase der TMA. Getriggert durch die Promotorsequenzen in den doppelsträngigen DNA-Templates, wird nun die RNA-Polymerase aktiv. 8. Die RNA-Polymerase produziert nun 100 bis 1000 einzelsträngige RNA-Kopien von der DNA-Matrix. 9. Da die frisch produzierten RNA-Kopien zum ursprünglichen RNA-Target komplementär sind, kann Primer 2 binden und die RT tritt wieder in Aktion, um entsprechend der Anzahl der RNA-Targets 100 bis 1000 RNA:DNA-Heteroduplices zu produzieren. 10. Der RNA-Anteil in diesen Duplices fällt wiederum der RNAse H zum Opfer. 11. Übrig bleiben 100 bis 1000einzelsträngige DNA-Kopien. 12. An diese bindet der Promotor- Primer und dank der Doppelfunktion der RT entstehen DNA-Doppelstränge mit Bindebereich für Primer 2 und intakter Binderegion für die RNA-Polymerase. Da die Reaktion kontinuierlich bei 41°C abläuft, findet man gleichzeitig einzelsträngige RNA, RNA:DNA-Heteroduplices sowie doppel- und einzelsträngige DNA. Einzelsträngige RNA überwiegt jedoch bei Weitem. Mehr als 10 Milliarden RNA-Kopien lassen sich mit diesem Verfahren in einem Zeitraum von lediglich 15 bis 30 Minuten generieren!
Die Nachweisreaktion erfolgt nach Hybridisierung der einzelsträngigen RNA mit markierten, spezifischen DNA-Sonden. Zugegeben, verglichen mit den eher einfachen Verhältnissen bei der PCR, erscheint das, was hier im TMA-Reaktionsgefäß geschieht, auf den ersten Blick ziemlich komplex und unübersichtlich. Wem dies suspekt erscheint, dem sei versichert, es funktioniert. Es ist sogar automatisierbar und routinetauglich, selbst für sehr große Probendurchsätze. |
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