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EU-Projekt Chemlab II: ECVET ermöglicht länderübergreifende Ausbildung von Chemielaboranten

EU-Projekt Chemlab II: ECVET ermöglicht länderübergreifende Ausbildung von Chemielaboranten

Wissenskompetenz europaweit

Die EU rief im Jahr 2009 das so genannte ECVET ins Leben, damit Auszubildende die Möglichkeit erhalten, europaweit vergleichbare Qualifika tionen in ihrem Berufsfeld zu er werben. ECVET bedeutet „European Credit System for Voca tional Education and Training” (Europäisches Punkte system für die berufliche Bildung). Ziel dieser Initiative ist es, die berufliche Mobilität innerhalb Europas zu erhöhen, das Konzept des lebens langen Lernens zu unterstützen und Auszubildenden die Chance zu geben, auch international zu lernen, was in einer globalisierten Welt die Berufsaussichten erhöht. Auch das EU-Projekt Chemlab II baut auf dieses viel versprechende System.

Ziel von Chemlab II („European Apprenticeship Training for Chemical Laboratory Technicians“, www.eu-chemlab.eu) ist es, eine länderübergreifende Ausbildung für Chemielaboranten und langfristig den Abschluss „EU certified Chemical Laboratory Technician“ in Europa zu etablieren. Zurzeit beteiligen sich neben Deutschland vier weitere Länder an dem Projekt. Darüber hinaus beabsichtigt Chemlab II, das Projekt um Universitäten, Unternehmen und Auszubildende aus zusätzlichen EU-Partnerländern zu erweitern. Hier hat das anbahnende Projekt Chemlab I gute Vorarbeit geleistet: Zum Projektstart von Chemlab II im November 2011 gab es in Deutschland, Griechenland, Polen und der Türkei Unternehmen, die Jugendliche nach dem Ausbildungsplan von Chemlab II einstellten. Georgien folgte und startete ebenso mit Auszubildenden. Tschechien könnte das nächste teilnehmende Land werden. Neben der Einführung des länderübergreifenden Abschlusses für Chemielaboranten hat sich Chemlab II auch die Aufgabe gestellt, Firmen, Schulen, Universitäten, Zertifizierer und bildungspolitische Einrichtungen zu vernetzen, um Erfahrungen auszutauschen und somit das europäische Ausbildungssystem für Chemielaboranten zu verbessern. Ebenso unterstützt Chemlab II in diesem Zusammenhang europäische Partnerschaften zur Entwicklung innovativer Lehr- und Lernmittel sowie die international qualitätssichernde Etablierung und Durchführung (analytisch-)chemischer ECVET Module.

So funktioniert ECVET

ECVET stellt eine Art gemeinsame europäische Währung für die berufliche Bildung dar. Es ist vergleichbar mit dem universitären ECTS (European Credit Transfer System), das Studierenden den Wechsel an ausländische Universitäten ermöglicht. Um Ausbildungen international vergleichbar zu machen, verwendet ECVET Module, die mit Leistungspunkten belegt werden. Die Module sind jedoch nicht an Ausbildungszeiten gekoppelt, sondern setzen sich aus Lernergebnissen zusammen, d. h. aus Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen. Somit können die Auszubildenden einen Teil ihrer Ausbildung im europäischen Ausland absolvieren und dabei Punkte sammeln, die überall in Europa anerkannt werden. Kehrt der Auszubildende in sein Heimatland zurück, kann das ausbildende Unternehmen leicht beurteilen, was er im Ausland erlernt hat. Mit dieser Sicherheit und Transparenz ist es für Betriebe und Jugendliche attraktiver, das europäische Ausland in die Ausbildung mit einzubeziehen.

ECVET im EU-Projekt Chemlab II

Die chemische Ausbildung in Chemlab II teilt sich in eine Grundlagenphase im ersten Jahr sowie in eine Fortgeschrittenenphase ab dem zweiten Jahr auf. Im zweiten Jahr führen die universitären Partner der einzelnen Länder einmonatige ECVET-Module mit einer bis zu sechs Personen umfassenden Gruppe zu unterschiedlichen analytisch- chemischen Themen durch. Dabei absolviert jeder Auszubildende zunächst das jeweilige Modul seines Heimatlandes sowie zusätzlich eines im Ausland. Deutschland bietet das Schwerpunktthema Lebensmittelanalytik an, Polen Kosmetikanalytik, Griechenland und Georgien Umweltanalytik und in der Türkei steht Wasseranalytik auf dem Lehrplan. In Deutschland setzt sich das Modul aus folgenden Lernergebnissen zusammen (siehe auch Abb. „Theorie“ und „Übung“): Vorbereitung von und Probengewinnung aus Lebensmitteln, Extraktion von unterschiedlichen Nahrungsmittelbestandteilen, chromatografische Trennung von Nahrungsmittelinhaltsstoffen, Identifizierung und Charakterisierung chemischer Verbindungen, Quantifizierung wichtiger Komponenten sowie das Auswerten, Überprüfen und Präsentieren von Daten. Um diese Lernergebnisse zu erreichen, erwirbt der Auszubildende einerseits die Qualifikationen unterschiedliche Analysemethoden anzuwenden, unterschiedliche Analyseapparaturen zu benutzen und zu kontrollieren, andererseits Software für die Datenerfassung und -überprüfung zu bedienen. Dies stellt gleichzeitig die erste Ebene der Wissenskompetenz im ECVET dar. Parallel bekommt die Gruppe Auszubildender ein Projekt zugeteilt, das sie in der ECVET-Modulphase gemeinschaftlich zu bearbeiten hat (siehe Abb. „Projekt“). So kann sie die Wissenskompetenz der ersten Ebene unmittelbar anwenden und somit die zweite Ebene erreichen. Gleichzeitig realisiert das Projekt einen kulturellen Austausch der „intensiven Art“. Die Lernergebnisse (siehe Abb. „Lernergebnisse“) können dabei genau benannt und qualitativ eingeordnet werden.

Gegen Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit vorgehen

Die Konzeption von Chemlab II greift auf das duale Ausbildungssystem mit Kopplung von Betrieb und Berufsschule zurück, das sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits bewährt hat. In vielen europäischen Nachbarländern ist die Situation in der Chemiebranche eine ganz andere. Oftmals ist die Ausbildung sehr theorielastig, können bestimmte Berufe nur im Rahmen eines Studiums erlernt werden, was die Auswahl an Arbeitskräften für die Unternehmen begrenzt. Mit dem Praxisbezug in Chemlab II soll sich dies verbessern. Des Weiteren führt die Erhöhung der beruflichen Mobilität in Europa zu einem besser funktionierenden europäischen Wirtschaftsraum. Sie beugt einerseits hohen Arbeitslosenzahlen, andererseits aber auch Fachkräftemangel vor. Denn erwerben Arbeitnehmer schon früh Qualifikationen im Ausland, sind sie in der Lage, dort Arbeit aufzunehmen, wo sie gebraucht werden. Auch für Deutschland ist das ein Gewinn: Bis 2030 drohen nach Einschätzung der Unternehmensberatung A.T. Kearney bis zu 30.000 Stellen in der deutschen chemischen Industrie unbesetzt zu bleiben. Die Auszubildenden selbst profitieren ebenfalls davon, denn sie erlangen durch ihre internationale Lehre Softskills, die man in einer rein inländischen Ausbildung nicht erwirbt, etwa den Umgang mit anderen Kulturen. Auch das Aneignen und Trainieren einer Fremdsprache oder das Kennenlernen der Geschichte des besuchten Landes fördern die Allgemeinbildung und letzten Endes auch die Arbeitsmarktchancen.

Konzept des lebenslangen Lernens

ECVET ist nicht nur auf die Erstausbildung beschränkt. Durch seine standardisierten Module fördert es auch das Konzept des lebenslangen Lernens. Arbeitnehmer, so die vorherrschende Meinung, können nicht ihr gesamtes Berufsleben mit dem Wissen einer einzigen Ausbildung bestreiten. Dafür ist die Arbeitswelt zu schnelllebig geworden. Sie erfordert ständig neue Kenntnisse und Fertigkeiten, die sich dem Fortschritt anpassen. Deshalb ist eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung von Arbeitnehmern ausdrücklich erwünscht. Dank ECVET wird dies auch international möglich.

Fazit

ECVET bietet eine gute Basis, eine länderübergreifende Qualifikation von Chemielaboranten zu ermöglichen, da es Lerninhalte vergleichbar macht und diese unabhängig vom lehrenden Land bewertet werden können. Darüber hinaus können später auch andere Chemiefacharbeiter die im Zusammenhang mit Chemlab II entstehenden Module nutzen und als Teile ihrer nationalen Qualifikation anerkannt bekommen. Die Europäische Kommission begrüßt diese Entwicklung und fördert Chemlab II deshalb im Rahmen des „Leonardo da Vinci“– Programms „Innovationstransfer“. Eine internationale Ausbildung von Chemielaboranten nützt aber nicht nur ‚Europa‘, sondern vor allem seinen Jugendlichen.

Foto: ©panthermedia.net| gualtiero boffi

L&M 1 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2013.
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