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Zur Rolle von Mikroorganismen bei der Eliminierung von Ölverunreinigungen

Zur Rolle von Mikroorganismen bei der Eliminierung von Ölverunreinigungen

Bakterien als Umweltengel

Die Ölhavarie im Golf von Mexiko hat uns deutlich vor Augen geführt, dass Ökosysteme verletzlich sind und sowohl auf beabsichtigte als auch ungewollte Eingriffe des Menschen empfindlich reagieren. Nicht nur die Bevölkerung an den Küsten der USA und anderer, an den Golf angrenzender Gebiete war den Ölverunreinigungen in belastender Weise ausgesetzt, auch viele Tiere, Pflanzen und mikroskopisch kleine Organismen, wie sie im Plankton der Meere vorkommen, wurden durch die austretenden Ölmengen geschädigt.

Dennoch existieren unter der Vielzahl von

Millionen Arten von Organismen auf unserer Erde einige Spezialisten, die in der Lage sind, solche Schäden durch Ölkontaminationen zu beheben und die Natur sukzessive wieder in den annähernden Ausgangszustand zurückzuversetzen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Selbstreinigungspotenzial“ der Natur. Zu diesen Organismen, deren vorrangige ökologische Funktion im Abbau von organischen Stoffen – sei es im Boden, in Seen oder in den Ozeanen – liegt, gehören Erdöl-abbauende Bakterien, Hefen sowie fadenförmige Pilze, die sich durch eine besondere Enzymausstattung auszeichnen und in der Lage sind, wasserunlösliche und chemisch weit gehend inerte Kohlenwasserstoffe, wie sie in Erdöl oder Erdölprodukten vorkommen, einer Stoffumwandlung und einem effektiven
Abbau zu unterziehen.

Erdöl als mikrobielles Substrat

Erdöl stellt ein Gemisch aus ca. 2.000 Einzelsubstanzen dar. Je nach Förderregion des Erdöls variiert die chemische Zusammensetzung stark. Kohlenwasserstoffe stellen mit 50–98 % den Hauptanteil dar. Dabei dominieren als Stoffgruppen mit 35–75 % die Paraffine (meist n?Alkane, seltener Isoalkane), gefolgt von so genannten Naphthenen (meist substituierte Cycloalkane) mit 20– 45 % und den Aromaten (vor allem Phenylalkane) mit 15–25 %. Erdöl stellt eigentlich ein Naturprodukt dar, da es natürlicherweise in Bodenschichten vorkommt. Dennoch kann es zu einem gefährlichen Schadstoff werden, wenn es in größeren Mengen in Kulturböden oder Oberflächengewässer gelangt. Die weite Verbreitung von Erdölprodukten und der zunehmende Eintrag von Erdöl, Dieselkraftstoff oder Benzin in Böden und Gewässer hat dazu geführt, dass Rohöl und dessen Destillations- und Verarbeitungsprodukte heute – rein von der Menge her gesehen – die mit Abstand bedeutsamsten Umweltschadstoffe darstellen. Neben den nahezu alljährlich auftretenden Havarien durch Öltanker oder im Rahmen der Erdölförderung kommt dem weltweit zunehmenden Verkehr, sei es durch Schiffe, Kraftfahrzeuge oder Flugzeuge, eine beträchtliche Rolle bei der Umweltbelastung durch Erdölprodukte zu.

Erdöl abbauender Mikroorganismen

Erdöl abbauende Mikroorganismen sind auf unserem Erdball nahezu überall und somit ubiquitär verbreitet. Man findet sie nicht nur in ölkontaminierten Arealen, sondern auch auf wachshaltigen Oberflächenschichten von Pflanzenblättern.
Die meisten Erdöl-abbauenden Mikroorganismen sind auf bestimmte Substanzgruppen des Erdöls spezialisiert und oxidieren beispielsweise entweder n-Alkane, Cycloalkane oder Aromaten, wobei durch jede Mikroorganismenart zwischen 10 und 100 Einzelsubstanzen umgesetzt werden können. Aufgrund der großen Vielzahl der im Erdöl vorkommenden Komponenten kann Rohöl daher nur durch eine gemeinsame Aktion verschiedenartiger Kohlenwasserstoff-abbauender Mikroorganismen angegriffen und beseitigt werden [1].
Man unterscheidet ölpositive und ölnegative Kohlenwasserstoff-Oxidierer. Die ölpositiven lagern sich aufgrund ihrer lipophilen Zellwandoberfläche direkt in die Ölphase ein, während die ölnegativen Mikroorganismen in der Wasserphase verbleiben und nur kleinste Tröpfchen des hydrophoben Öls aufnehmen und verwerten können. Aus dieser Tatsache ergibt sich die Notwendigkeit einer feinen Verteilung des Öls, wozu von vielen Bakterien und Pilzen emulgierend wirkende Stoffe, so genannte Biodetergentien, in die Zellumgebung abgegeben werden [2].
Nach Eintritt der Ölsubstanzen in die Mikroorganismenzelle ist der entscheidende Schritt die Primäroxidation der Erdölkohlenwasserstoffe. Dabei führen hydroxylierende Enzyme (Oxygenasen) molekularen Sauerstoff in das relativ inerte und hydrophobe Kohlenstoffgerüst ein, so dass zunächst aliphatische Alkohole, Cycloalkanole oder phenolartige Produkte entstehen, die weiter oxidiert und schließlich in CO2 und Wasser überführt werden. Solche Oxygenasen besitzen unter den Bakterien nur relativ wenige Arten. Sie gehören beispielsweise zu den Gattungen Alcanivorax, Marinobacter, Oleispira oder Thalassolituus, die ebenso wie die vor allem auf aromatische Kohlenwasserstoffe spezialisierten Neptunomonas- und Cycloclasticus- Arten im marinen Milieu zu finden sind [3]. In Böden dominieren meist grampositive Bakterien der Gattungen Mycobacterium, Gordonia, Rhodococcus, Nocardia, Dietzia, Arthrobacter oder thermophile Geobacillus-Arten. Andere Bakterien wie Pseudomonas-, Acinetobacter- oder Thermophilum-Arten leben bevorzugt im Süßwasser. Innerhalb der Pilze sind viele Hefen (z.B. Candida-, Pichia-, Yarrowia-, Rhodotorula- sowie Trichosporon-Arten), aber auch zahlreiche Schimmelpilze der Gattungen Aspergillus, Cladosporium, Cunninghamella, Fusarium, Mucor oder Penicillium zum Abbau von Erdöl-Kohlenwasserstoffen befähigt. Bei Pilzen ist an der Primäroxidation meist das mikrosomale Cytochrom-P450 beteiligt [4].

Ökologische Faktoren, die den Ölabbau beeinflussen

Erdöl und dessen Verarbeitungsprodukte (Dieselkraftstoff, Benzin) unterliegen im Meer starken Veränderungen ihrer Zusammensetzung. Vielfach wird von einer „Verwitterung“ oder einer Alterung von Öl und Ölprodukten gesprochen, da neben dem biologischen Abbau eine Vielzahl von physikalischen Prozessen und chemischen Reaktionen auf die an der Wasseroberfläche befindliche Ölphase einwirken. Der erste diesbezügliche Prozess ist die sofort einsetzende Verdunstung. Das Öl wird dadurch in der Menge bereits deutlich reduziert, wird dunkler und zähflüssiger. Gleichzeitig setzt neben einer Photooxidation von aromatischen Komponenten (Chemooxidation) eine biologische Oxidation (Biodegradation) von leicht verwertbaren Ölbestandteilen (z.B. n-Alkanen) durch die im Meer vorkommenden Mikroorganismen ein. Bei Ölhavarien, die i.d.R. mit dem Eintrag von sehr großen Mengen an Öl verbunden sind, sind die Öl-abbauenden Mikroben allerdings zunächst überfordert und reichern sich nur langsam an, sodass die mechanische Abschöpfung durch Spezialschiffe oder der Einsatz von Absaugvorrichtungen in dieser ersten Phase die effektivere Variante der Ölbeseitigung darstellen. Zunehmend findet eine horizontale Verbreitung und Ausverdünnung der Ölphase auf der Wasseroberfläche statt und die Bedeutung des mikrobiellen Abbaus der im Meer verteilten Ölanteile verstärkt sich. Der mikrobielle Angriff wird durch effektive Emulgierung ebenso beschleunigt wie durch hohe Wasserturbulenzen, verbunden mit stärkerem Sauerstoffeintrag an der Oberfläche. Daneben stellen eine geeignete Wassertemperatur (optimal sind 26 °C), die chemische Zusammensetzung der Ölkomponenten, die Lichtintensität und die Verfügbarkeit von zusätzlichen Nährstoffen (aufgrund eines lokalen Mangels an Stickstoff und Phosphor im Bereich des Ölüberschusses) wichtige Regulationsprozesse für die Effizienz des Ölabbaus dar [5].
Durch teilweise Polymerisierung aromatischer Substanzen sowie durch den Abbau leichter verwertbarer Ölbestandteile verändern sich die Konsistenz und die chemische Zusammensetzung. Schließlich liegt das Öl in Form von schwimmfähigen dunklen Emulsionen („mousse“ oder „Schokoladenpudding“) und später in Form von Teerklumpen („tar balls“) an der Meeresoberfläche vor. Letztere können einige Millimeter bis mehrere Zentimeter Größe aufweisen und als relativ stabile Verwitterungsprodukte jahrelang im Meer persistieren, teilweise in die Sedimente absinken oder benachbarte Strandregionen verunreinigen. Bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat man von vornherein mit verschiedenen Mitteln versucht, diesen Ölteppich von der Oberfläche abzusenken, um die sichtbaren Auswirkungen des Öls auf Seevögel bzw. Strandregionen zu minimieren, zumal solche Bilder von der Presse sehr schnell aufgegriffen werden und die öffentliche Meinung beeinflussen. Der Ölabbau erfolgt in der Tiefe jedoch verlangsamt, da der für die Primäroxidation notwendige Sauerstoffanteil geringer wird. Jedoch existieren auch Bakterien, die einen anaeroben Kohlenwasserstoffabbau bewerkstelligen können. Dieser verläuft nach bisherigen Erkenntnissen jedoch erheblich langsamer und kann daher den negativen Auswirkungen des Öls auf die Meeresumwelt nur verzögert entgegenwirken.
Normalerweise entwickeln sich die Öl abbauenden Mikroorganismen in der Nähe von austretendem Öl relativ schnell und können nach einigen Wochen und Monaten bereits das Öl substanziell dezimieren. Eine externe Zufuhr von Öl abbauenden Laborstämmen ist prinzipiell möglich, erfordert aber infolge hoher Kosten der nur in begrenzter Artenzahl kultivierbaren Biomasse und der von vornherein nicht möglichen effektiven Anpassung an das jeweilige Einsatzgebiet noch eine weitere, erhebliche Optimierung – vor allem imVergleich zu einer am Havarieort möglichen Förderung der im Meer lebenden, an das jeweilige Areal optimal angepassten Mikroorganismen.

schauer@uni-greifswald.de
sietmann@uni-greifswald.de

Literatur

[1] Schauer, F. (2001) Bodden 11, 3–31
[2] Satpute, S.K., et al. (2010) Biotechnol. Adv. 28, 436–450
[3] Yakimov, M.M. et al. (2007) Curr. Opin. Microbiol. 18, 257–266
[4] Scheller, U. et al. (1998) J. Biol. Chem. 273, 32528–32534
[5] Vyas, T.K. & Dave, B.P. (2010) Indian J. Mar. Sci. 39, 143–150

L&M 5 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2010.
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