Ernährung - Essstörungen
Die perfekte Frau hat häufig ihr Geheimnis und eine beste Freundin: die Bulimie.
Sie scheint eine Universallösung: Sie hält damit ihren Körper in Form, sie muss auf nichts verzichten, sie kann damit Spannungen abbauen und Konflikte überlagern. Sie zahlt jedoch einen hohen Preis dafür, dass ihre Fassade stimmt. Im ersten Ansatz erscheint die Bulimie eine gute Lösung zu sein. Essen soviel frau will und das ohne böse Konsequenzen auf den Hüften. Nicht selten sind Diäten oder restriktives Essverhalten der Einstieg in unkontrollierte Essanfälle. Doch der Schlankheitswahn allein ist nur ein Aspekt der Bulimie. Vielmehr spiegelt sich in den Essanfällen mit dem anschließenden Ungeschehenmachen über das Erbrechen, übertriebenen Sport, hungern oder Abführmittelmissbrauch auch die innere Zerrissenheit der Frauen wider. Ihre Ambivalenzen zeigen sich nicht nur im Essverhalten, auch ihre Beziehungsmuster gestalten sich ambivalent. Sie möchte viel Nähe aber auch viel Distanz.
Innerpsychische Konflikte bahnen sich ihren Weg über die Essstörung. Erst durch eine psychotherapeutische Behandlung finden die Frauen die Möglichkeit, andere Wege der Konfliktlösung zu gehen und sich selbst fürsorglicher zu behandeln. Harmlos ist die Bulimie auf keinen Fall, die körperlichen Folgeschäden treten – je nach Intensität und Art der bulimischen Anfälle – häufig sehr zeitversetzt auf, irreversible Zahnschmelzschäden, Hormon- und Elektrolytverschiebungen sind nur einige Varianten. Die psychischen Veränderungen sind nicht weniger vehement: Depressionen, Rückzugsverhalten, ständige Unzufriedenheit und Unlust, selbstverletzendes Verhalten und Suizidgedanken entwickeln sich Schritt für Schritt.
Einige Diagnosekriterien
wiederholte Episoden von Essattacken, während denen große Mengen von Nahrungsmitteln in sehr kurzer Zeit konsumiert werden (mindestens 2 Attacken pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monaten) mit dem Gefühl, das Essverhalten während der Essattacken nicht unter Kontrolle halten zu können im Anschluss an die Essattacken selbst induziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika und/oder übermäßige körperliche Betätigung, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. krankhafte Furcht dick zu werden bzw. andauernde, übertriebene gedankliche Beschäftigung mit Figur und Gewicht Perfektionismus
Körperliche Folgeschäden und Komplikationen können u. a. sein:
Magendilatation mit der Gefahr einer Magenruptur, Elektrolytstörungen, Herzrhythmusstörungen, gastrointestinaler Reflux, Ösophagitis, Dehydration, Ödeme, Durchfälle, Nierenschäden Zahnschmelzerosionen, hormonelle Störungen. Soziale Folgen Durch den großen Nahrungsmittelverbrauch kann es zu finanziellen Problemen, Verschuldung, Stehlen von Nahrungsmitteln und sozialem Abstieg kommen. Epidemiologie In Deutschland sind etwa 600.000 Menschen bulimisch, davon sind ca. 90 % weiblich, 10 % männlich. Das Alter der Ersterkrankung bulimischer Frauen ist in der Regel höher als bei anorektischen Mädchen und Frauen. Sie erkranken im Durchschnitt nach der Pubertät zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Frauen aus allen sozialen Schichten sind betroffen, allerdings gibt es eine deutliche Häufung bei Frauen aus höheren sozialen Schichten. Bulimische Erkrankungen treten vor allem in den Ballungsräumen der Städte auf. Etwa 1/3 der bulimischen Frauen litt unter einer vorangegangenen Magersucht.
Ursachen
Als Ursachen von Bulimie sind vor allem ein Mangel an Selbstwertgefühl, eine gestörte Autonomie- und Identitätsentwicklung und Selbstunsicherheit bekannt. Diese drückt sich darin aus, dass bulimische Frauen es nicht gelernt haben, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen, zu differenzieren und gegenüber anderen zu vertreten. Sie fühlen sich stark abhängig und orientiert an den Erwartungen anderer Menschen. Die familiäre Situation ist häufig geprägt durch große Unsicherheit und ambivalente Bindungen, wobei das Familienklima gleichzeitig stark dominiert ist von Leistung. Es werden Konflikte vermieden und der Umgang miteinander ist gekennzeichnet durch widersprüchlichen Botschaften. In 50 % der Fälle findet sich sexueller Missbrauch in der Anamnese.
Begleiterkrankungen
Knapp die Hälfte der Bulimiepatientinnen, die sich in klinische Behandlung begeben, leiden gleichzeitig an einer depressiven Symptomatik. Zwischen 20–50 % der Bulimikerinnen leiden unter Ängsten im Rahmen sozialer Interaktionen. Das Suizidrisiko ist bei der Bulimia nervosa besonders hoch (10 %). Bulimie tritt häufig in Verbindung mit Alkohol- und Medikamentenabusus sowie autoaggressiven Handlungen auf.
Bulimie und Sport
Aerobic bis zum Umfallen oder häufiges exzessives Joggen kann bei jungen Frauen auf Bulimie deuten. Bei einer Studie der amerikanischen Sucht-Psychologin Nancy Barnett zeigte sich, dass über 90 % bulimischer Frauen – zumindest auch – Sport einsetzen, um bei ihren Kühlschrank- Orgien angegessene Kalorien wieder loszuwerden. Zudem fand Barnett, dass gesunde junge Frauen, die sich sportlich hart rannehmen (ab 5 Mal pro Woche für mindestens eine halbe Stunde), ein erhöhtes Risiko haben, an einer Essstörung wie Bulimie zu erkranken.
Foto: © Sylvia Baeck
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