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Neue Materialien für die heterogene Katalyse

Klassiker im neuen Anzug

Prof. Dr. Marcus Bäumer, Dr. Birte Jürgens, Arne Wittstock,
Institut für Angewandte und Physikalische Chemie, Universität Bremen

Heterogene Katalyse: Eine Nanotechnologie?
Heterogene Katalysatoren gehören vielleicht zu den ältesten industriell genutzten Nanomaterialien.
Aktivität und Selektivität werden häufig von den strukturellen Gegebenheiten
auf der Nanometerskala bestimmt. Mithilfe der traditionellen Herstellungsmethoden ist es
jedoch äußerst schwierig, auf dieser Größenskala definierte Strukturen gezielt herzustellen.
Aktuelle Entwicklungen aus der Nanotechnologie und den Materialwissenschaften bieten
hier hochinteressante Perspektiven.

Heterogene Katalysatoren sind komplexe Materialien

Trotz ihres stattlichen Alters – erste wissenschaftliche Konzepte und industrielle Anwendungen stammen bereits aus dem 19. Jahrhundert – ist die heterogene Katalyse kein alter Hut. Sie ist ganz im Gegenteil eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, denn effiziente Katalysatoren sind der Dreh- und Angelpunkt für die gezielte und kostengünstige Herstellung von Chemikalien und Pharmaprodukten. Aber auch in Zukunftsbereichen wie Energiegewinnung und -speicherung (man denke an die Brennstoffzelle) oder Umweltschutz (Abgaskatalyse) spielen sie eine zentrale Rolle. Die Entwicklung effizienter Katalysatoren ist jedoch immer noch eine große Herausforderung. Ihre Leistungsfähigkeit, die sich an Aktivität und Selektivität für bestimmte Produkte, aber auch an der Langzeitstabilität misst, hängt entscheidend von den strukturellen Gegebenheiten auf der Nanometerskala ab. Darüber hinaus spielen aber auch die Stoff- und Wärmetransporteigenschaften der Gesamtstruktur eine wichtige Rolle. Wie in Abb. 1 dargestellt, müssen ineinander greifende Transport- und Reaktionsprozesse auf mehreren Größenskalen optimiert werden (Reaktor > Pellet > Korn > Pore > Partikel > aktives Zentrum).








Maßgeschneiderte Katalysatoren: Illusion oder Realität?

Bis heute werden heterogene Katalysatoren überwiegend per „trial and error“ entwickelt. Dies liegt daran, dass es mithilfe der traditionellen Herstellungsmethoden einfach sehr schwierig ist, auf der Nanometerskala Strukturen gezielt herzustellen. Im Gegensatz dazu haben sich – angetrieben durch die rasante Entwicklung in den Materialwissenschaften und der Nanotechnologie – mittlerweile viele faszinierende Perspektiven ergeben, Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften bis in den Nanometerbereich hinein zu synthetisieren. Dieses Potenzial ist für die Katalyse noch weitgehend ungenutzt. Hier sind noch „viele Schätze zu heben“! Zwei Entwicklungen sollen dies illustrieren.

1. Vom Raney-Nickel zum nanoporösen Gold: Metallschwämme

Obwohl poröse Metalle schon lange katalytisch genutzt werden (z. B. in Form von Raney-Nickel), ist erst seit Kurzem bekannt, wie man für Metalle wie Au oder Pt offenporige, monolithische Schwämme mit maßgeschneiderten Porenstrukturen im Bereich von einigen nm bis einigen 100 nm herstellt [1]. Nanoporöses Gold (npAu) wurde in unserem Labor erstmals katalytisch untersucht [2]. Gold hat sich seit den ersten Arbeiten von Haruta und anderen vor rund 20 Jahren als katalytisches Multitalent herausgestellt [3]. Einerseits besitzt es die Fähigkeit, Reaktionen bei vergleichsweise tiefen Temperaturen zu katalysieren, andererseits lassen sich sehr gute Selektivitäten z. B. für partielle Oxidationen erzielen. Die CO-Oxidation ist ein Beispiel für eine Reaktion, die an npAu bereits bei Raumtemperatur und darunter abläuft. Für diese Reaktion werden auf Pt oder Pd demgegenüber Temperaturen von 150 °C – 200 °C benötigt. NpAu ist damit interessant z. B. für die Abgaskatalyse oder die katalytische Entfernung von CO in der Brennstoffzelle. Obwohl es ohne den bislang in der Goldkatalyse für essentiell gehaltenen Kontakt mit einer oxidischen Komponente auskommt [3], zeigt npAu für die CO-Oxidation sehr hohe Aktivitäten [2]. Darüber hinaus bietet es aufgrund der definierten Porenstruktur, wie in Abb. 2 gezeigt, zusätzlich die Möglichkeit, den Stofftransport (= Porendiffusion) gezielt einzustellen. Bei vielen anderen Katalysatorsystemen ist dies häufig nicht möglich. Ein schönes Beispiel für das hohe Maß an Selektivität, das sich mit npAu erreichen lässt, ist die oxidative Dehydrierung vonMethanol, die im Temperaturbereich von 20 °C – 80 °C in sehr guten Ausbeuten Methylformiat liefert. Bemerkenswert ist für das strukturell gut definierte Material die Vorhersagbarkeit der zugrunde liegenden Oberflächenreaktion auf der Basis von Ultrahochvakuum- Modellstudien an Einkristallen. Auch unter diesem Blickwinkel kann npAu also als „berechenbarer“ Katalysator gelten.

2. Zwerge mit großem Potenzial: Kolloidale Nanopartikel

Trägerkatalysatoren spielen in der heterogenen Katalyse eine große Rolle [4]. Hier befindet sich das katalytisch aktive Material, (vielfach ein Metall) fein verteilt auf einem porösen Träger. Die traditionellen Herstellungsverfahren für Trägerkatalysatoren, wie Tränkung oder Fällung mit anschließender Kalzinierung und ggf. Reduktion etc., bieten äußerst wenig Strukturkontrolle. Im Falle bimetallischer Systeme, die ein großes Potenzial zum „Feintuning“ katalytischer Eigenschaften bieten, ist die kontrollierte Synthese im Hinblick auf Zusammensetzung und Aufbau( Legierung vs. Schichtwachstum des einen Metalls auf dem anderen) ebenfalls sehr schwierig. Demgegenüber hat die Kolloidchemie in den letzten Jahren beeindruckende Methoden, entwickelt durch die genau diese Parameter schon bei der Synthese der Nanopartikel kontrolliert werden können [3]. Die Herausforderung besteht hier, aus diesen Systemen geträgerte, aktive Katalysatoren herzustellen.

Zwei Bereiche kommen zusammen: Kolloidchemie und Katalyse

Ein vermeintliches Problem beim Einsatz von kolloidalen Nanopartikeln in der heterogenen Katalyse ist die Hülle aus stabilisierenden Liganden, die die Partikel häufig nach der Synthese umgibt [3]. Dies muss jedoch nicht der Fall sein! Untersuchungen aus unserem Labor an NiPt-Partikeln auf verschiedenen Trägern zeigten (Abb. 3), dass die Systeme auch direkt ohne thermische Nachbehandlungsschritte eingesetzt werden können [5]. Es stellte sich heraus, dass die Ligandenhülle sogar sehr nützlich sein kann, z. B. in der CO-Oxidation als Schutz der Partikeloberflächen vor zu Aktivitätsverlusten führender Oxidation. Überraschenderweise war dieser Effekt stark vom Trägermaterial abhängig (Abb. 3). Dies konnte auf eine teilweise „Entkleidung“ der Partikel durch Spill-over-Prozesse (Übertragung von Ligandenmolekülen auf die Trägeroberfläche) zurückgeführt werden, deren Ausmaß von der Oberflächenchemie des Trägermaterials abhängt [5].












Ausblick

Durch Zusammenführung sich ergänzender Expertisen aus den Bereichen Materialsynthese, Charakterisierung, Verfahrenstechnik und Katalyse ergeben sich ungeahnte und faszinierende Möglichkeiten, neue Katalysatorsysteme für verschiedene Anwendungen zu entwickeln. Einige interessante Beispiele sind in Abb. 4 zusammengestellt.












Danksagung

Die Autoren profitieren von einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem Lawrence Livermore National Lab (USA), Prof. G. Grathwohl (Keramische Werkstoffe, Universität Bremen), Prof. S. Bent ( Stanford University), Prof. H. Weller (Universität Hamburg), IFAM (Bremen), Prof. C.M. Friend ( Harvard University).

Fotos: © Prof. Dr. Marcus Bäumer

Literatur

[1] Erlebacher et al. (2001) Nature, 410, 450
[2] Zielasek et al. (2006) Angew. Chem. Int. Ed. 45, 8241
[3] D. Astruc (Ed.), Nanoparticles in Catalysis, Wiley 2008
[4] J.A. Anderson & M.F. Gracía, Supported Metals in Catalysis,
Imperial College Press 2005
[5] B. Jürgens et al. (2008) Angew. Chem. Int. Ed. 47, 8946
[6] Y. Borchert et al. (2008) J. Phys. Chem. C 112, 3054
[7] A. Wittstock et al., in Vorbereitung
[8] B. Jürgens et al., in Vorbereitung
[9] J. King et al. (2008) Nano Lett. 8, 2405
[10] M. Wilhelm et al. (2008) Adv. Eng. Mat. 10, 241
>> mbaeumer@uni-bremen.de

Stichwörter:
Katalyse

L&M 2 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2009.
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