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Akustik in Laborräumen

Klangbeispiele

Dr.-Ing. Philip Leistner, Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP), Stuttgart

Am liebsten berichten Akustiker eigentlich über ihre eigenen Labors. Deren Vielfalt ist genauso beachtlich wie der Aufwand zu ihrer Errichtung und Ausstattung.

Als Beispiel seien zwei Arten von Akustiklabors genannt, wie sie in ihrer hörbaren Erscheinungsform nicht unterschiedlicher sein können: Der Hallraum mit dem Nachhall einer riesigen, leeren Kathedrale und der umgangssprachlich „schalltot“ genannte, aber tatsächlich nur schallreflexionsarme Raum, dessen Höreindruck im Vergleich mit realen Situationen gar nicht vermittelbar ist (Abb.1). Diese beiden Laborräume markieren gleichsam die Endpunkte einer Skala für akustische Raumeigenschaften. Ein wesentlicher Unterschied zu fast allen anderen Laborräumen besteht darin, dass sich die Nutzer von Akustiklabors zumeist außerhalb der Räume befinden.

Warum Akustik?

Allein die Präsenz von Menschen in Räumen von Gebäuden ist es jedoch, die akustische Ansprüche begründet. Darin unterscheidet sich die Akustik von anderen Kriterien, wie Brandschutz, Wärme- und Feuchteschutz, die zusätzlich zur Substanzerhaltung und Energieeinsparung erforderlich sind. Der Bedarf an Akustik lässt sich „nur mit menschlichen Argumenten“ begründen, wie Gesundheit, Wohlbefinden oder Behaglichkeit. Zugleich kostet die Schaffung akustischer Raum- und Gebäudeeigenschaften Geld, mitunter sogar viel Geld, deren Rentabilität nicht nur bei Laborräumen selbstverständlich hinterfragt wird. Die Frage „Warum Akustik in Laborräumen?“ sollte also vor der Frage „Welche Akustik in Laborräumen und wie?“ beantwortet werden. Bei der Aufzählung der (auralen) Schallwirkungen gilt der erste Gedanke meist den akuten und chronischen Hörschäden, von denen auch in der Tat eine erschreckend hohe Zahl von Menschen betroffen ist. Historisch liegen hier die Wurzeln für akustische Reglementierungen, da dies frühere Arbeitsplätze bitter nötig hatten. Dies gilt offenbar auch heute noch, wie die neuen Europäischen Reglements [1] zeigen. Allerdings stellt die Zahl weniger lärmbelasteter Arbeitsplätze in Büros, Labors, Klassenzimmern usw. mittlerweile die Mehrheit dar. Der Tradition folgend wurde auch hier zunächst der Grenzwert- Gedanke etabliert. Für vorwiegend geistige Tätigkeit gab es den Zielwert (Beurteilungspegel) von 55 dBA, wie ihn die ehemalige Arbeitsstättenrichtlinie forderte. In der Neufassung der Richtlinie fiel er weg und hinterließ sicher einige Verunsicherte. Aktuell wird für diese Räume eine Betrachtungsweise verfolgt, die sich an einer anderen Kategorie orientiert, an der Leistungsfähigkeit der Menschen in Räumen. Hemmen also Laborräume mit ungeeigneter Akustik die an sich mögliche Leistung der Nutzer? Die Hypothese heißt: Ja, ob bei kreativer, konzentrierter oder kommunikativer Tätigkeit, das Schwimmen „gegen eine akustisch störende Strömung“ beeinträchtigt Leistungsfähigkeit und Produktivität. Als überzeugendes und nachgewiesenes Beispiel im Bürobereich lässt sich die Bilanz in Call Centern zahlenmäßig mit der dortigen Raumakustik korrelieren. Auch in Unterrichtsräumen konnte eine klare Abhängigkeit der kognitiven Leistungen von Schülern zur bau- und raumakustischen Umgebung festgestellt werden [2]. Die Leistungsfähigkeit wurde dabei nicht etwa mit Fragebögen á la „Wie fühlt ihr euch?“ oder „Stört euch etwas im Raum?“ bestimmt, sondern mit maßgeschneiderten, kognitionspsychologischen Leistungstests. Auch wenn hier noch vereinzelt Instrumente und Methoden fehlen, so hat sich doch herausgestellt, dass eine Art kognitive Ergonomie sehr eng mit den akustischen Raum- und Gebäudeeigenschaften verknüpft ist. Genauso wie für die selbstverständlich ergonomisch gestalteten Arbeitsmittel gilt es, die Arbeitsräume zu gestalten. Die so begründeten Gestaltungsregeln, und damit nähert man sich der der Frage „Welche Akustik in Laborräumen und wie?“, führen zu vermeintlichen Überraschungen. So ist der bloße Schallpegel (Summenpegel) als Maß für die akustische Qualität von Arbeitsräumen keinesfalls ausreichend. Ein leises, gerade noch hörbares Geräusch kann die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, wenn es Informationen (Sprache, Signale) in sich birgt [3]. Die nachts im dunklen Schlafzimmer surrende Stechmücke mag ein einprägsames Beispiel sein. Schallwirkung und Raumnutzung definieren also die akustischen Ansprüche, auf die es zu reagieren gilt.

Welche Akustik?

Abb 2Raumakustische und bauakustische Einflüsse auf die Qualität von Räumen in Gebäuden (1 – Nachhallzeit, 2 – Schallschutz
von Wänden etc., 3 – Trittschallschutz von Decken, 4 – Schallschutz von Außenbauteilen, 5 – Geräusche von haustechnischen Anlagen).

Die in Laborräumen zu beachtenden akustischen Aspekte lassen sich wie folgt aufgliedern, obgleich letztlich nur eine Gesamtbetrachtung und -behandlung zu wirkungs- und nutzungsbezogenen Lösungen führen kann (Abb. 2). Bauakustik Die Schallübertragung aus dem Gebäude und von Außen wird durch die „klassischen“ Schallschutzwerte repräsentiert. In der zugrunde liegenden Norm DIN 4109 finden sich Anforderungen für Laborräume unter dem Stichwort „sonstige Arbeitsräume“. Dieser Schallschutzaspekt zielt eindeutig auf geringe Stör- bzw. Fremdgeräusche. Besondere Themen wie Vertraulichkeit, Geheimhaltung oder gar Lauschabwehr werden dagegen nicht berücksichtigt. Trotzdem sind viele, viele Details zu beachten und im Kontext der anderen bauphysikalischen Schutzfunktionen des Gebäudes umzusetzen. Da in der DIN 4109 (im Beiblatt 1) jedoch auch eine erhebliche Anzahl konstruktiver Lösungen beschrieben ist und der Stand der Technik noch mehr Lösungen bereithält, soll dies hier nicht weiter vertieft werden.

Technischer Schallschutz

Diese Teildisziplin befasst sich mit der Reduzierung von Schall durch jegliche Art von technischen Anlagen und Geräten im Raum und im Gebäude. Ein großer Teil der haustechnischen Anlagen (Heizung, Lüftung, Klima, Installationen, Aufzüge usw.) wird zwar auch in der o.g. DIN 4109 reglementiert, aber die Mittel zur Geräuschminderung gehen zum Teil deutlich weiter. Gerade in Laborräumen kann die Problematik technischer Lärmquellen zur dominierenden Herausforderung werden. Nicht nur die „Dauerbeschallung“ infolge intensiver Lüftung der Räume und Geräte, sondern auch vielerlei fluktuierende und intermittierende Geräusche unterschiedlicher Charakteristik können sich zu einer unerträglichen Dosis aufsummieren. Während die mit dem Gebäude verbundenen (immobilen) Schallerzeuger an sich niedrige Pegelwerte von heutzutage 30 dBA einhalten müssen, kann beim (mobilen) technischen Interieur derzeit wohl nur der klar artikulierte Leidensdruck für mehr akustischen Wettbewerb sorgen. Da die lauteste Schallquelle den resultierenden Gesamtpegel im Raum maßgeblich bestimmt, besteht hier sicher ein erheblicher technischer Nachholbedarf.

Raumakustik

Die Möglichkeiten der kaum reglementierten Raumakustik werden häufig sowohl über- als auch unterschätzt. Ist der Lärm erst einmal im Raum angekommen, können selbst aufwändige raumakustische Maßnahmen physikalisch bedingt nur noch einen begrenzten Beitrag zur Minderung leisten. Umgekehrt gilt, dass eine vernachlässigte Raumakustik einerseits diesen Lärmeintrag nochmals kräftig verstärken kann. Andererseits verstärkt sie aber auch den Schall, der erst im Raum entsteht, wie durch die erwähnte technische Ausstattung und natürlich durch den Sprachschall der Nutzer. Auch die Raumakustik kann in Laborräumen zu spezifischem Lösungsbedarf führen. Zwar mögen hier die architektonischen und ergonomischen Gestaltungsvorgaben weniger kompromisslos sein als in Büros oder anderen Räumen. Dafür kollidieren konventionelle Schallabsorber an Wand oder Decke z. B. mit hygienischen Anforderungen an reinigbare Oberflächen. In offenen Laborraumstrukturen kann sich aber noch eine andere Problematik ergeben als nur die Geräuschpegelminderung. Ausreichend eingebrachte effiziente Schallabsorber ermöglichen ja geringe Nachhallzeiten (raumakustischer Parameter für den Zeitraum des Nachklingens von Schallereignissen). Bleibt unter diesen Bedingungen eine gegenseitige Abschirmung der Arbeitsplätze aus, wirkt sich die hohe Raumbedämpfung fatal aus: Die Störpegel im Betrieb liegen dann zwar auf niedrigem Niveau, zugleich wird aber die Sprachverständlichkeit erhöht. Das Problem verlagert sich vom Lärm zu verständlichen Gesprächen, die zwangsläufig mitgehört werden müssen. Auch darunter leidet die kognitive Leistungsfähigkeit. Beschwerden von Mitarbeitern in hoch bedämpften Büros mit schlechter Abschirmung richten sich folglich gegen die mangelhaften Möglichkeiten sich zu konzentrieren! Raumbedämpfung muss deshalb mit einer wirkungsvollen Schallschirmung einhergehen. Mit Blick auf die Gesamtbetrachtung lässt sich also feststellen, dass die Wechselwirkungen der akustischen Effekte untereinander und ihre Verknüpfungen mit den sonstigen baulichen, technischen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen sehr komplex sind und daher integraler technischer Lösungen bedürfen [4]. Eine Investition, die sich lohnt!

Foto: © Dr.-Ing. Philip Leistner

Literatur
[1] Richtlinie 2003/10/EG über Mindestvorschriften zum
Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer
vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen
(Lärm), Februar 2003.
[2] Projektforum Schulakustik - Lärm in der schulischen
Umwelt und kognitive Leistungen bei Grundschulkindern.
Tagungs-CD, 2006, Stuttgart.
[2] Schlittmeier, S., Hellbrück, J.: Impact of office noise,
irrelevant
speech and music on short-term memory
performance. Fortschritte der Akustik - CFA/DAGA’04
(CD-ROM). Straßburg, Frankreich.
[4] Leistner, P.: Akustik-Technologie für anspruchsvolle
Räume. WKSB (2006) 57.

L&M 1 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2009.
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