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Stellungnahme zum Artikel von Prof. Dr. Werner Kasig in labor&more 2/2010

Meinung

Prof. Dr. Arne Körtzinger Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), Kiel

In der wichtigen Klimadebatte melden sich viele zu Wort. Dabei ist die Diskussion in Medien und Öffentlichkeit leider nicht immer von Fachkenntnis und Sachlichkeit geprägt. Gerade dieses ist jedoch gefordert, um mit einem wissenschaftlich derart komplexen, sozioökonomisch relevanten und nicht zuletzt emotionalen Thema adäquat umzugehen. Der dazu in Heft 2/2010 von „labor&more“ erschienene Artikel von Herrn Prof. Dr. Werner Kasig ist in dieser Hinsicht ein echtes Negativbeispiel, da in fahrlässiger oder vielleicht sogar mutwilliger Weise gesicherter wissenschaftlicher Kenntnisstand unterschlagen bzw. verzerrt dargestellt wird. Der Artikel lässt wichtige Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis ver missen und ist in der öffentlichen Klimadiskussion nicht hilfreich. Viele Aussagen des Artikels sind haltlos und bedürfen einer Richtigstellung. Da ich in dem betreffenden Heft ebenfalls einen thematisch eng verwandten Artikel veröffentlicht habe, fühle ich mich aufgerufen, einige dieser Aussagen hier exemplarisch aufzugreifen und zu falsifizieren:

„CO2 ist weder ein Treibhausgas noch klimaschädlich („Klimakiller“) im globalen Maßstab.“

Es ist seit Jahrzehnten eine gesicherte und wissenschaftlich unbestrittene Erkenntnis, dass der natürliche Treibhauseffekt – vor allem durch Wasserdampf und CO2 – für eine um etwa 33 °C höhere mittlere Temperatur auf unserem Planeten sorgt (und somit in der Tat für seine Lebensfreundlichkeit). Für das Gegenteil einen wissenschaftlichen Geisterfahrer wie Thüne zu zitieren, der keine einzige Publikation in der anerkannten, international begutachteten Fachliteratur vorweisen kann, und dabei die breite und hart fundierte weltweite Fachliteratur komplett zu unterschlagen, entlarvt diese Aussage eher als politische Willensbekräftigung denn als
ernst zu nehmendes Statement.

„Die geringen Variationen des CO2-Anteils in der Luft (dritte Stelle hinter dem Komma) sind völlig normal.“

Eine derartige Aussage ist inhaltsleer ohne die Angabe einer Einheit und konkreter Zahlen sowie der Erklärung, was unter „normal“ zu verstehen ist. Tatsächlich ist der atmosphärische CO2-Gehalt von einer vorindustriellen Konzentration von etwa 280 ppmv (Volumenanteil in Millionsteln) auf gegenwärtig knapp 390 ppmv angestiegen, also um nahezu 40 %. Eine solche Angabe ist sicherlich klarer als eine diffuse Aussage über Nachkommastellen einer ungenannten Einheit. Derartig hohe CO2Konzenrationen haben wir auf unserem Planeten im übrigen nach heutigen Wissen zuletzt vor über 20 Millionen Jahren gehabt. In den letzten 800.000 Jahren, von denen wir aufgrund der in den Luftbläschen polarer Eiskappen archivierten Luft ein sehr genaues Bild haben, schwankt die atmosphärische CO2-Konzentration zwischen einem eiszeitlichen Minimum von etwa 180 ppmv und einem warmzeitlichen Maximum von 260–280 ppmv. Dieses gilt auch für die gegenwärtige, seit etwa 12.000 Jahren herrschende Warmzeit (Holozän) – jedenfalls bis zum Einsetzen der industriellen Revolution...

„Die als Beweis immer wieder angeführte Hawaii-Kurve kann nicht ernsthaft gewertet werden, da sie aus einem Gebiet mit aktivem Vulkanismus stammt. Dort erfolgen ständig CO2-Austritte, besonders am Meeresboden.“

Eine weitere Aussage aus der Kategorie „grober Unfug“. Die Atmosphärenstation auf dem Mauna Loa, der in der Tat ein Vulkan ist, liegt auf 3400 m Höhe und damit weit oberhalb der planet aren Grenzschicht in der freien Troposphäre. Etwaige lokale CO2-Quellen können daher nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit zu einer (vorübergehenden) Beeinflussung der Messungen führen. Über eine sorgfältige Analyse der meteorologischen Begleitparameter der CO2-Messungen können und werden solche fraglichen Zeiträume im übrigen erkannt und aus den weiteren Betrachtungen ausgeschlossen. Seriös wäre in diesem Zusammenhang die Erwähnung gewesen, dass an Dutzenden von Beobachtungsstationen weltweit – von der Antarktis über alle Klimaregionen, sowie an Land und auf See, bis in die Arktis – ein praktisch identischer CO2-Anstieg wie auf dem Mauna Loa zu beobachten ist. Es handelt sich also ohne jeden Zweifel um ein globales Phänomen, und die Diskussion über den Einfluss vulkanischer Gasemissionen auf dem Mauna Loa führt (bewusst) an dieser Tatsache vorbei.

„Dazu kommt noch die Tatsache, dass CO2 spezifisch deutlich schwerer als Luft ist und deshalb nur eine geringe
Verweildauer in dieser besitzt.“

Die Turbulenz der Atmospäre (welche der Autor wenige Sätze zuvor für die ebenfalls unbegründete Aussage bemüht, dass sie eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs prinzipiell unmöglich mache) ist so groß, dass ein Heraussinken schwerer Gase nicht stattfinden kann. Die Verweilzeit von Gasen in der Atmosphäre wird vielmehr von den Quellen und Senken und der Größe des atmosphärischen Reservoirs dieser Gase bestimmt. Tatsächlich ist die Verweilzeit von anthropogenem CO2 in der Atmosphäre nicht ganz einfach zu bestimmen, liegt aber im Kern im Bereich von einigen Jahrhunderten (ein nicht unerheblicher Anteil sogar bei Jahrtausenden). „Herausrieseln“ kann das CO2 jedenfalls nicht.

„Es wurde darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige CO2- und Klimahysterie sachlich unbegründet ist, da der natürliche globale Klimawandel vom Menschen nicht beeinflusst werden kann.“

Leider wird diese Aussage in keiner Weise durch „gesichertes und nachprüfbares Wissen“ untermauert. Auch wenn die Diskussion in den Medien mitunter in der Tat leicht hysterische Elemente besitzt, so ist doch der Nachweis, dass menschliche Aktivitäten sehr wohl in der Lage sind, das globale Klima signifikant und nachhaltig zu beeinflussen, inzwischen klar geführt (vgl. u.a. letzter Bericht des Weltklimarates und die diesem zugrunde liegende massive Fachliteratur). Das heißt natürlich nicht, dass alle Aspekte der Kausalität und vor allem der tatsächliche anthropogene Anteil der verschiedenen beobachteten Formen des Klimawandels vollkommen verstanden wären. Das Thema ist daher nach wie vor ein höchst aktueller Forschungsgegenstand, aber wir wissen seit mehr als zwei Jahrzehnten, dass das obige Statement nicht mehr haltbar ist.

„So könnte man manche Aussagen von zahlreichen „Klimaexperten“ mit der Aufforderung an die Menschheit vergleichen, weniger zu atmen, um das Klima zu schützen. (...) Die sich rechnerisch ergebenden eingesparten anthropogenen CO2- Emissionen (ausgeatmete Luft) haben selbstverständlich keinen Einfluss auf das globale Klima.“

Mir ist kein echter Klimaexperte bekannt, der eine derartig unsinnige Aufforderung machen würde. In der Tat liegt die CO2-Produktion durch menschliche Atmung bei unter 1 Milliarde Tonnen Kohlenstoff jährlich, was anthropogenen Emissionen durch Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle sowie geänderte Landnutzung in Höhe von gut 9 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – also etwa dem Zehnfachen – gegenüber steht. Das mehr oder weniger umgebremste Wachstum der Weltbevölkerung in Kombination mit steigendem Lebensstandard ist aus der Klimaperspektive ohne Frage beängstigend, so lange die Energieerzeugung weitgehend auf fossilen Brennstoffen beruht. So haben sich im Verlauf des 20. Jahrhundert die anthropogenen CO2- Emissionen aus diesen Quellen mehr als verzwölffacht. Das CO2 aus der menschlichen Atmung ins Spiel zu bringen aber diese anderen anthropogenen Emissionen zu unterschlagen ist ein weiteres Beispiel fahrlässiger oder bewusster Irreführung.

„Ein Pflichtfach „Umweltwissenschaft/Umweltlehre“ muss schnellstens eingerichtet werden. Ein solches Pflichtfach bietet die Chance, sich das fehlende Wissen über die Umwelt (vor allem auch die globale Umwelt) anzueignen und die generelle Einstellung der Menschen gegenüber Natur und Umwelt durch gesichertes und nachprüfbares Wissen entscheidend zu verbessern.“

In der Tat kein schlechter Vorschlag. Leider missachtet Herr Kasig – wie oben in einigen Beispielen dargestellt werden konnte – in fahrlässiger Weise seine eigene, sehr richtige Forderung, das Thema auf „gesichertes und nachprüfbares Wissen“ zu stützen. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es in der Klimaforschung wie in jeder lebendigenWissenschaft viele offene Fragen gibt. Dennoch oder gerade deshalb ist es wichtig, den gesicherten vom weniger sicheren Kenntnisstand zu unterschieden. Trotz gewisser Fehler ist der vom Weltklimarat beschrittene Weg richtig und in seiner substantiellen Qualität und Aussage unerschüttert. Nur entlang einer solchen argumentativen Linie können wir uns dem Thema sachlich-konstruktiv und in einem wissenschaftlich einwandfreien Prozess nähern.

Artikel Prof. Dr. Kasig - Klimawandel: Entwicklung des Lebens auf der Erde

Stichwörter:
Klimawandel, CO2, Prof. Dr. Werner Kasig

L&M 3 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2010.
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