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Krebsforschung - Interview mit PD Dr. Dr. Angelika Riemer

Krebsforschung - Interview mit PD Dr. Dr. Angelika Riemer

Therapeutische Krebsimpfstoffe

Als Prof. Dr. Harald zur Hausen 2008 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, bot Dr. Manfred Lautenschläger spontan an, die wissenschaftliche Arbeit des Nobelpreisträgers durch den Aufbau eines Forschungsteams zu unterstützen. Diese Förderung – eine Million Euro über vier Jahre – kommt nun PD Dr. Dr. Angelika Riemer zugute: Die Nachwuchswissenschaftlerin will im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Entwicklung eines Impfstoffs vorantreiben, der auch bereits bestehende Infektionen mit krebserregenden humanen Papillomviren (HPV) heilen kann.

Sehr geehrte Frau Dr. Dr. Riemer, im Februar dieses Jahres bekamen Sie von Herrn Prof. zur Hausen das Angebot, am DKFZ die Nachwuchsgruppe „Immuntherapie und -prävention“ aufzubauen. Was dachten Sie in diesem Moment und wie ist es dazu gekommen?

Angelika Riemer Im ersten Moment ist mir natürlich schon ein wenig die Luft weggeblieben. Kennen gelernt haben wir uns in Boston an der Harvard Medical School. Das war Mitte 2008, also noch vor dem Nobelpreis. Damals erhielt Prof. zur Hausen den Preis einer Harvard-Stiftung und hielt dazu einen Vortrag. Es besteht nicht oft die Möglichkeit, den Begründer seines Forschungsfeldes persönlich zu sehen, also ging ich natürlich hin. Am Ende des Vortrags war es mir ein Bedürfnis, mich bei ihm vorzustellen. Es war einfach eine Ehre, ihn kennen zu lernen. Bei der nächsten Konferenz unterhielten wir uns ausführlicher über meine Forschungen, da ich an den Grundlagen eines therapeutischen HPV-Impfstoffes arbeite. Daraus hat sich wohl die Einladung zu einem Symposium des DKFZ in Heidelberg im Februar ergeben. Hier erzählte er mir, dass anlässlich des Nobelpreises die Lautenschläger-Stiftung eine Million Euro zur Verfügung gestellt habe, um eine neue Gruppe aufzubauen und er auswählen dürfe, wer diese neue Gruppe leiten soll. Er fragte mich, ob ich daran Interesse hätte.

Welche Ziele hat Ihre im Juli gegründete Nachwuchsgruppe und wie sehen Ihre Forschungsergebnisse bisher aus?

Das große Ziel ist die Entwicklung eines therapeutischen HPV-Impfstoffes. HPV ist ein idealer Testfall für die Entwicklung von Krebsimpfstoffen, weil man bei allen anderen Krebsarten eigentlich immer das Problem hat, dass man sich gegen körpereigene Antigene richten muss. Bei HPV-induzierten Tumoren hat man sozusagen „das Glück“, dass die Tumor-Antigene virale Antigene sind, bei denen es einfacher ist, eine Immunantwort zu induzieren. Aus diesem Grund ist der prophylaktische Impfstoff so erfolgreich, weil er die Infektion verhindern kann. Er hilft aber nur bei Personen, die noch nicht mit dem Virus in Kontakt gekommen sind, daher soll er wenn möglich Kindern gegeben werden. Sitzt der Virus schon in den Zellen, helfen Antikörper nicht, weil sie dort gar nicht hinkommen. Man benötigt in diesem Fall also einen Impfstoff, der eine zelluläre Immunantwort induziert. Unser Ansatz ist, dass wir mittels Massenspektrometrie direkt nachweisen möchten, welche Epitope wirklich auf den Zielzellen vorhanden sind. Dazu wird zuerst eine Immunpräzipitation durchgeführt. Während dieser Immunpräzipitation bleiben die von MHC-Klasse-I (Haupthistokompatibilitätskomplex) präsentierten Peptide noch an das MHC-Molekül gebunden und werden dann eluiert. Parallel wird mittels Computerapplikationen vorhergesagt, welche Peptide an einen gewissen MHC-Typ überhaupt binden können. Diese werden synthetisch hergestellt und Massenspektrometrie- Referenzspektren erstellt. Dann wird mithilfe statistischer Methoden überprüft, ob das Referenzspektrum in dem eluierten Spektrum enthalten ist. Wenn ja, kann man sagen, dieses Peptid ist wirklich auf der Zelloberfläche.

Was wäre dann der nächste Schritt?

Bis jetzt wurden Epitope meistens nur für den häufigsten MHCTyp identifiziert. So ein Impfstoff könnte dann nur Menschen gegeben werden, die genau diesen MHC-Typ haben. Im Hinblick auf einen universell einsetzbaren therapeutischen Impfstoff ist es das Ziel, Epitope für mehrere MHC-Typen, so genannte Supertypen, einzuschließen, die gemeinsam über 95 % der Bevölkerung abdecken. Bis zur Impfstoffformulierung ist es aber noch ein sehr weiter Weg. Das nächste Ziel ist die Epitop-Identifizierung für die verschiedenen MHC-Typen.

Um welche Krebsarten geht es überhaupt bei HPV?

HPV kann verschiedenste Krebsarten auslösen. Meistens wird es in die weibliche Richtung verschoben, das ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit. Natürlich ist Gebärmutterhalskrebs die am häufigsten auftretende Krebsart in puncto HPV. Prinzipiell können aber sämtliche Schleimhäute in diesem Bereich durch HPV infiziert und transformiert werden, also auch im Analbereich – oder es kommt z.B. zu Peniskarzinomen. Was mehr und mehr im Kommen ist, sind Krebsarten im Hals-Nasen-Ohr-(HNO)-Bereich. Vor allem an den Tonsillen kommt es vermehrt zu einer eigenen Subgruppe von HNO-Tumoren, die durch HPV ausgelöst werden. Das betrifft natürlich beide Geschlechter.

Wäre es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, auch Männer zu impfen?

Das wäre absolut sinnvoll, gerade in Richtung Ausmerzung des Virus. Es ist schlicht und einfach eine Preisfrage. Solange der Impfstoff noch so teuer ist, versucht man zurzeit nur die zu schützen, die wahrscheinlich eher eine Erkrankung entwickeln.

Welches Zwischenfazit können Sie über die Rahmenbedingungen am DKFZ nach zwei Monaten ziehen?

Für mich ist es eine enorme Chance und Herausforderung, die ich bestmöglich nutzen möchte. Im Rahmen des DKFZ und in der engen Nähe zu den anderen Institutionen wie z.B. der Uni Heidelberg ist etwas ganz Besonderes spürbar. Es herrscht eine Konzentration von Personen, die von etwas begeistert sind und etwas herausfinden und bewegen wollen. Das macht das Arbeiten hier extrem angenehm und bildet die perfekte Grundlage für erfolgreiches Forschen.

Wir bedanken und für dieses Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft viel Erfolg!

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.dkfz.de/de/immuntherapie-immunpraevention/index.html

L&M 5 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2010.
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