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Nobelpreise 2011

Physik - Wieder am Anfang

Man stelle sich vor: Ein Tennisspieler möchte mit einem Loop seinen Gegenspieler überlisten und rechnet damit, dass der Ball nach einer hohen Flugbahn unerreichbar für den anderen ins Feld gelangt. Doch der Ball scheint den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen. Er fliegt stattdessen mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter himmelwärts. Unvorstellbar! Ein Widerspruch zu den geltenden Gesetzen der Physik! Doch genau dies ist es, was dem Nobelkomitee für Physik in diesem Jahr so preiswürdig erschien.

Das Komitee zeichnete drei Forscher – die beiden US-Amerikaner Saul Perlmutter und Adam Riess sowie Brian Schmidt aus Australien – aus, die aus der Beobachtung von explodierenden Sternen (so genannte Supernovae) unabhängig voneinander herausgefunden hatten, dass das Weltall sich mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt – eine Erkenntnis, die der bisher gültigen Vorstellung, nach der sich das All nach dem Urknall zwar explosionsartig ausdehnt, diese Ausdehnung aber aufgrund der Massenanziehung der Sternsysteme (auf der Erde spürbar als Schwerkraft) ständig langsamer erfolgt, bis irgendwann möglicherweise der Punkt erreicht ist, wo dieser sich Prozess umkehrt und alles wieder mit zunehmender Geschwindigkeit in sich zusammenfällt. Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften teilte in der Laudatio in Stockholm mit: „Sie haben mehrere Dutzend dieser gewaltigen Sternexplosionen untersucht und dadurch unser kosmologisches Wissen erschüttert.“ Die Auszeichnung ist auch in diesem Jahr wieder mit zehn Millionen Kronen (1,1 Mio. Euro) dotiert und wird am 10. Dezember, dem Todestag des 1896 gestorbenen Preisstifters, verliehen. Die eine Hälfte des Preises geht an Perlmutter, die andere teilen sich Schmidt und Riess. Der Durchschnittsbürger ist es gewohnt, dass ihm die Phänomene, für die Physiker mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden, in der Regel wenig sagen. Das ist auch diesmal so. Man weiß also jetzt, dass sich das Weltall mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt. Dass es sich ausdehnt, wusste man schon lange. Diese Entdeckung geht auf den belgischen Priester Georges Lemaître und den US-Astrophysiker Edwin Powell Hubble (nach ihm wurde das Weltraumteleskop benannt, das als Satellit um die Erde kreist) zurück, die in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts aus Spektralverschiebung des Lichts, das von den Sternen kam, folgerten, dass sich das All ausdehnt. So weit, so gut. Aber warum ist die Erkenntnis, dass sich das All mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt, so bahnbrechend?

Die Erklärung ist einfach und auch frustrierend: Nach den heute gültigen Vorstellungen in der Physik gibt es vier Grundkräfte, die unsere Welt zusammenhalten oder zerfallen lassen: die schwache Wechselwirkung oder schwache Kernkraft, die wichtig ist etwa für bestimmte radioaktive Zerfälle und für die stellare Kernfusion (Energielieferant unserer Sonne), die starke Wechselwirkung oder starke Kernkraft – zuständig für die Wechselwirkung zwischen den Nukleonen im Atomkern –, die elektromagnetische Kraft und die Gravitationskraft. Die beiden Letztgenannten sind unserer Erfahrungswelt zugänglich: Jeder, der einmal versucht hat, zwei Magneten einander anzunähern, weiß, dass es fühlbare Anziehung oder Abstoßung gibt. Auch die Gravitation ist uns als Schwerkraft oder Massenanziehung allgegenwärtig. Mit den vier Grundkräften lässt sich die beschleunigte Ausdehnung des Alls nicht erklären. Man braucht dafür eine zusätzliche Kraft oder – was äquivalent ist – eine neue Energieform. Die Preisträger haben mit ihren Entdeckungen nachgewiesen, dass es diese Energie geben muss, doch – und das ist das Frustrierende – bislang weiß niemand, um was es sich dabei handelt. Man hat sie deswegen dunkle Energie genannt. Sie macht nach heutigen Einschätzungen den größten Teil – etwa 70 % – des heutigen Universums aus und wirkt der Gravitationskraft entgegen, die alle Materie des Alls zueinander hinziehen würde.

Mit der Vorstellung über unser Universum stehen wir wieder an einem Anfang.

Foto: © Prof. Dr. Jürgen Brickmann

L&M 6 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2011.
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