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L&M-6-2010 > NMR macht mobil

NMR macht mobil

Weg vom Großlabor und hin zum Arbeitsplatz

NMR oder nuclear magnetic resonance ist ein in Chemie und Medizin geschätztes Verfahren, weil allein mit Magnetfeldern und sanften Hochfrequenzwellen chemische Strukturen im Probenröhrchen und Schnittbilder durch Patienten zerstörungsfrei gemessen werden können. Doch die Magnete sind groß, teuer im Unterhalt und müssen in Speziallabors geschützt werden.

An NMR für unterwegs, am Arbeitsplatz und unter dem Abzug war bis vor Kurzem nicht zu denken. Allein die Ölindustrie setzt einfache und robuste NMR-Geräte an der Quelle zur Inspektion von Bohrlöchern unter Tage ein, um die poröse Bohrlochwand auf ihren Gehalt an Öl, Wasser und Gas zu inspizieren. Diese ersten transportablen NMR-Geräte haben sich mit der Zeit zu leistungsfähigen, mobilen Tischgeräten gemausert, mit denen verschiedenartigste Messungen auch vor Ort und unterwegs möglich sind.

Was verbirgt sich dahinter?

Hinter den drei Buchstaben NMR verbirgt sich je nach Nutzer ein ganz anderes Einsatzgebiet. Der Chemiker meint mit NMR sein liebstes Verfahren zur Identifikation chemischer Strukturen. Der Mediziner verbindet damit Kernspintomografie, mit der Schnittbilder zur Diagnose von Weichteilerkrankungen in Kopf und Gelenken erzeugt werden und der Geophysiker sieht in der NMR eine Methode zur Charakterisierung von Porenstruktur und hydraulischer Leitfähigkeit geophysikalischer Formationen. Alle drei Bereiche sind wirtschaftlich von großer Bedeutung, wenn auch unterschiedlich bekannt. Jeder Bereich verwendet seine eigene Messmethodik und dementsprechend etwas andere NMRGeräte. In der Geophysik, aber auch zur Lebensmittelanalytik und Materialprüfung werden NMR-Relaxationszeiten und Relaxationszeitverteilungen bestimmt, aus denen die NMR-Kenngrößen abgeleitet werden, die mit unterschiedlichen Materialeigenschaften wie Feuchtegehalt, Porenstruktur und Vernetzungsdichte korrelieren. Die hierfür benötigten Magnete sind einfach und müssen keine besonders homogenen Magnetfelder erzeugen. Deshalb kann man solche Apparaturen sogar in das Gestänge beim Bohren nach Erdöl einbauen, um beim Bohren zu entscheiden, in welcher Richtung es weitergeht. Die Magnete für Kernspintomografie müssen Felder erzeugen, die sich linear mit über die Ausdehnung des Objektes ändern, um Bilder zu erzeugen und die Felder von Magneten für NMR-Spektroskopie müssen extrem homogen sein, um auch kleine Unterschiede in der chemischen Verschiebung auflösen zu können.
Die konventionellen Kernspintomografen und NMR-Spektrometer verwenden supraleitende Magnete mit starken Magnetfeldern, um hohe Empfindlichkeit zu gewinnen.
Die Magnete sind groß und schwer und werden in Speziallabors aufgestellt. Hierbei befindet sich die zu untersuchende Probe im Innern des Magneten. Bohrlochsonden werden dagegen zum Bohrloch transportiert und in das Objekt eingeführt. Mit ihnen wird das NMR-Signal im Streufeld außerhalb des Magneten gemessen. Dieses Messprinzip wird auch bei der NMR-MOUSE® (MObile Universal Surface Explorer) verwendet, eine verkleinerte Bohrlochsonde, auf die das zu untersuchende Objekt aufgelegt wird. Bei Verwendung eines solchen unilateralen Sensors kann das Untersuchungsobjekt beliebig groß sein, sodass die Messung zerstörungsfrei durchgeführt werden kann. Die NMRMOUSE ® wird gerade deshalb auch für die Untersuchung von Kunstgegenständen eingesetzt. Der gängigen Vorstellung zuwiderlaufend kann das Streufeld von unilateralen NMR-Magneten lokal mit großer Genauigkeit geformt werden. Der offene Kernspintomograf zeigt einen linearen Magnetfeldverlauf und eignet sich für die Aufnahme von Bildern unterhalb der Objektoberfläche. Mit dem offenen NMR-Spektrometer können NMR-Spektren im lokal sehr homogenen Streufeld zur chemischen Analyse einer Lösung in einem Becherglas auf dem Magneten gemessen werden. Mit solchen Sensoren wird man eines Tages den Verlauf einer chemischen Reaktion durch das Inspektionsfenster des Reaktors verfolgen können.

Bei der Entwicklung der Streufeldsensoren hatte man gelernt, wie man Magnetfelder homogen gestalten kann. Diese Kunst konnte unlängst soweit gesteigert werden, dass durch geschickte Anordnung mehrerer Permanentmagnete ein Magnetfeld im Inneren erreicht wird, dessen Homogenität die Feldhomogenität einzelner Magnete aus granularem Sintermaterial um mehrere Größenordnungen übertrifft. Aufbauend auf dem ursprünglich von Klaus Halbach entwickelten Magnetprinzip können inzwischen Minimagnete gebaut werden, bei denen das Verhältnis von homogenem Probenvolumen zu Magnetvolumen um ein Vielfaches besser als bei den starken supraleitenden Magneten ist. Damit existiert nunmehr eine Schlüsseltechnologie zum Bau von NMR-Tischgeräten für Relaxometrie, Imaging und Spektroskopie, sodass NMR-Geräte heute vor Ort im Gewächshaus, in der Tierhaltung oder unter dem chemischen Abzug eingesetzt werden können. Schon sind auch die ersten NMR-Reader in Entwicklung, mit denen in naher Zukunft z. B. Antikörper über ihre spezifische Bindung an funktionalisierte, ferromagnetische Nanopartikel quantitativ nachgewiesen werden können. Der Weg zum personalisierten NMR-Gerät in Handy-Größe ist bereits vorgezeichnet. Je nach Feldhomogenität werden kleine Halbachmagnete in allen drei großen Bereichen der NMR eingesetzt. So als Scanner für Bohrkerne oder Bodenproben, um Feuchtegehalt und Porenstruktur über so genannte Verteilungen von Relaxationszeiten zu studieren.
Ähnlich den Frequenzverteilungen in NMR-Spektren, aus denen die chemische Verschiebung und damit die molekulare Struktur abgelesen wird, zeigen Relaxationszeitverteilungen mehrere Peaks, die unterschiedlichen Relaxationszentren entsprechen, z. B. verschiedenen Porengrößen in wassergesättigten Böden. Auskunft über die Porenstruktur können dann 2D- Relaxationsaustauschverteilungen für verschiedene Austauschzeiten tm erbringen. Solche Frequenzverteilungen können mit einfachen Halbach-Magneten ohne hohe Anforderungen an die Feldhomogenität gemessen werden. Für Tomografie und Spektroskopie ist wesentlich bessere Homogenität gefordert. So ist die Homogenität des Tischtomografen so ausgezeichnet, dass nicht nur hochwertige Bilder von Mäusen, sondern auch Spektren aus großen Volumina für Bildgebung mit spektroskopischer Auflösung gemessen werden können. Der wohl bekannteste mobile NMR-Sensor ist die NMR-MOUSE®. Das ist ein Streufeldsensor, der NMR-Relaxationssignale aus einer vor der Sensoroberfläche liegenden planaren Schicht misst. Zur Veränderung des Abstandes zwischen Sensor und Objekt kann die Schichtstruktur von Objekten aufgelöst werden, so zum Beispiel der Feuchtegehalt eines Wasser gesättigten, porösen Dieselrußfilters. Aus dem NMR-Tiefenprofilen lassen sich nicht nur die Porosität bestimmen, sondern auch die Dichteunterschiede in den Wänden zwischen den Kammern im Filter. Solche NMR-Messungen sind informativer, umweltfreundlicher und schneller als die hierfür bisher eingesetzte Quecksilberporosimetrie. Andere Anwendungen der NMR-MOUSE® betreffen z. B. die Charakterisierung der Alterung von Kunststoffrohren und die zerstörungsfreie Untersuchung von Gemälden alter Meister. Mit der Miniaturisierung wird NMR nicht nur preiswerter, sondern es eröffnet sich auch eine Vielzahl neuer
Anwendungen.

bb@mc.rwth-aachen.de

L&M 6 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2010.
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