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L&M-2-2008 > Stammzellen in der Regenerativen Medizin

Stammzellen in der Regenerativen Medizin

Wir brauchen Sie alle

Petra Stojkovic und Prof. Dr. Miodrag Stojkovic,
Forschungszentrum Prinz Felipe, Valencia, Spanien

Die adulte Stammzellforschung begann vor fast 50 Jahren mit der Entdeckung von Kolonieformenden Zellen aus der Milz. Die ersten humanen embryonalen Stammzellen(hESC) wurden dagegen erst vor 10 Jahren von James Thomson in Wisconsin/USA isoliert und sind damit eines der jüngsten Mitglieder im Stammzellbereich, abgesehen von reprogrammierten Hautzellen, die gerade mal wenige Monate alt sind. Nach so relativ kurzer Zeit lässt sich schwer eine gültige Aussage treffen, ob man auf eine Art verzichten kann. Bis jetzt hat sich herausgestellt, dass alle ihre Vor- und Nachteilehaben und es muss von Fall zu Fall entschieden werden, welche Stammzellen für welchen Einsatz sinnvoll sind.

Das Potenzial von Stammzellen ist sehr vielversprechend und sie werden sowohl in der heutigen Transplantationsmedizin als auch in der Arzneimittelforschung schon teilweiseangewendet [1]. Man unterscheidet adulte, fötale und embryonale Stammzellen. Adulte Stammzellen, z. B. aus dem Gehirn, Herzen oder Knochenmark sind omni- bis multipotent, das heißt, sie haben nur wenige und begrenzte Möglichkeiten zu differenzieren. Gleiches gilt für fötale Stammzellen, die aus abgetriebenen Föten gewonnen werden. Beide werden schon heute in der modernen Regenerativen Medizin eingesetzt, z. B. Knochenmarkstammzellen bei Herzinfarkt oder Blutkrankheiten oder fötale neuronale Zellen bei Parkinson Krankheit. Allerdings ist dies umstritten, so weiß man z. B. nicht, ob Zellen des Knochenmarks tatsächlich zu funktionierenden Herzmuskelzellen differenzieren. Auch die Transplantation von fötalem Gewebe bei Parkinson Patienten ist mit einigen Nebenwirkungen, z.B. Hypermotorik verbunden.

Abb. 1: Undifferenzierte (a) und differenzierte (b, c) menschliche embryonale Stammzellen. Menschliche neuronale Zellen differenziert und kultiviert unter definierten In-vitro-Bedingungen (Grün: beta III Tubulin; Rot: Nestin).


Am umstrittensten sind die embryonalen Stammzellen (hESC; Abb. 1a), nicht wegen ihres Potenzials, sie sind pluripotent und damit fähig in etwa 220 verschiedene Zelltypen zu differenzieren, sondern, weil sie aus frühen, überzähligen Embryonen gewonnen werden. Diese Embryonen sind kleine Zellhaufen von 30–60 Zellen, die nur bis zu 6 Tage alt sind und auf der ganzen Welt in Reproduktionskliniken zu Tausenden täglich vernichtet werden. Isoliert man jedoch am Tag 4–6 Stammzellen aus dem Morula- oder Blastozystenstadium, können diese Zellen unendlich im Labor kultiviert und differenziert werden [2]. Neuere Studien beschreiben auch Stammzelllinien,die aus arretierten Embryonen und sogar aus einzelnen Zellen (Blastomeren) entstanden sind [3, 4]. Anfangsbenötigte man zur Isolierung tierische Produkte, weswegen diese Zellen verunreinigt und damit ungeeignet für die Transplantation sind. Zu diesen Zelllinien gehören alle diejenigen, die unter die momentan gültige Stichtagsregelung in Deutschland fallen (Zelllinien, die vor dem 1. Januar 2002 im Ausland gewonnen wurden).
In der Literatur ist am häufigsten die Differenzierung von hESC in neuronale und Herzmuskelzellen beschrieben. Es gibt mittlerweile effiziente Protokolle, neuronale Vorläuferzellen zu differenzieren, die dann weiter in Motoneuronen, dopaminproduzierende Neuronen, Oligodendrozyten oder Astrozyten ausdifferenziert werden [5].Diese Zellen haben sich auch schon im Krankheitsmodell beim Tier als funktional erwiesen. Eines unserer Projekte hier in Valencia sieht die Verbesserung der Kulturbedingungen vor, um zum einen klinische Bedingungen zuschaffen, aber auch hESC direkt in Zellen mit neuronalen Charakteristiken zu differenzieren (Abb. 1a und 1b). Daher sind wir dabei ein definiertes, adhärentes System zu entwickeln, das frei von tierischen Produkten ist. Die so entstehenden neuronalen Vorläuferzellen differenzieren wir dann weiter in dopaminproduzierende Neuronen und Motoneuronen, welche dann im Tiermodell auf ihre Funktionalität getestet werden.

Eine weitere Quelle von embryonalen Stammzellen sind Embryonen, die durch Kerntransfer entstehen. Diese Methode der Stammzellgewinnung ist am heftigsten umstritten, jedoch in einigen EU-Ländern, wie z. B. Großbritannien, Schweden und Spanien zu Forschungszwecken gesetzlich erlaubt und reguliert. Im Februar hat unsere Gruppe die erste Lizenz in Spanien bekommen, um auf
diesem Wege krankheitsspezifische Stammzellen zu gewinnen. Wir wollen Stammzellen von Patienten gewinnen, die an verschiedenen Erbkrankheiten leiden, um so diese Krankheiten in der Plastikschale untersuchen zu können
[1]. So kann man z. B. den Ursprung der Krankheit auf molekularer Ebene untersuchen oder Medikamente testen. Wir glauben nicht, dass man maßgeschneiderte Stammzellen auf diesem Wege zu therapeutischen Zwecken gewinnen kann, da diese Therapie sehr teuer wäre.
Ende letzten Jahres sorgten zwei Publikationen für Aufruhr, in denen unabhängig voneinander eine japanische und eine amerikanische Gruppe die Reprogrammierung von Hautzellen beschrieben haben [6, 7]. Hautfibroblasten wurden mithilfe eines Retrovirus so genetisch manipuliert, dass sie zu pluripotenten Zellen rückprogrammiert wurden. In den ersten Versuchen zeigten diese iPS (induzierte Pluripotenz) Zellen ähnliche Eigenschaften wie hESC, ob sie jedoch diese ersetzen können, wie viele Gegner der hESC hoffen, wird sich erst nachlangfristigem Vergleich herausstellen. Die Gewinnung dieser Zellen mag zwar einfacher und vielleicht ethischvertretbarer sein, aber für therapeutische Zwecke sind iPS Zellen momentan noch durch das Herstellungsverfahrenungeeignet. Eventuelle Nebenwirkungen müssen erst völlig ausgeschlossen werden, da auch die Möglichkeit der Tumorentwicklung besteht [8].
Nach dem momentanen Forschungsstand sind hESC nicht ersetzbar und es wäre wünschenswert, dass vor allem neuere hESC in größerem Maße genutzt und gefördert würden. Viele Gegner argumentieren, dass es noch keine klinischen Studien gibt und man sich daher mehr auf adulte Stammzellen konzentrieren sollte. Man darf aber nicht vergessen, dass die hESC Forschung wesentlichweiter wäre, wenn sie nicht in vielen Ländern, wie in Deutschland, so stark eingeschränkt bis verboten wäre. Außerdem gibt es schon vielversprechende Erfolge der embryonalen Stammzelltherapie im Tiermodell, z. B. bei Rückenmarksverletzungen, Parkinson Krankheit und Herzmuskelschwäche [9]. In diesem Jahr sollen auch in den USA die ersten klinischen Studien bei Querschnittsgelähmtenanlaufen.

mstojkovic@cipf.es

Foto: Thermo Fisher Scientific

Abb1: © Petra Stojkovic

[1] Cervera RP, Stojkovic M (2007). Human embryonic stem cell derivation and nuclear transfer: Impact on regenerative therapeutics and drug discovery. Clinical Pharmacology & Therapeutics 82: 310-315.
[2] Ludwig TE, Levenstein ME, Jones JM, Berggren WT, Mitchen ER, Frane JL, Crandall LJ, Daigh CA, Conard KR, Piekarczyk MS, Llanas RA, Thomson JA (2006). Derivation of human embryonic stem cells in defined conditions. Nature Biotechnology 24: 185-187.
[3] Zhang X, Stojkovic P, Przyborski D, Cooke M, Armstrong L, Lako M, Stojkovic M (2006). Derivation of human embryonic stem cells from developing and arrested embryos. STEM CELLS 24: 2669-2676.
[4] Klimanskaya I, Chung Y, Becker S, Lu SJ, Lanza R (2007). Derivation of human embryonic stem cells from single blastomeres. Nature Protocols 2: 1963-1972.
[5[ Cohen M, Itsykson P, E Reubinoff B. Neural differentiation of human ES cells (2007). Current Protocols in Cell Biology Chapter 23:Unit 23.7.
[6] Takahashi K, Tanabe K, Ohnuki M, Narita M, Ichisaka T, Tomoda K, Yamanaka S (2007). Induction of pluripotent stem cells from adult human fibroblasts by defined factors. Cell 131:861-872.
[7] Yu J, Vodyanik MA, Smuga-Otto K, Antosiewicz-Bourget J, Frane JL, Tian S, Nie J,
Jonsdottir GA, Ruotti V, Stewart R, Slukvin II, Thomson JA (2007). Induced pluripotent stem cell lines derived from human somatic cells. Science 318: 1917-1920.
[8] Stojkovic M, Phinney D (2008). Reprogramming battle: egg vs. virus. STEM CELLS 26: 1-2.
[9] Iacovitti L, Donaldson AE, Marshall CE, Suon S, Yang M (2007). A protocol for the differentiation of human embryonic stem cells into dopaminergic neurons using only chemically defined human additives: studies in vitro and in vivo. Brain Research 1127: 19-25.

L&M 2 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2008.
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