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Werkzeug für die Krebsdiagnostik

Werkzeug für die Krebsdiagnostik

Spezifische chemische Modifikationen der DNA im Verlauf der Krebsentstehung haben diagnostisches Potenzial

Im Jahr 2008 wurden nach Schätzungen der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO weltweit 12,7 Millionen neue Krebserkrankungen diagnostiziert, 7,6 Millionen Menschen starben an Krebs. Trotz medizinischen Fortschritts wird in den nächsten Jahrzehnten nicht mit einem weiteren Sinken der Inzidenz- und Mortalitätsraten für Krebs gerechnet [1]. Bei frühzeitiger Erkennung und Behandlung wären aber viele Krebserkrankungen heilbar.

Gebärmutterhalskrebs – der zweithäufigste Krebs bei Frauen

An Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) erkranken jährlich mehr als 530.000 Frauen weltweit (Deutschland ca. 5500), mehr als 270.000 sterben daran (D ca. 1.500) [1,2] – und dies, obwohl dieser am zweithäufigsten bei Frauen diagnostizierte Krebs bei rechtzeitiger Erkennung sehr gut behandelbar und dann meist auch heilbar ist. Etwa 15 % aller Krebserkrankungen werden durch virale Infektionen ausgelöst [3]. Dazu zählt auch das Zervixkarzinom, das durch humane Papillomaviren verursacht wird [4,5]. In den meisten Fällen verläuft diese virale Infektion unauffällig und wird innerhalb eines Jahres ausgeheilt. In 10–15 % der Fälle verbleibt die Infektion dauerhaft, nach 10–20 Jahren kann sich ein Tumor entwickeln.

Früherkennung bei Gebärmutterhalskrebs

Derzeit wird zur Früherkennung fast ausschließlich der Pap-Test genutzt, ein von dem amerikanischen Arzt George Papanicolaou bereits 1928 entwickeltes zytologisches Verfahren. Dabei sucht der Zytologe in mikroskopischen Präparaten von Zervixabstrichen nach veränderten Zellen, die eine Krebsvorstufe oder ein Karzinom anzeigen. Dieses Verfahren ist aber subjektiv und fehlerbehaftet und setzt viel Erfahrung seitens des Zytologen voraus. In einer großen Studie mit insgesamt 60.000 teilnehmenden Frauen wurde von den Frauen mit unmittelbarer Krebsvorstufe die Hälfte nicht als solche erkannt. Außerdem hatten nur 20 % der Frauen mit auffälligem Pap-Abstrichergebnis eine zu behandelnde Krebsvorstufe [6].
Zur Abklärung unklarer PapBefunde, die laut Zytologe nicht eindeutig auf eine Krebsvorstufe hindeuten, wird eine HPV-Diagnostik durchgeführt. Sie wird zudem als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten. Dabei haben aber nur die Frauen mit negativem Ergebnis eine hohe Sicherheit, denn ohne nachweisbare Virusinfektion entsteht kein Zervixkarzinom. Frauen mit positivem Befund dagegen sind weiter im Ungewissen und müssen weitere Abklärungsuntersuchungen durchlaufen.

DNA-Methylierung und Krebs

Ob durch Viren ausgelöst wie bei Gebärmutterhalskrebs oder nicht – in Tumorzellen finden neben Defekten in der primären DNASequenz (Mutationen, Translokationen, Bruchstückverluste) epigenetische Veränderungen statt, die zu einer Umprogrammierung und mithin zur Fehlsteuerung der betroffenen Zellen beitragen. Die Methylierung von DNA – zelleigene Methyltransferasen fügen Cytosinen in CGDinukleotiden eine Methylgruppe an – führt vor allem dann zur Stilllegung von Genen, wenn sie im Promotorbereich stattfindet. MethylCpGBindeproteine (MBPs) binden an die methylierten Sequenzen mit der Konsequenz, dass der entsprechende DNA-Abschnitt nicht transkribiert werden kann. Somit sind diese CpG-Inseln wesentliche Steuerungselemente bei der Differenzierung von Zellen (Abb. 1). Bereits bei der Entdeckung, dass mit der Tumorbildung eine Verschiebung der DNA-Methylierung einhergeht, wurde das enorme diagnostische Potenzial dieser epigenetischen Modifikation erkannt: würden sich für jeweilige Tumorentitäten spezifische methylierte DNA-Regionen finden lassen, könnten diese Methylierungssignaturen in der Krebsdiagnostik eingesetzt werden [7].

DNA-Methylierung – Markersuche und Nachweis

Die MBPs, welche in vivo an methylierte DNA-Abschnitte binden (Abb. 1), können genutzt werden, um methylierte DNA in vitro anzureichern. Für eine Anreicherung methylierter DNA können aber auch gegen 5-Methyl-Cytosin entwickelte Antikörper zur Immunpräzipitation eingesetzt werden (MeDIP). Die angereicherte DNA wird fluoreszent markiert und auf Microarrays hybridisiert, die Sonden für die CpG-Inseln des humanen Genoms tragen. So lässt sich dann analysieren, welche DNA-Abschnitte von diagnostischem Nutzen sein könnten.
Die DNA-Methylierung diagnostisch nutzbarer Abschnitte lässt sich mittels methylierungsspezifischer PCR (MSP) nachweisen. Dazu wird die Cytosinmethylierung chemisch „fixiert“: bei einer Behandlung mit Natriumbisulfit werden alle nicht methylierten Cytosine sulfoniert. Nach einer Desaminierung und Desulfonierung sind diese Cytosine dann in Uracil konvertiert [8]. In einer PCR verhalten sich diese wie Thymin, paaren also mit Adenin. Die Methylcytosine paaren dagegen weiterhin mit Guanin. Berücksichtigt man diese möglichen Veränderungen beim Design von PCR-Primern, lässt sich in mit Bisulfit behandelter DNA durch PCR die methylierte DNA selektiv nachweisen [9]. Damit sind tumorspezifische DNA-Methylierungen diagnostisch nutzbar.

Methylierungssignaturen beim Zervixkarzinom

Mithilfe von CpG-Insel-Arrays der Firma Agilent, die insgesamt 240.000 Sonden für diese 27.000 CpG-Inseln tragen, haben wir die Methylierung für das Zervixkarzinom untersucht. Hybridisiert wurde für den Vergleich DNA aus Tumorgewebe und aus Zervixabstrichen von unauffälligen Frauen. Die beiden Fluoreszenzen lassen sich für jede einzelne Sonde des Arrays vergleichen und damit bestimmen, welche CpG-Inseln in der Tumor-DNA, nicht aber in der Abstrich-DNA methyliert sind. Diese eignen sich möglicherweise für die Diagnostik. Bei unseren Arrayanalysen haben wir ca. 270 solche DNA-Regionen eingegrenzt. Von diesen haben wir etwa 100 durch methylierungsspezifische PCR anhand von Abstrichproben-DNA überprüft. Die DNA stammte aus Zervixabstrichen von (1) HPV-negativen und (2) HPV-positiven Frauen ohne Verdacht auf ein Karzinom oder eine Krebsvorstufe, (3) Frauen mit diagnostizierter unmittelbarer Krebsvorstufe (CIN3) sowie (4) Frauen mit einem Karzinom. Ein Set von sechs Markerregionen erlaubte die Detektion von über 90 % der unmittelbaren Krebsvorstufen und der Karzinomfälle, wobei aber auch 10 % der HPV-positiven Kontrollen erkannt wurden. Sollten wenigstens drei Markerregionen methyliert sein, wurden über 60 % der Krebsvorstufen und 80 % der Karzinome erkannt.

*Reflex-Test – die Kombination von HPV-Nachweis und
Methylierungssignatur*

Ein negativer HPV-Befund schließt ein Karzinom oder eine Krebsvorstufe aus. Ein positiver HPV-Befund bedeutet ebenfalls in 80-90 % der Fälle nur eine Infektion und keinen Krebs. Der Nachweis der Methylierungssignatur ist nun dazu geeignet, unmittelbare Krebsvorstufen und Karzinome innerhalb dieser HPV-positiven Proben zu entdecken. Eine Spezifität von mehr als 99 % und eine Sensitivität von 93 % für CIN3 und Zervixkarzinom kann so in der primären Krebsfrüherkennung erreicht werden. Derzeit konzentrieren wir uns in unserem durch EXIST-Forschungstransfer geförderten Projekt auf die Optimierung der Methylierungssignatur und damit des Reflextests.

>> alfred.hansel@med.uni-jena.de

Literatur
[1] Ferlay et al. [2010] GLOBOCAN 2008
[2] Robert-Koch-Institut [2010] Krebs in Deutschland 2005/2006
[3] Moore, PS & Chang Y. [2010] Nat. Rev. Canc. 10, 878-889
[4] Dürst, M et al. [1983] Proc. Natl. Acad. Sci. USA 80, 3812-3815
[5] zur Hausen, H. [2001] Oncogene 20, 7820–7823
[6] Cuzick et al. [2006] Int. J. Cancer 119, 1095-1101
[7] Esteller M. [2007] Hum. Mol. Genet. 16, R50-R59
[8] Wang et al. [1980] Nucl. Acids Res. 8, 4777-4790
[9] Herman et al. [1996] Proc. Natl. Acad. Sci. USA 93,
9821-9826

L&M 2 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2011.
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