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Kardiologie - Myokarditis - Sport

Wenn Fußballerherzen schneller schlagen…

… dann liegt es nicht immer daran, dass soeben ein siegreiches Tor zu bejubeln war, sondern dies kann auch ganz andere, viel weniger erfreuliche Ursachen haben, nämlich Viren!

Prof. Dr. med. Karin Klingel, Abteilung für Molekulare Pathologie, Universitätsklinikum Tübingen

Nicht selten kommt es vor, dass insbesondere Sportlerherzen von den kleinsten Schädlingen der Welt, die sich oft in Form von nur 20–30 nm großen Partikeln präsentieren, in Besitz genommen werden und schwere, teilweise tödlich verlaufende Herzmuskelentzündungen verursachen. Jüngstes Beispiel der Kölner Kapitän Ümit Özat, der Ende August 2008 im Spiel gegen den KSC bewusstlos auf dem Spielfeld zusammengebrochen war und dann in der Klinik mit dieser Diagnose konfrontiert wurde*.

Abbildung: Visualisierung einer Coxsackievirus B3 Infektion in einem Mausherzen durch radioaktive in situ Hybridisierung. Die schwarzen Signale zeigen vornehmlich in der linken Herzkammer zahlreiche Virus-infizierte Myozyten, ein Befund, der typisch für eine akute Myokarditis ist.

Kardiotrope Viren können nicht nur Entzündungsreaktionen im Herzmuskel verursachen, sondern, wenn sie auch das Reizleitungssystem in Mitleidenschaft ziehen, u. a. sogenannte „Torsade de pointes Tachykardien“ hervorrufen, das sind gefährliche Herzrhythmusstörungen mit häufig tödlichem Ausgang. Aus langjährigen Untersuchungen an Endomyokardbiopsien, welche im Rahmen von Herzkatheteruntersuchungen zur Diagnosesicherung einer unklaren Herzerkrankung entnommen werden, weiß man, dass derartige Infektionen des Herzmuskels viel häufiger sind als bislang angenommen wurde.

Als Konsequenz einer Virusinfektion kommt es in Abhängigkeit vom Immunsystem des Individuums im Herzmuskel zu einer unterschiedlich ausgeprägten Entzündungsreaktion (= Myokarditis) durch Einwanderung mononukleärer Zellen wie Natürliche Killerzellen, Makrophagen und T-Zellen, welche versuchen die Infektion in ihrer Ausbreitung zu limitieren und die Viren aus dem Herzmuskel zu eliminieren.

Bei den meisten Patienten mit einem gesunden Immunsystem gelingt die Eliminierung der pathogenen Erreger, sodass die Herzmuskelentzündung ohne schwerwiegende Konsequenzen für die Herzmuskelfunktion ausheilen kann. Bei einem Teil der Patienten kommt es jedoch zu einer persistierenden Virusinfektion und chronischen Entzündungsreaktion, die zu einem Umbau (= Remodellierung) des Herzmuskels führt, welcher mit mehr oder weniger starken Einschränkungen der Herzfunktion assoziiert ist und letztlich sogar in eine Herzinsuffizienz münden kann. Hierbei geht der Verlust an normalem myokardialen Gewebe aufgrund der lytischen Infektion der Myozyten mit einer Vermehrung des Bindegewebes (= Fibrose) einher und kann nach Jahren schließlich das Bild einer Dilatativen Kardiomyopathie (DCM) hervorrufen, welche eine dem Krebs vergleichbare 5-Jahres-Mortalität von mehr als 50 % hat.

Rund eine halbe Million Menschen leidet in Deutschland an einer DCM, wobei neueste Daten eine Virusprävalenz in ca. 30 % der Patienten mit chronischer Myokarditis und DCM belegen. Nach Einführung molekularbiologischer Verfahren in die Diagnostik von Herzmuskelerkrankungen wie der Polymerasekettenreaktion und der in situ Hybridisierung, wurden als wichtige Erreger einer Herzmuskelentzündung Enteroviren und hierbei insbesondere Coxsackieviren der Gruppe B (CVB) identifiziert. Coxsackieviren induzieren auch in immunkompetenten Mäusen Herzmuskelentzündungen, die in ihren verschiedenartigen Verlaufsformen denen beim Menschen entsprechen. Daher stellen CVB3-infizierte Mäuse ein ideales Modellsystem zur Verfügung, welches es ermöglicht, genetische und exogene Faktoren für die interindividuell sehr unterschiedliche Suszeptibilität für myokardiale Infektionen und deren variablen klinischen Verläufe zu erforschen.

Ein wichtiges Ziel unserer Arbeitsgruppe ist daher die Aufklärung immunologischer Mechanismen im Rahmen von Virusinfektionen und deren Folgen, der kardialen Remodellierung, um hier neue therapeutische Interventionen zu definieren. Dieses Forschungsvorhaben verfolgen wir in enger Zusammenarbeit mit sechs universitären Kliniken und weiteren grundlagenwissenschaftlich orientierten Einrichtungen in Tübingen, Berlin und Greifswald, die sich im Jahre 2004 zu dem SFB-TR 19 („Inflammatorische Kardiomyopathie – Molekulare Pathogenese und Therapie”) zusammengeschlossen haben und nun in die zweite 4-jährige Förderperiode starten. Im Rahmen dieser Arbeiten haben wir uns bereits intensiv mit der Rolle von Dendritischen Zellen (DCs) befasst, die als professionell Antigen-präsentierende Zellen eine Schlüsselrolle bei der Aktivierung der T-Zell- vermittelten Immunität auch bei Virusinfektionen einnehmen.

Eine Analyse der Expression verschiedener pro- inflammatorischer Zytokine und Chemokine in den DCs CVB3-infizierter Mäuse hat ergeben, dass das durch DCs exprimierte Chemokin IP-10, welches entscheidend an der Attraktion von Lymphozyten und der T-Zellproliferation beteiligt ist, der Entwicklung einer chronischen Verlaufsform der Myokarditis entgegenwirkt (Weinzierl et al., J Virol 82:8149-60, 2008). In weiterführenden Untersuchungen werden wir nun in Zusammenarbeit mit Dr. Katja Kotsch aus dem Institut für Medizinische Immunologie der Charité in Berlin die Rolle der Natürlichen Killerzellen bei der chronischen Virusmyokarditis untersuchen, da es gute Hinweise dafür gibt, dass eine frühzeitige effiziente Immunantwort unter Beteiligung von DCs als Bindeglied zwischen der adaptiven und angeborenen Immunantwort sowie ihre Interaktion mit Natürlichen Killerzellen als Teil der angeborenen Immunität wesentlich zur Eliminierung von CVB3 beiträgt und somit maßgeblich den Verlauf der Entzündung und deren Spätfolgen, die DCM, beeinflusst.

Die bedeutende Rolle spezifischer Zytokine für den Verlauf der Myokarditis wurde untermauert in einer vergleichenden Studie von CVB3-infizierten suszeptiblen und resistenten Mäusen, wo wir zeigen konnten, dass der Verlust des immunmodulierenden Zytokins IL-10 zu einer unkontrollierten iNOS Produktion führt und hiermit zu einer andauernden Schädigung des Herzmuskels beiträgt (Szalay et al., Am J Pathol 69:2085-93, 2006). Die bei der Coxsackievirusmyokarditis stark vermehrte Expression von CTGF, einem sekretierten Zytokin mit vielfältiger Funktion auch in der Wundheilung, Angiogenese und Tumorgenese, erwies sich als eindeutig korreliert mit der Entstehung einer Fibrose im Herzmuskel, wie man sie typischerweise immer bei der DCM beim Menschen findet (Lang et al., J Mol Med 86:49-60, 2008).

Auch das Zytokin Osteopontin, ein Phosphoprotein, welches durch zahlreiche pro-inflammatorische Zytokine und mechanischen Stress induziert wird, steht derzeit im Fokus unserer Forschungen, da wir wissen, dass auch dieses Molekül zu einem Umbau der extrazellulären Matrix des Herzmuskels nach einer Enterovirusinfektion beiträgt. Bislang gibt es noch keine adäquaten Therapierichtlinien für die Behandlung einer Enterovirusmyokarditis und ihren Folgen, weil wir es bei dieser Infektion mit einem variablen, multifaktoriellen Geschehen zu tun haben. Ein ganzes Netzwerk genetischer Faktoren des Immunsystems muss identifiziert werden, bevor klar ist, inwieweit eine medikamentöse Behandlung mit Substanzen, die bestimmte Mediatoren des Immunsystems blockieren oder induzieren, das Herz vor der tragischen Fibrosierung und Remodellierung schützen kann.

Eines aber ist sicher - die nächsten vier Jahre Forschung im SFB-TR19 werden uns der Entwicklung innovativer Therapiekonzepte bei der Myokarditis einen wichtigen Schritt näher bringen.

* Quelle: kicker online

Foto: © Prof. Dr. med. Karin Klingel

Stichwörter:
Myokarditis, Enterovirusmyokarditis, Kardiotrope Viren, Sport, Sportlerherz, Herzmuskelentzündung

L&M 5 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2008.
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