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Zahnersatz - Dental CAD

Mund auf – Hightech rein

Prof. Dr.-Ing. Georgios Sakas, Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, Darmstadt

Schöne Zähne sind bisweilen eine oft schmerzhafte, aber vor allem kostspielige
Angelegenheit. Dafür erwartet man dann aber auch erstklassige Qualität. Immer ausgefeilter werden die Techniken, um künstliche Zähne schnell, ästhetisch ansprechend und passgenau auf den Patienten abzustimmen – nebenbei auch bezahlbarer. Insbesondere im Softwarebereich kommt es zu kontinuierlichen Verbesserungen: Moderne CAD-Programme haben schon längst Einzug an den Arbeitsplatz des Zahntechnikers gefunden. Das Fraunhofer IGD in Darmstadt ist führend im Bereich der Entwicklung neuer Verfahren für die computerunterstützte Gestaltung von Zahnrekonstruktionen. Wir arbeiten seit einem guten Jahrzehnt daran, dass benötigte Kunstzähne in Zukunft nicht nur schneller und passgenauer, sondern auch kostengünstiger den Weg in unseren Mund finden können.

Eben wurde der Zahnersatz in den Kiefer des Patienten eingesetzt. Jetzt folgt der entscheidende Moment: Vorsichtig schließt sich das Gebiss. Unter- und Oberkiefer reiben kauend gegeneinander. Erst jetzt wird klar, ob das Werk auf Anhieb passt oder an den Kauflächen nachbearbeitet werden muss – auf Kohlepapier beißen, nachschleifen, das kennen wir schon alle. Ort des Geschehens ist allerdings nicht wie gewöhnlich der Behandlungsstuhl in der Zahnarztpraxis, sondern der Computerbildschirm.

Die Software des Fraunhofer IGD macht es möglich, dass bereits vor der Anfertigung von Zahnkronen, Brückengliedern oder Inlays im Rechner entworfen und deren Passform im (virtuellen) Mund des Patienten getestet werden kann. Moderne künstliche Zähne sind nicht mehr alleine mit dem handwerklichen Geschick eines guten Zahntechnikers und der Erfahrung eines geübten Zahnarztes zu bewerkstelligen. Bei der Gestaltung der künstlichen Zähne von heute greifen Profis zunehmend auf Hightech zurück. Was in der Automobilbranche, im Anlagebau oder bei Gebäudekonstruktionen seit Jahren üblich ist, hat unseren Kiefer erreicht: Zähne werden mithilfe von CAD (Computer Aided Design) geformt und aus verschiedenen Materialen mithilfe von Fräsen automatisch konstruiert. Anatomisch korrekt und passgenau. Die Gründe für den Einsatz von CAD sind vielfältig: Zunächst gibt es wichtige neue Materialen wie Keramik, Titan oder Zirkoniumdioxid, die sich maschinell besser als mit der Hand bearbeiten lassen.

Dann ist eine CAD-Modellierung typischerweise wesentlich schneller als eine manuelle – im Zeitalter des Kostendrucks und der 100-€ Krone Made in China ein substanzieller Vorteil. Und da die Software auf die Einhaltung zahnmedizinischen Wissens achtet, ist die Qualität quasi garantiert und nicht mehr vom dem Geschick oder der Tagesform des Arztes oder Zahntechnikers abhängig. So kann man mit CAD z.B. keramische Kronen – je nach Verfahren und Ausstattung – innerhalb von 1 bis 24 Stunden fertig haben! Das Fraunhofer IGD in Darmstadt blickt im Gebiet Dental-CAD auf eine fast 20-jährige Erfahrung zurück. Ergebnis dieser Arbeit seit 2007 ist eine marktfähige Software, die den gesamten Bereich der Dental-CADTechnik abdeckt und ständig weiterentwickelt wird. Unser System ist besonders einfach bedienbar. Wir erreichen dies vor allem dadurch, dass dem Zahntechniker vertraute Werkzeuge auch in der Software zur Verfügung stehen. Die neueste Softwareentwicklung verändert auf den ersten Blick nicht die etablierte Vorgehensweise: Zunächst bearbeitet der Zahnarzt den erkrankten Zahn. Danach fertigt er einen Gebissabdruck an, welchen er mithilfe eines speziellen 3D-Scanners abscannt. Alternativ kann der Zahnarzt mithilfe einer sog. Intraoral-3D-Kamera direkt das Gebiss des Patienten im Mund abscannen. Egal, ob Gipsabdruck oder Intraoral-Kamera, in beiden Fällen ist das Ergebnis ein 3D-Abbild der Anatomie des präparierten Zahns im Mund des Patienten, das typischerweise elektronisch (via E-Mail) ins Dentallabor geschickt wird. Ein Zahntechniker nimmt nun diesen „virtuellen Abdruck“ entgegen und erarbeitet an der CAD-Software die notwendige Rekonstruktion. Jeder Bearbeitungsschritt kann zunächst auf dem Rechner genau modelliert werden. Inlays, Onlays, Teil- oder Vollkronen sowie Brücken, demnächst auch Implantate, entstehen erst auf dem Bildschirm. Der besondere Clou dabei ist, dass die Software auf die Einhaltung von zahnmedizinischem Wissen achtet: So weiß sie beispielweise, wie dünn die Keramik am Rand der Krone werden darf oder wie dick die Verbindungen zwischen den Gliedern einer Brücke sein müssen und achtet darauf, dass diese Grenze nicht unterschritten wird. Ferner kennt sie die Anatomie der Zähne, d.h., das Aussehen der Fissuren oder der Höcker eines Molars oder Prämolars und setzt dieses Wissen automatisch ein, um einen Zahn zu modellieren, der sowohl ästhetisch als auch funktional dem natürlichen Vorbild möglichst nahe kommt. Dabei werden spezielle Algorithmen eingesetzt, die dafür sorgen, dass die Oberflächen der Zahnrekonstruktion der organisch gewachsenen Struktur natürlicher Zähne möglichst ähnlich gestaltet werden, gleichzeitig jedoch der individuellen Anatomie des jeweiligen Patienten zu 100 % angepasst sind. Als letzte Erweiterung wird bei der Gestaltung der Kauflächen auch die Kieferbewegung berücksichtigt.
Traditionell werden in der Zahntechnik die Kaubewegungen des Patienten durch so genannte Artikulatoren simuliert. Mechanische Artikulatoren ahmen mithilfe von Gipszahnmodellen des Patienten die Kieferbewegungen nach und ermöglichen es so, Störstellen zwischen gegenüberliegenden Kiefern zu beseitigen, noch bevor der Zahnersatz unseren Mund erreicht. Unser Software-Artikulator ahmt einen mechanischen Artikulator nach. Die üblicherweise mit dem Artikulator simulierten Bewegungen können mit dem Software- Artikulator bereits auf eingescannten 3DZahnmodellen ausgeführt und sichtbar gemacht werden. Alle unterschiedlichen Einstellungsmöglichkeiten eines mechanischen Artikulators zur Anpassung an den individuellen Patienten sind in der Softwarevariante bereits vorhanden. Mit der Bewegungssimulation können Störstellen auf den 3D-Zahnmodellen automatisch erkannt und schon vor der Konstruktion beseitigt werden! So erhält man korrekt geformte und an den Gegenkiefer angepasste Kauflächen, ohne nachschleifen zu müssen. Das ermöglicht eine effektivere und schnellere Anpassung als mit einem mechanischen Gerät alleine. Da die fertigen Zahnrekonstruktionen nicht gerade einfach zu bearbeiten sind, erspart sich der Zahntechniker dadurch mehrere Durchläufe an aufwändiger handwerklicher Tätigkeit. Selbst schwierige Patientenfälle wie zum Beispiel komplexe Implantatkonstruktionen sind mit der neuen Software schnell und intuitiv konstruierbar. Dies ermöglicht es, schneller zu einem störungsfreien Kauen mit den künstlichen Zähnen zu kommen. Unser Ziel besteht darin, eines Tages den Punkt zu erreichen, an dem die beim Patienten eingesetzten künstlichen Zähne nicht mehr vom Zahnarzt nachgeschliffen werden müssen: In Zukunft werden wir nach dem Zahnarztbesuch dank der Hightech- Arbeit der Zahnärzte und -techniker schnell neue Zähne haben, die sofort wie unsere alten passen.

>> gsakas@igd.fraunhofer.de

Stichwörter:
Zahnmodell, künstliche Zähne, CAD-Modellierung

L&M 1 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2010.
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