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Gendiagnostik in der Medizin

Prof. Dr. Peter Propping, Institut für Humangenetik, Universität Bonn

Zwei nicht verwandte Personen gleichen Geschlechts unterscheiden sich durchschnittlich in 0,1 % ihrer DNA-Sequenz. Auf diesen Unterschieden beruhen die erblichen Besonderheiten eines Menschen, die monogen erblichen Krankheiten und die angeborenen Krankheits- Dispositionen. Gegenwärtig werden in einer internationalen Anstrengung die Genome von 1.000 Personen komplett sequenziert (siehe Beitrag Sudbrak & Lehrach, Seite 6 ff.), um eine bessere Vorstellung von der genomischen Gesamtvariabilität einschließlich der ethnischen Besonderheiten zu bekommen.

Mutationen und ihre Folgen Mutationen können ein Nukleotid betreffen oder mehr oder weniger große Sequenzabschnitte bis hin zu Chromosomenstörungen. Wenn eine Mutation ein einzelnes Gen betrifft und dadurch eine nicht kompensierbare Funktionsstörung eintritt, resultiert eine monogen erbliche Krankheit, die autosomal dominant oder rezessiv oder X-chromosomal vererbt wird. Im OMIM-Katalog sind gegenwärtig 2.578 Phänotypen mit bekannter genetischer Grundlage verzeichnet, die meisten davon sind monogen erbliche Krankheiten (Tab. 1). Wenn größere Abschnitte der DNA im Genom deletiert oder dupliziert sind, resultieren meist komplexe Syndrome, vielfach kombiniert mit geistiger Behinderung. Diese Veränderungen können als strukturelle Chromosomenstörungen lichtmikroskopisch oder als Mikrodeletionen mit molekularen Methoden nachgewiesen werden. Einen Extremfall des genetischen Ungleichgewichts stellen die numerischen Chromosomenstörungen dar. Während die genetische Grundlage eines monogen erblichen Phänotyps heute meist gut aufklärbar ist, stellen die multifaktoriellen Krankheiten ein Problem dar. In jüngster Zeit konnten für eine ganze Reihe dieser Krankheiten durch genomweite Assoziationsuntersuchungen Genvarianten oder chromosomale Regionen (sog. Haplotypen) nachgewiesen werden, die zur Ätiologie einer Krankheit beitragen (Tab. 2).
Das Problem besteht darin, dass viele verschiedene Varianten mit wechselndem Gewicht in eine bestimmte Disposition involviert sind. Ein zusätzlicher Einfluss kommt von exogenen Faktoren. Indikationen zur genetischen Diagnostik Im Unterschied zu vielen anderen Laboruntersuchungen ist das Ergebnis einer genetischen Untersuchung unveränderbar. Wie auch sonst in der Medizin braucht sie eine Indikation. Eine genetische Untersuchung kann der Sicherung einer klinisch vermuteten Diagnose dienen. Dies gilt insbesondere für monogen erbliche Krankheiten, etwa eine der vielen Formen peripherer Neuropathien oder Muskelkrankheiten. Wenn eine bestimmte genetische Krankheit definitiv diagnostiziert ist, ergeben sich abhängig vom Erbgang und dem Krankheitsverlauf sofort Konsequenzen für die Verwandten des Patienten. Dies ist beispielhaft an einer Familie mit dem Lynch-Syndrom, einem erblichen Krebssyndrom, dargestellt (Abb. 1).

Aufgrund des autosomal dominanten Erbgangs sind einige Verwandte eines Mutationsträgers Risikopersonen für die gleiche Erkrankung. Die mögliche prädiktive genetische Diagnostik führt eine neue Dimension in die Medizin ein. Ein prädiktiv diagnostiziertes Lynch- Syndrom erfordert, dass die betroffene Person in ein strukturiertes Früherkennungsprogramm aufgenommen wird. Dann sind die Möglichkeiten für eine effektive Therapie gut. Für die verschiedenen Formen der spät manifesten erblichen neurodegenerativen Krankheiten, z.B. Chorea Huntington oder die dominante Form der Alzheimerschen Krankheit, die auch prädiktiv diagnostiziert werden können, gibt es bisher keine Behandlungsmöglichkeit. Jeder prädiktiven genetischen Diagnostik muss daher eine genetische Beratung vorausgehen, wie es das ab 1. 2. 2010 geltende Gendiagnostikgesetz auch vorschreibt. Gegenwärtig bieten mehrere ausländische Firmen über das Internet prädiktive genetische Screening-Tests an („consumer genetics“). Dabei wird ungezielt auf Mutationen untersucht. Abgesehen vom Fehlen genetischer Beratung sind keine vernünftigen Aussagen zu erwarten. Genetische Methoden Die genetischen Methoden müssen das bekannte Mutationsspektrum eines zu untersuchenden Gens berücksichtigen. Deletionen, die z.B. für 10 % der Mutationen beim Lynch-Syndrom verantwortlich sind oder Duplikationen werden durch die Sequenzierung nicht erkannt. Hiefür sind andere Verfahren notwendig (Abb. 2).

Trinukleotid-Repeat-Krankheiten, z.B. die Chorea Huntington und das fragile X-Syndrom, können nur durch einen Assay, der das Repeat-Motiv erfasst, diagnostiziert werden. Viele genetische Krankheiten sind hochgradig heterogen. So sind z.B. 180 verschiedene Gene mit jeweils Serien verschiedener Mutationen bekannt, die für die Retinitis pigmentosa verantwortlich sind. Für den Mutationsnachweis sind sehr spezielle Methoden notwendig. Mutationen mit niedrigen Penetranzen Viele Mutationen haben nur geringe Auswirkungen auf einen Phänotyp. Dies gilt auch für einzelne Genotypen, die an der genetischen Disposition zu multifaktoriellen Krankheiten beteiligt sind. Das Testen auf Genotypen mit geringem prädiktiven Wert sollte unterlassen werden. Es hat keine Konsequenzen.

Foto: © Friedrich Saurer/OKAPIA

Stichwörter:
Medizin, Gendiagnostik

L&M 5 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2009.
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