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L&M-8-2015 > Polysaccharidbasierte Immobilisierung

Polysaccharidbasierte Immobilisierung

Aminocellulose-Schichten zur Bindung von Proteinliganden für die Affinitätschromatographie

Die dreidimensionale Affinitätsfiltration ist eine neuartige Variante der Affinitäschromatographie. Sie basiert auf gesinterten mikroporösen Polymerfiltern, die zusätzlich nanoporöse Partikel enthalten können. Die Filter lassen sich in unterschiedlicher Geometrie, unterschiedlichen Dimensionen und unterschiedlicher Porosität herstellen. Nach der Modifizierung der Oberfläche mit einem neuen Typ von Cellulosederivaten, den Aminocellulosen variabler Struktur, werden an den Aminogruppen unterschiedliche chemische oder biologische Liganden immobilisiert. Die Produkte sind sowohl in ana­lytischen als auch in präparativen Laborverfahren einsetzbar.

Aminocellulosen sind neue Typen von Poly­saccharidderivaten, die die Modifizierung von unterschiedlichen Materialien mit Mono- oder dünnen Multischichten durch spontane Selbstorganisation erlauben. Damit wird eine Aktivierung der Oberflächen mit reaktiven Aminogruppen möglich, die zur effizienten Immobilisierung von Biomolekülen genutzt werden können. Aminocellulosenmodifizierte Oberflächen wurden bereits umfangreich zur Immobilisierung von Enzymen erforscht [1]. Im vorliegenden
Artikel wird die Anwendung der „Aminocellulose­technologie“ im Bereich der Affinitätschromatographie am Beispiel der dreidimensionalen Immunofiltration demonstriert.

Die dreidimensionale Affinitätsfiltration als spezielle Form der monolithischen Chromato­graphie nutzt dreidimensionale Filter (poröse Formkörper), die sich einfach herstellen sowie konfektionieren lassen und damit ein interessantes Funktionselement zur Entwicklung von Produkten für analytische und biotechnologische Laboranwendungen darstellen. Die Filter­herstellung kann durch Sintern von Polymeren wie Polyethylen, Polymethacrylat, Polyethersulfon und Polytetrafluorethylen bei 140 bis 300°C erfolgen. Die erhaltenen Mikrofilter weisen innere Oberflächen von 0,1–0,9m²/g auf. Mit Polymerschüttungen, die zusätzlich nanoporöse Partikel beispielweise auf Basis von Silica, porösem Glas oder Poly­methacrylatpartikeln enthalten, können Filter mit einer bimodalen Porengrößenverteilung und mit inneren Oberflächen erzeugt werden, die denen klassischer Chromatographieträger nahekommen (Abb.1). Die mit Queck­silberporosimetrie bestimmten inneren Oberflächen erreichen bei Beimischungen von ca. 80 Vol.% hochporösem Material bis zu 50m²/g, was bei einer mittleren Dichte von 0,5g/cm³ bis zu 25m²/ml entspricht. Es lassen sich problemlos große Stückzahlen der dreidimensionalen Formstücke einschließlich Membranen herstellen.


Abb.1 Mikroporöser Polyethylenfilter mit eingelagerten nanoporösen Silica- (oben links) und Poly­methacrylatpartikeln (oben rechts) und typische bimodale Porenverteilung eines Silica/Polyethylenfilters

Immobilisierung von Proteinen

Mithilfe der Aminocellulosetechnologie erfolgt die Modifizierung der Oberfläche der heterogenen Filtermaterialen aus Polyethylen (PE), der Kombinationen von PE/Polymethacrylat, PE/Silica und PE/Glas, in einem einfachen Batchverfahren unter Bildung einer einheitlich hydrophilen inneren Oberfläche [2]. Die eingeführten Aminogruppen können in einfacher Art und Weise zur Immobilisierung von bio­logischen Liganden genutzt werden (Abb.2), wobei sich die üblichen Kopplungsverfahren der Biochemie eignen (Kasten). Dreidimen­sionale Mikrofilter mit immobilisierten biologischen Liganden, insbesondere mit Antikörpern (Immunoaffinitätsfilter), sind sehr stabil und können nach Trocknung bei Raumtemperatur mehrere Jahre ohne Aktivitätsverlust gelagert werden. Bei reinen Polymermikrofiltern liegt die Bindungskapazität für Proteine bei 0,2mg/g (0,1mg/ml), bei heterogenem Filtermaterial werden Werte von bis zu 4 mg/ml erreicht.


Abb.2 Schematische Darstellung des schichtweisen Aufbaus eines mit ­Antikörpern funktionalisierten Mikrofilters (oben). Struktur eines Aminocellulosecarbanilat-Moleküls; über die primären Aminogruppen werden Liganden gekoppelt (unten).

Immundiagnostik

Das Konzept von dreidimensionalen Filtern wurde bereits in den 90er-Jahren für den Einsatz in immunologischen Schnelltests ausgearbeitet. Unter der Bezeichnung ABICAP® werden Minisäulen für Durchflussimmunoassays eingesetzt (Abb.3 links, www.senova.de). Diese Assaytechnik konnte verifiziert und in mikrostrukturierten Bauteilen und Pipettenspitzen eingesetzt werden (Abb.3, Mitte). Mit Immunofilterassays, die nach dem ELISA-Prinzip arbeiten, können bei Assayzeiten von ca. 20min mit ent­sprechend affinen Antikörpern, Nachweisgrenzen für Proteine im Bereich von 1–10pg/ml erreicht werden. In einer Reihe von Applikationsstudien ergab sich, dass sich mit dem Verfahren nicht nur Proteine [3], sondern auch Mikroorganismen [4], Viren [5], Lipopolysaccharide [6] und Nukleinsäuren [7] nachweisen lassen. Ein ­typisches und aktuelles Beispiel ist die Erkennung einer Ebola Virusinfektion durch die Detektion des Capsidproteins VP40 in einem Doppelantikörpersandwich. Wie auch an diesem Beispiel gezeigt werden konnte, sind derartige Durchflussverfahren interessant, wenn ausreichend Proben­volumen zur Verfügung steht und der Analyt zur Steigerung der Sensitivität aus einem größeren Volumen extrahiert werden kann. Die Abbildung 4 zeigt diesen nützlichen Effekt am Beispiel des Nachweises von Ebolavirus aus Urin.

Setzt man anstelle von Enzymkonjugaten einfache Farbpartikelkonjugate ein, so reduziert sich die Analysezeit auf 10min, wobei allerdings auch die Nachweisgrenze um ca. Faktor 100 steigt. Bei den geschilderten Assays erfolgt die Quantifizierung durch eine einfache photometrische Messung des sorbierten Farbstoffs auf dem Filter im Transmissionsmodus.


Abb.3 Formate für immunologische Durchflussanalysen auf Basis von ­Affinitätsfiltern, links ABICAP (Antibody Binding Immuno Column for Analytical Purpose) mit Positiv-, Negativ- und Messfilter (von oben nach unten), Mitte analytische Pipettenspitze, rechts Lab-on-Chip der Fa. ChipShop GmbH Jena


Abb.4 Abhängigkeit des photometrischen Signals (optische Dichte, OD) eines enzymatischen Ebola-VP40-ABICAP-Testes von der aufgegebenen Urinmenge für zwei unterschiedliche Viruspartikelkonzentrationen am ­Beispiel eines Filters mit immobilisierten Antikörpern gegen Ebola-Virus Stamm Zaire (ZEBOV). Die Bindung ist spezifisch, Marburgvirus (MARV) wird nicht gebunden (5).


Kopplungsmethoden (Auswahl) zur Immobilisierung biologischer Liganden

Probenextraktion

Mit Immunoextraktionssäulen können sehr effizient Analyten aus größeren Probenvolumina extrahiert, nachfolgend eluiert und beispielsweise mittels HPLC quantifiziert werden. Diese Technik ist bei der Analyse von Mycotoxinen etabliert und hat Eingang in die entsprechende Norm (Zearalenon: DIN EN 15792, Desoxynivalenol: DIN EN 15891) gefunden. Die dazu auf dem Markt angebotenen Extraktionssäulen enthalten üblicherweise ca. 1ml eines Sepharosegels mit immobilisierten Antikörpern gegen ein Mycotoxin. Da die Konfektionierung und Lagerung von Gelsäulen nicht unproblematisch ist, wurden Extraktionssäulen unter Verwendung von dreidimensionalen Immunoaffinitätsfiltern entwickelt. Dabei kamen die oben beschriebenen Filter mit bimodaler Porengrößenverteilung auf Basis von Polyethylen und Silica zum Einsatz. Mit diesen Materialien lassen sich in einem Filtervolumen von 1,5ml Bindungskapazitäten erreichen, die denen von konven­tionellen 1-ml-Sepharosegelsäulen entsprechen. Die Flussraten sowie Proben- und Elutions­volumina bei beiden Säulentypen sind vergleichbar (Abb.5).


Abb.5 Vergleichende Untersuchung von Extraktionssäulen auf Basis von Sepharose und Immunofiltern unter Berücksichtigung der Immobilisierungsmethode. Die Antikörperaktivität gibt an, welche Zearalenon (ZEA)-Menge des theoretischen Maximalwertes tatsächlich gebunden werden konnte.

Auch im Falle der Probenextraktion beschränkt sich das Anwendungspotential der Affinitätsfilter nicht auf das gezeigte Beispiel von niedermolekularen Analyten, sondern ­ermöglicht es beispielweise auch Viren anzureichern, die nachfolgend über eine PCR detektiert werden können.

Immunpräzipitation und Proteinreinigung

Mit den Immunoaffinitätsfiltern können auch Verfahren zur Abtrenn­ung von Biomolekülen aus komplexen Stoffgemischen aufgebaut werden. Sie stellen ebenfalls eine preiswerte Alternative zu etablierten Verfahren auf Basis von Chromatographiematerialien wie Agarose, Sepharose oder Polymethacrylat dar. Das Einsatzspektrum ist dabei sehr vielseitig und wurde im Labormaßstab (Mikrosäulen) am Beispiel der Reinigung von IgG mit Protein A etabliert und lässt sich für HIS-Tag, Protein-G und Concanavalin-A nutzen. Die Mikrosäulen können beispielsweise in einem 96iger-Rack durch Schwerkraft prozessiert werden.

Ausblick

Die dreidimensionale Affinitätsfiltration von aminocellulosemodifizierten Festkörpern ist eine einfache und robuste Technik zur Herstellung von Funktionselementen für bioanalytische oder präparative Anwendungen. Vor dem Hintergrund der gezeigten Leistungsdaten, insbesondere bei analytischen Verfahren kann davon ausgegangen werden, dass zukünftig weitere auf Affinitätsfiltern basierende Verfahrensansätze entwickelt werden, wobei miniaturisierte Filterelemente auch mit unkonventionellen Geo­metrien eine größere Rolle spielen werden. Die wichtige Geometrie der Flachmembran mit typischen Dicken im Bereich von 100–500µm wird gegenwärtig erforscht. Sie sind eine interessante Alternative zur Nitrocellulosemembran, die gegenwärtig häufig zur Herstellung von Teststreifen ­eingesetzt wird. Darüber hinaus haben die beschriebenen Materialien prinzi­piell das Potenzial für einen Einsatz in der Bioaufarbeitungstechnik. Inwieweit sie dabei gegen etablierte Chromatographieträger bestehen können, muss weiter untersucht werden. Dabei spielt auch das Design der Struktur der Aminocellulosen und ihrer Schichtbildung eine herausragende Rolle.

Literatur
[1] Heinze, T. et al. (2015) Macromol. Biosci. mabi.201500184R1
[2] Elschner, T. et al. (2014) Macromol. Biosci. 14, 1539–1546
[3] Stelzmann, M. (2011) Inaugural-Dissertation Freie Universität Berlin
[4] Bauermeister, C. & Miethe, P. (2002) Dentognostics Jul, 18 WO 2002/055733 Munjal, S. et al. (2007) Ann. N. Y. Acad. Sci. 1098, 486–489
[5] Lucht, A. et al. (2007) J. Infect. Dis. 196, 2, 184–192
[6] Grunow, R. et al. (2008) Journal of Rapid Methods & Automation in Microbiology, 16, 1, 30–54
[7] Rathgeber (2008) Diplomarbeit FH Jena

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L&M 8 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 8 / 2015.
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