Pharmakologisches Knocked Out
Pharmakologisches Knocked OutToxikologische und neurobiologische Grundlagen der kriminellen K.O.-Mittelbeibringung
Prof. Dr. Gerold Kauert, Doch was heißt „betäubt“? Sind die unter K.O.-Mitteleinfluss stehenden Personen wie im Boxring bewusstlos und liegenhandlungsunfähig am Boden oder dort, wo immer sie sich nach der Beibringung aufhielten? Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit den neurobiologischen Grundlagen dieses Phänomens. Zunächst eine kurze Beschreibung für den K.O.- Begriff aus den Lexica:
K.O. : Knock Out Duden Oxford: (make unconscious), bewusstlos umfallen, Be knocked out:(völlig) fertig sein. Diese Definitionen passen bis auf die untere zu den subjektiven Beschreibungen von Opfern. „Ich trank ein Glas Sekt, plötzlich wurde mir schwummrig und ich fiel in Ohnmacht……..“ -„als ich aufwachte, wusste ich nicht,wo ich war“, sind im Rahmen polizeilicher Vernehmungen typische Angaben.
Straftaten, zu deren erleichterten Durchführung K.O.-Mittel eingesetzt werden sind sexuelle Nötigungen (Vergewaltigung) und Raubüberfälle (Schmuck, Geld am Körper, Wohnungsdiebstahl nach Betäubung älterer Bewohner, Fernfahrer, Wohnmobil-Insassen). Auch Freiheitsberaubungen durch wiederholte Beibringung von K.O.-Mitteln an eingesperrten Opfern sind begangen worden. Als K.O.-Mittel wurden und werden verwendet: Chloralhydrat, Barbiturate,
Handelt es sich um typische Schlafmittel wie die Barbiturate und einige Benzodiazepine, so liegt natürlich die Vermutung nahe, dass die Opfer tatsächlich einschlafen und nichts mehr wahrnehmen. Dies ist dann auch der Fall, wenn biorhythmische Situationen mit den Beibringungen koinzidieren: Nachts, wenn die Schlafbereitschaft ohne Substanzeinfluss vorliegt. Auch bei leichten bis mittleren Alkoholisierungen führt die K.O.-Mittelbeibringung zu Tiefschlafsituationen beim Opfer. Aber eben nicht grundsätzlich. Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen Personen, die ein K.O.-Mittel aufgenommen haben, aktiv sind, sich bewegen und unterhalten können, Ortswechsel vornehmen, sexuelle Handlungen an sich erdulden, aber von allem nichts wissen.
Vigilanz und Amnesie
Neurophysiologische Aspekte (Kubicki et al.1985)
- Konversationsfähig, motorisch weitestgehend unbeeinträchtigt (z.B. aktiver Ortswechsel in Begleitung des Täters typ.: Lokal –> Wohnung) - Schlafinduktion am Ort der Beibringunginsbesondere bei biorhythmischphysiologischer Schlafbereitschaft,auch insbesondere bei gleichzeitigerAlkoholisierung. Abnorme Schlafverlängerung.Anterograde Amnesie - Handlungsfähigkeit erhalten,Widerstandskraft reduziert.
Der forensische Nachweis von beigebrachten K.O.-Mitteln ist für die strafrechtliche Würdigung von sehr großer Bedeutung, gibt es aus forensischer Erfahrung auch Fälle, bei denen die vermeintlichen Opfer aus betrügerischen Motiven heraus behaupten, sie seien betäubt worden. An dieser Stelle ist es für den erfahrenen Sachverständigen wichtig, die Qualität der Erinnerungsstörungen zu prüfen. Eine Amnesie, die durch mehrere Erinnerungsinhalte fragmentiert wird, ist pharmakologisch in der Regel nicht nachvollziehbar. Ausnahme sind Erinnerungsinseln, die durch starke sensorische Stimuli hervorgerufen werden können: z.B. Blitzlichter oder starke Schmerzreize. Darüber hinaus müssen festgestellte Substanzkonzentrationen in den Nachweismedien sorgfältig interpretiert werden, da die Möglichkeit eines bestehenden Substanzmissbrauchs oder auch einer vor Asservatentnahmestattgefundenen eigenständigen K.O.-Mittel aufnahmekasuistische Erfahrung ist.
Originalveröffentlichung: XV. Symposium der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie, Aktuelle Beiträge zur Forensischen und Klinischen Toxikologie, GTFCh 2007, Fotos: © Prof. Dr. Gerold Kauert |
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