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Warum sterben ­Bakterien auf ­Kupferoberflächen?

Warum sterben ­Bakterien auf ­Kupferoberflächen?

Tod für Keime

Kupferoberflächen können gefährliche Keime stoppen. Warum Bakterien jedoch sterben, wenn sie mit Kupfer in Berührung kommen, ist nicht vollständig geklärt. Ein Forscherteam an der Universität des Saarlandes und am Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik (MECS) ist dem Rätsel auf der Spur. Mit den Erkenntnissen sollen neuartige Kupferwerkstoffe entwickelt werden, die aktiv Keime töten können.

Auf blank poliertem Kupfer sterben Bakterien nach kurzer Zeit ab. Diese Wirkung von Kupfer ist seit Längerem bekannt und könnte helfen, gefährliche Infektionen zu stoppen. Doch reines Kupfer bildet auf der Oberfläche eine grünliche Schicht, die so genannte Patina, mit der die anti­bakterielle Wirkung verloren geht. Daher sollen Kupferwerkstoffe entwickelt werden, die diese Nachteile überwinden helfen. Durch spezielle Oberflächen und Kupferlegierungen sollen Materialen entstehen, die aktiv über einen langen Zeitraum Bakterien abtöten können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das aktuelle Projekt, an dem auch Mikrobiologen beteiligt sind, mit 300.000 Euro.

40.000 Todesfälle durch Krankenhauskeime

In Krankenhäusern verbreiten sich immer häufiger multiresistente Keime (MRSA), die man selbst mit strengen Hygienemaßnahmen und häufigen Desinfektionen kaum mehr bekämpfen kann. Rund 500.000 Menschen erleiden laut Robert Koch-Institut jährlich eine Infektion im Krankenhaus. Wie viele daran sterben, schätzen Fachleute unterschiedlich ein. Die Angaben schwanken zwischen 15.000 bis 40.000 Todesfällen pro Jahr. Um die Verbreitung solcher Infektionen zu verhindern, könnten kupferhaltige Materialien zum Einsatz kommen, um z.B. Lichtschalter oder Türgriffe zu beschichten. Dazu muss man aber noch genauer erforschen, auf welche Weise Kupfer die Bakterien unschädlich macht und wie man diese Wirkung langfristig erhalten kann. Hierfür arbeiten die Saarbrücker Materialforscher mit dem internationalen Kupfer-Experten und Pharmakologen der Univer­sität Bern, Marc Solioz, und den Mikrobiologen der Saar-Uni zusammen. Sie untersuchen, wie wirksam neuartige Kupferwerkstoffe die gefährlichen Keime abtöten können. In Laborversuchen konnte bereits bewiesen werden, dass die Bakterien nur dann verenden, wenn sie in direktem Kontakt mit der Kupferoberfläche stehen. Die Kupferionen in der benetzenden Flüssigkeit ­allein reichen dafür offenbar nicht aus. Mindestens fünf verschiedene Erklärungsmuster werden derzeit weltweit von Wissenschaftlern untersucht. Einige vermuten, dass Kupfer die Zellwand der Bakterien destabilisiert und diese dadurch regelrecht auslaufen. Andere Forscher gehen davon aus, dass sich Kupfer an die DNA der Keime bindet und die Gensequenzen an der weiteren Teilung hindert. Fakt ist, dass sich im Inneren von getöteten Bakterien Kupfer­ionen nachweisen lassen. Wie das Kupfer ins Innere der Zellen gelangt, ist einigermaßen klar, aber nicht, wie der zerstörerische Prozess bei Bakterien ausgelöst wird.



Türklinken aus Kupfer können verhindern, dass Bakterien von Mensch zu Mensch übertragen werden.

(Foto: Deutsches Kupferinstitut)

Laser strukturieren Oberflächen im Nanobereich

Im Laborversuch wurde die Laserinterferenztechnologie am Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik (MECS) in Saarbrücken genutzt. Dabei werden mehrere gebündelte Laserstrahlen auf das Material gerichtet. Sie überlagern sich wie Wellen, die entstehen, wenn man mehrere Steine ins Wasser wirft. Physikalisch wird dieses Phänomen Interferenz genannt. In einem einzigen Schritt kann man dadurch auf der Fläche eines Quadratzentimeters tausendfach äußerst präzise Muster in der Größenordnung von wenigen Mikrometern erzeugen. Das Laserlicht wirkt mit extremer Hitze sehr punk­tuell auf die Oberfläche ein. So kann man auf weniger als einem Zehntel Haaresbreite alle ­Metalle schmelzen. Direkt daneben, also etwa 5/1.000mm weiter, bleibt das Material praktisch unverändert. Durch die große Energie des Laser­strahls kann die Oberfläche auch in ihrer Topografie verändert werden, es entstehen winzig kleine Vertiefungen oder Erhebungen vielfältiger gewünschter Formen. Für den Bakterienversuch wurde eine Kupferplatte mit einer nanometerdünnen Kunststoffschicht überzogen. Mit dem Interferenz­muster der pulsierenden Laserstrahlen wurden winzige Lochstrukturen in diese Schicht geschossen und erzeugten so ein präzises, wabenartiges Muster. Die Löcher waren mit ½µm, also einem millionstel Meter, gerade etwas kleiner als der Durchmesser der Bakterien, sodass sie der Oberfläche nahekommen aber diese nicht berühren konnten. Das überraschende Ergebnis war, dass die Bakterien auf dieser Oberfläche nicht abgestorben sind, obwohl ebenso viele Kupfer­ionen freigesetzt wurden wie auf der Vergleichsfläche. Im Vergleichsversuch mit einer unbeschichteten Kupferplatte und der gleichen Konzentration von Kupferionen waren alle Bakterien nach wenigen Minuten vernichtet. Durch Vergleiche mit anderen Metalloberflächen konnte letztlich gezeigt werden, dass die Bakterien sowohl die Kupferionen aufnehmen als auch in direkten Kontakt mit der Kupferoberfläche kommen müssen, um abzusterben. Die genauen, offenbar komplexen Prozesse zwischen Kupferoberfläche und Keimen müssen nun genauer erforscht werden.



Mit gepulsten Laserstrahlen schossen die Materialforscher winzige Löcher in die hauchdünne Kunststoffbeschichtung einer Kupferplatte. Die Löcher waren so klein, dass die Bakterien nicht zur Kupferoberfläche durchdringen konnten.

Foto: Universität des Saarlandes

Neuartig und aktiv keimtötend

Durch die Erkenntnisse aus derartigen Modellversuchen soll es letztlich möglich werden, neuartige, aktiv keimtötende Materialoberflächen zu entwickeln. Die antibakterielle Wirkung der Materialien sollte möglichst lange bestehen bleiben und auch nicht durch Putz- und Desinfek­tionsmittel zerstört werden. Daher wird man die Laserstrahlen auch dazu benutzen, um die innere Struktur des Materials in einer hauchdünnen Schicht zu verändern. Die neuartigen Werkstoffe können nicht nur für Krankenhäuser nützlich sein, sondern auch in der alltäglichen Umgebung, etwa für Haltegriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln, Türklinken in öffentlichen Gebäuden und andere Gegenstände, die von vielen verschiedenen Menschen angefasst werden. An diesen Stellen setzen sich Viren und Bakterien gerne fest und werden über den direkten Hautkontakt verbreitet. Die Forscher hoffen, dass durch Materialoberflächen, die aktiv Bakterien hemmen, in Zukunft die gefährlichen Infektionen besser eingedämmt werden können.

Präzise Analyse elektrischer Kontakte

In Saarbrücken erforscht man außerdem neue Materialien für elektrische Kontakte. Sie sollen verhindern, dass die extrem heißen Funken von bis zu 6.000°C, die beim Einschalten aufblitzen, die Kontakte zerstören. Die dadurch verursachten winzigen Materialschäden, die sich häufig nur auf atomarer Ebene abspielen, können jetzt mit neuen Technologien sichtbar gemacht werden. An der Universität des Saarlandes wurde dafür ein Labor zur Atomsondentomografie eingerichtet. Um die oft komplexe Geometrie eines Materials zu verstehen, wurden verschiedene Methoden entwickelt. So kann man nicht nur chemisch analysieren, welche Atome enthalten sind, sondern auch die Gitterstruktur der Kris­talle veranschaulichen und zeigen, welche Nano­strukturen daraus geformt werden. Mit diesen Erkenntnissen können vorhandene Materialien optimiert und ganz neue Werkstoffe entwickelt werden, die dann die gewünschten Eigenschaften wie etwa extreme Härte oder Hitzebeständigkeit aufweisen. Für das neue Labor konnte mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft das weltweit führende Großgerät zur atomar aufgelösten ­Materialtomografie (Cameca Leap, USA) angeschafft werden. Dieses ergänzt die zwei- und dreidimensionalen Analysetechniken in den ver­schiedenen Laboren auf dem Uni-Campus. Die Nanotomografie etwa erzeugt ähnliche Bilder wie die Computertomografie in der medizinischen Untersuchung. Im Unterschied dazu wird der Körper aber nicht scheibchenweise durchleuchtet, sondern durch einen sehr prä­zisen Ionenstrahl systematisch in Nanoscheibchen zerlegt und mit einem Elektronenstrahl abgetastet. Bei der Atomsondentomografie hingegen werden die Atome durch ein extremes elektrisches Feld einzeln aus der Probe herausgerissen, analysiert und danach zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt – bis hin zum einzelnen Atom.

Foto © panthermedia.net | Sebastian Kaulitzki, James Steidl, Philip Lange

Stichwörter:
Materialien, Krankenhauskeime

L&M 2 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2014.
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