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Hanf in Lebensmitteln

Eine uralte Kulturpflanze im Lebensmittelbereich neu entdeckt?

Dr. Elke Below, Dr. Sabine Rosenstock
Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum
der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Eine legale Nutzpflanze im juristischen Blickwinkel

Die Hanfpflanze – insbesondere die Sorte Cannabis sativa (was ‚nützlich‘ bedeutet) – zählt zu den ältesten ökonomisch genutzten Pflanzen der Erde und liefert je nach Sorte einen Rohstoff zur Fasergewinnung, essbare Samen, aber auch Drogenharz und kann deshalb auch als Rauschmittel konsumiert werden. Schon in dem 1536 erschienenen Kräuterbuch von Otto Brunfels (1489–1534), welches erstmals gezeichnete Darstellungen von einheimischen Pflanzen wiedergibt, wird auf die rauscherzeugenden, psychotropen Wirkungen der Hanfpflanze hingewiesen. Diese Eigenschaften des Cannabis beruhen überwiegend auf dessen Hauptinhaltsstoff – dem ?-9-Tetrahydrocannabinol (THC). Der Anbau von Hanfpflanzen war deshalb sowohl in den USA als auch in Europa lange Zeit verboten. Nach der Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes Anfang der 90er Jahre (2. BTMG-Änderungsgesetz vom 04.04.1996) wurde ein Anbau von THC-armen Hanfsorten (unter 0,3 %) auch in Deutschland wieder möglich. Seitdem werden neben verschiedenen Industrieprodukten wie Textilien, Bücher oder Körperpflegemittel auch diverse cannabishaltige Lebens- und Genussmittel, wie Öl, Schokolade oder Müsliriegel, aber auch hanfhaltige Getränkesorten – vor allem verschiedene Biere – auf dem deutschen Markt angeboten. Trotz der strengen Kontrollen von Anbau, Herstellung und Verkauf der Hanfprodukte zeigten einige wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre, dass Lebensmittel auf Hanfbasis signifikante Mengen THC enthalten und somit auch das Potenzial haben könnten, cannabistypische Rauschzustände auszulösen sowie auch positive Cannabis-Testergebnisse bei Verkehrskontrollen zu erzeugen. 1997 wurde vom Deutschen Bundestag ein neuer Ordnungswidrigkeitstatbestand in den § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) eingeführt. Die Anlage sanktioniert das Fahren eines Kraftfahrzeuges unter dem Einfluss von bestimmten Rauschdrogen. Demnach ist der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit bereits verwirklicht, wenn THC im Blut des Fahrers sicher nachgewiesen werden kann, da die durch den Bundestag eingeführte Neuregelung des Straßenverkehrsgesetzes seit 1998 ein absolutes Drogenverbot auf Deutschlands Straßen fordert. Auch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV) hat sich in den letzten Jahren mit der Problematik der Inhaltsstoffe von Hanfprodukten – vor allem mit dem rauscherzeugenden THC – auseinandergesetzt. Unter der Annahme, dass täglich verschiedene hanfhaltige Produkte in durchschnittlichen Mengen konsumiert werden könnten, wurden THC-Richtwerte für Lebensmittel abgeleitet, bei deren Einhaltung nicht mit bedenklichen Cannabis-Wirkungen zu rechnen ist. • 5 ?g/kg für alkoholische und nichtalkoholische Getränke • 5.000 ?g/kg für Speiseöle • 150 ?g/kg für alle anderen Lebensmittel Trotzdem findet man den Hinweis auf Konsum von cannabishaltigen Lebens- oder Genussmitteln häufig als Schutzbehauptung für einen illegalen Cannabiskonsum. Gerade in der rechtsmedizinischen Gutachtertätigkeit zu Verkehrsdelikten oder Straftaten unter Drogen wird man mit solchen Aussagen konfrontiert. Bereits eine Vielzahl verschiedener cannabishaltiger Getränke mit oder ohne Alkohol verleitet zu der Annahme, dass hier auf „legale“ Weise ein Cannabis-Drogenbefund im Blut oder Urin erklärt werden könnte, der als Entschuldigung für ein positives Drogenscreening oder einen Vortest im Straßenverkehr dienen könnte. Bisherige, wenige Studien zur Aufnahme von Lebensmitteln auf Hanfbasis wie Öl, Samen oder Müsliriegel mit z.T. positiven Ergebnissen verstärken die Frage nach einer möglichen Differenzierung zwischen legalem Faserhanf und illegalem Drogenhanf vor allem für die verkehrsmedizinische Begutachtung.

Cannabishaltige Lebensmittel und Getränke im Drogen-Selbstversuch

*Fragen*
Können rauscherzeugende THC-Konzentrationen in Lebensmitteln nachgewiesen werden? Sind positive Testergebnisse auch bei einem ganz normalen Konsum von Cannabis-Lebensmitteln sowie -Getränken möglich?

Welche Lebensmittel enthalten wirklich Tetrahydrocannabinol (THC) als Hauptinhaltsstoff rauscherzeugender Cannabinoide und wie viel muss und kann man davon konsumieren, um positive Befunde im Blut oder Urin zu erhalten?

*Antworten*
Im Rahmen einer medizinischen Dissertation am Institut für Rechtsmedizin (ROSENSTOCK, Greifswald 2004) wurden Untersuchungen zu dieser Problematik durchgeführt [1–3]. Insgesamt konnten 26 verschiedene Produkte, darunter 9 Nahrungsmittel – 3 Sorten Schokolade, 2 Sorten Müsliriegel, 2 Sorten Hanfsamen, Hanftee und Hanf-Tofuprodukte sowie Knaster-Räucherhanf zur Raumluftverbesserung vermessen werden, die über das Internet, auf speziellen Veranstaltungen, wie z.B. auf der Grünen Woche in Berlin, erworben wurden. Zusätzlich standen 16 verschiedene cannabishaltige Flüssigkeiten, darunter 7 verschiedene Sorten Bier, Likör, Cola, Limonaden, Met, Energiedrinks und Eistee zur Verfügung. Alle analysierten Getränke sind in der Bundesrepublik vor allem in Tankstellen oder speziellen Geschäften frei verkäuflich. Die quantitative Bestimmung des THC-Gehaltes der Hanfprodukte erfolgte mittels GC/MS (TurboMass™ - Mass Spectrometer, Fa. Perkin Elmer) analog dem routinemäßig eingesetzten Extraktions-Derivatisierungsschema unter Verwendung von deuterierten Standards. Die Flüssigkeiten wurden in unverdünnter Form nach dem üblichen Probenbearbeitungsschema zuerst einem immunologischen Cannabis-Screening (EMIT) unterzogen. (Ergebnisse in Tabelle: THC-Gehalte der untersuchten Hanf-Produkte). Die Analyse des „Hanfmet“, eines Weinproduktes mit Hanfauszügen, ergab mit einem ersten THC-Gehalt von sehr hohen 23,1 ng/ml, die klar über dem Richtwert der BgVV für alkoholische Getränke lagen, eine kleine Überraschung. Durch mehrere Wiederholungsmessungen konnte jedoch ein sinkender THC-Gehalt bis zu einer Konzentration von 4,0 ng/ml ermittelt werden. Dieses Getränk war damit für weitere Versuche nicht geeignet. Der Müsliriegel „Hempstar“ war mit 0,21 ?g/g das einzige Nahrungsmittel, dessen THC-Gehalt deutlich über dem vom BgVV vorgeschlagenen Grenzwert (0,15 ?g/g) lag.

Probanden liefern Beweise

Anhand der Analysenergebnisse der Hanfprodukte sollte die Frage geklärt werden, ob nach deren Verzehr THC bzw. die Metabolite in Blut und/oder Urin noch nachzuweisen sind bzw. ob ein positives Screening-Ergebnis nach dem Konsum erhalten werden kann. Dafür wurden jeweils drei der untersuchten Hanfnahrungsmittel bzw. -getränke mit nachweisbarem THCGehalt ausgewählt, die in größeren Mengen an eine Gruppe von Freiwilligen, überwiegend Studenten, verabreicht wurden. Bei den Produkten handelte es sich speziell um die Hanfschokolade C’Nuts (100– 300 g), den Müsliriegel Hempstar-Frucht (5 St.), Knabberhanf Hot&Spice (ca. 100 g), Cannabia Der Hanftrunk (1,65 l), Canna Cola (1–2 l) und Ca Leaf-Hanflikör (0,25–0,5 l). Jedes Produkt wurde wenigstens von zwei verschiedenen Probanden konsumiert, von denen zweistündlich Urin- bzw. einstündlich Blutproben gesammelt wurden. Das erhaltene Probenmaterial wurde semiquantitativ, immunochemisch (EMIT, Fa. Dade-Behring) und zusätzlich mittels Mikrotiterplattenanalyse (MTP, Fa. MAHSAN) untersucht. Während des Versuches wurde bei den Probanden auf eventuelle Cannabis-typische Wirkungen oder psychische bzw. physische Veränderungen geachtet, die von den Versuchsteilnehmern bzw. Beobachtern gegebenenfalls notiert werden sollten. Während des Konsumzeitraums und danach durften die Probanden in Maßen andere nichtalkoholische Getränke zu sich nehmen. Außerdem sollten während des gesamten Untersuchungszeitraums eventuelle Cannabistypische Wirkungen beobachtet und vermerkt werden.

Wie sieht es aus mit Hanftee?

Die immunologischen Analysen der trockenen Hanfteeblätter ergaben mit 4,72 ?g/ml einen ungewöhnlich hohen Gehalt an THC. Deshalb wurde der Tee analog dem beiliegenden Zubereitungsvorschlag aufgebrüht und der Aufguss nochmals immunologisch analysiert. Ein Proband trank innerhalb eines Tages zwei Liter des so zubereiteten Hanftees und gab innerhalb der ersten 33 folgenden Stunden acht Urinproben ab. In Übereinstimmung mit anderen Publikationen konnten weder im Aufguss selbst, noch in den gesammelten Urinproben immunologisch erhöhte – positive – Cannabis-Ergebnisse festgestellt werden.

Ergebnisse und Ausblick

Obwohl wir unseren Probanden Hanfprodukte ad libidum anboten und diese sich auch ernsthaft darum bemühten, größtmögliche Mengen zu verzehren, konnten wir weder im Blut noch im Urin Cannabinoide nachweisen. Die Ergebnisse für Tetrahydrocannabinol und seiner Metaboliten lagen immer weit unter dem Methoden-Cutoff, sodass auf weiterführende Bestätigungsanalysen mittels GC/MS verzichtet werden konnte. Dies entspricht der Vorgehensweise in Routineuntersuchungen in der Forensischen Toxikologie. Bei der Betrachtung unserer Analyseergebnisse und dem Vergleich mit älteren Publikationen, insbesondere aus den neunziger Jahren, erkennt man, dass der THC-Gehalt in Hanfprodukten während der letzten Jahre gesunken ist. Gleichzeitig kann festgestellt werden, dass in Deutschland hergestellte bzw. verkaufte hanfhaltige Lebensmittel nach deren Konsum nicht zu positiven Befunden in Drogentests führen und die vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz vorgegebenen Richtwerte im Wesentlichen eingehalten werden. Diese Werte sind so angesetzt, dass es weder physiologisch, noch toxikologisch möglich sein sollte, im Blut rauscherzeugende Konzentrationen zu erreichen. Unter diesen Vorraussetzungen können unseren Untersuchungen zufolge normale Mengen dieser Lebensmittel verzehrt werden, ohne dass positive Cannabis-Befunde im Urin oder Blut erhalten werden. Auch konnten keine Leistungseinschränkungen, welche die aktive Teilnahme im Straßenverkehr beeinflussen würden, beobachtet werden. Deshalb kann jeder positive Befund für THC im Blut oder eines der THC-Stoffwechselprodukte im Urin generell als Hinweis auf einen Drogenkonsum bzw. -abusus vom Cannabinoidtyp angesehen werden. Vorsicht sollte jedoch noch bei dem Genuss von ausländischen Lebensmitteln mit Hanfzusätzen und Hanfölen geboten sein, da diese möglicherweise höhere THCKonzentrationen enthalten können, welche die Richtlinien des BgVV stark überschreiten und zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen führen würden.

Foto: © Dr. Elke Below

Weitere Literatur zu diesen Untersuchungen:
[1] ROSENSTOCK: „Untersuchungen zu cannabishaltigen Lebensmitteln“, Medizinische Dissertation, Greifswald 2004
[2] ROSENSTOCK, S.; BELOW, E.; LIGNITZ, E.: „Hanfbier und andere cannabishaltige Getränke – Grenzfälle des Drogenkonsums ?“ Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, bast M171, Dt. Gesell. f. Verkehrsmedizin e.V., 171 – 173, 2005
[3] BELOW, E.; ROSENSTOCK, S.; LIGNITZ, E.: „Hanfprodukte auf dem deutschen Lebensmittelmarkt – THC-Gehalt und forensische Bedeutung“ BLUTALKOHOL Vol. 42, 442 – 449, 2005

L&M 4 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2008.
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