Eine neue Option in der Metallspeziation
Die Metallspeziation, d.h. Methoden zur Identifizierung und Quantifizierung wohldefinierter Metallverbindungen im Gegensatz zur Erfassung von summarischen Metallkonzentrationen, ist als wichtige Fragestellung in der Analytik etabliert. Besonders im Bereich der Umweltanalytik, der Biologie, der Medizin und der Ernährungswissenschaften ist die Kenntnis von Metallkonzentrationen allein nicht ausreichend, um die Frage nach ihrer biologischen Funktion zu klären. Die Speziationsanalytik trägt dieser Erkenntnis Rechnung, indem nicht primär die Metalle untersucht werden, sondern die Bindungsformen und Oxidationszustände (Spezies) betrachtet werden, in denen die Metalle vorliegen.
Trotz enormer methodischer Fortschritte in den letzten Jahren ist die Metallspeziation in realen biologisch-relevanten Matrices immer noch eine Herausforderung. Das gilt insbesondere für kleine, nicht-kovalente Metallspezies, deren Stabilität gegenüber analytischen (Trenn-)Verfahren nicht immer gegeben ist und daher Speziestransformationen nicht auszuschließen sind. Infolgedessen existieren gesicherte Daten bisher hauptsächlich für sehr stabile Metallspezies, während über „labilere“ (= reaktivere) Metallspezies nur wenig Informationen vorliegen. Jedoch sind es gerade diese nicht völlig inerten, reaktiven Spezies, die bei biologischen Vorgängen die entscheidende Rolle spielen und teilweise toxikologische Relevanz besitzen.
Zwei Beispiele aus dem Gebiet der Metallspeziation werden im Folgenden vorgestellt, um das Potential der Hydrophilen Interaktionschromatografie (HILIC) in diesem Gebiet der analytischen Chemie aufzuzeigen. Die HILIC kommt zum Einsatz bei der Trennung sowohl von Phytosiderophoren, die der Aufnahme von Eisen in Pflanzen (z.B. Weizen, Mais, Reis) dienen, als auch von Gadolinium-Kontrastmitteln, die in der Kernresonanz-Tomographie (MRT) verwendet werden. Die HILIC als Trenntechnik bietet für diese Fragestellungen den Vorteil, dass sie auf schonenden Bedingungen aufgrund relativ schwacher Verteilungswechselwirkungen beruht – etwa im Gegensatz zum Ionenaustausch mit starken elektrostatischen Wechselwirkungen, die bis zur Dissoziationen von Metallspezies führen können.
HILIC-ähnliche Trennsysteme (NP-Chromatografie) werden zwar schon seit langem angewendet, die Bezeichnung HILIC ist jedoch erst 1990 eingeführt worden [1]. Typische Analyten für die HILIC sind sehr hydrophile Verbindungen, wie zum Beispiel polare Metaboliten oder Peptide. Der Trennmechanismus basiert im Wesentlichen auf der Verteilung der polaren Analyten zwischen einer wasserreichen, teilweise immobilisierten Grenzschicht an der polaren stationären Phase und einer weniger polaren mobilen Phase (üblicherweise mit einem hohen Anteil an Acetonitril). Daraus resultiert für hydrophile Substanzen eine stärkere Retention als für hydrophobe Stoffe. Zusätzlich zum „reinen“ HILIC-Mechanismus können aber je nach der Chemie der stationären Phase weitere Wechselwirkungen ergänzend auftreten, die einen sehr großen Einfluss auf die Selektivität ausüben.
Die HILIC-Phase mit der längsten Historie ist unmodifiziertes Kieselgel. Dieses birgt aber die Gefahr der irreversiblen Adsorption der Analyten. Im HILIC-Modus „schirmt“ die wasserreiche Schicht zwar die Oberfläche der stationären Phase ab; sie kann aber die Wechselwirkung mit aktiven Silanolgruppen nicht vollständig verhindern. Um diese Nachteile zu überwinden und um bessere Selektivitäten zu erreichen, wurden gebundene Trennphasen auf Kieselgelbasis eingeführt [2]. Neben neutralen (z.B. Diol) und pH-abhängig geladenen (z.B. Aminopropyl) HILIC-Phasen haben zwitterionische stationäre Phasen die breiteste Einsetzbarkeit. Letztere tragen sowohl kationische als auch anionische funktionelle Gruppen. So bewirkt beispielsweise die Verwendung einer Sulfobetain- Struktur (positiv geladene quarternäre Ammoniumgruppe, negativ geladener Sulfonsäurerest) eine in Summe nach außen ungeladene aber dennoch hochpolare Oberfläche. Im Gegensatz zu einer Phase mit ausschließlich positiv oder negativ geladener Funktionalisierung, wie sie in der Ionenaustauschchromatografie Verwendung findet, treten nur schwach-ionische Wechselwirkungen auf, so dass geringere Puffer- und Salzkonzentrationen ausreichend sind (< 100 mM), und die Gefahr der Speziestransformation minimiert ist. Die mobilen Phasen sind in der Regel binäre Gemische aus Wasser oder Puffer (< 40 %) und organischen Lösungsmitteln. Mindestens 3 % Wasser sind für eine ausreichende Benetzung der stationären Phase erforderlich. Am häufigsten wird eine mobile Phase aus Acetonitril und einem wässrigen Puffer (Essigsäure/Ammoniumacetat oder Ameisensäure/ Ammoniumformiat) verwendet. Die Gradientenbedingungen im HILIC-Modus sind umgekehrt zu denen des Umkehrphasen (reversed phase, RP)-Modus und beginnen mit einem hohen Organikanteil.
Dies hat bei der Kopplung mit der Elektrospray-Massenspektrometrie (ESI-MS) den Vorteil, dass durch die vergleichsweise niedrige Oberflächenspannung der mobilen Phase die Spraybildung im ESI-Prozess stark begünstig wird. Folglich zeigt die HILIC im Hinblick auf die Empfindlichkeit für polare Substanzen in der ESI-MS-Detektion deutliche Vorteile gegenüber der RP-HPLC [3]. Die problemlose Kopplung mit der ESIMS eröffnet die Möglichkeit, unbekannte Metallspezies eindeutig zu identifizieren.
Anwendung findet die HILIC/ESI-MSKopplung beispielsweise bei der Untersuchung der Verwertung essentieller Metalle (wie z.B. Eisen) in Pflanzen, die trotz langjähriger intensiver Forschungstätigkeit auf molekularer Ebene noch nicht in allen Einzelheiten verstanden ist. Ernährungsphysiologisch sind Pflanzen die Hauptquelle für die Eisenversorgung des Menschen. Es wird geschätzt, dass ca. 2/3 der Weltbevölkerung von Eisenmangel-induzierter Anämie gefährdet sind. Die Eisenaufnahme in Gräsern (wie Weizen, Mais, Reis, etc.) erfolgt durch Abgabe von sog. Phytosiderophoren (PS) in die Bodenlösung, mit nachfolgender Komplexierung von Fe(III) und Wiederaufnahme des intakten Fe(III)-PSKomplexes in die Pflanze. Über die Umwandlungsprozesse in der Pflanze, die höchstwahrscheinlich sowohl Redoxvorgänge (Reduktion von Fe(III)- zu Fe(II)- Komplexen) als auch Ligandenaustauschprozesse beinhalten, ist nur wenig bekannt.
Ein potentieller Ligand für Eisen ist Nicotianamin (NA) [4]. Neben der Rolle des NA im intrazellulären Eisentransport werden zudem die Komplexgleichgewichte mit weiteren Metallen diskutiert. Demzufolge ist die Untersuchung solcher Speziesumwandlungen auf molekularer Ebene erforderlich, um die komplexen (Regulations-) Vorgänge zu verstehen, und damit letztendlich Mangelzustände beim Pflanzenwachstum zu vermeiden. Als Beispiel ist die HILIC-Trennung von NA und dessen Zink-Komplex in Abb. 1 gezeigt. Für den Liganden resultiert aus der Komplexbildung mit Zink eine deutliche Erniedrigung der Retention, was durch die Bindung des Zink-Kations an mehrere geladene funktionelle Gruppen und damit verbundene Abnahme der effektiven Ladung ( kleinere Hydrophilizität kürzere Retentionszeit) begründet ist. Die Trennung wurde auf einer SeQuant™ ZIC®-HILIC-Trennsäule und mit einem Acetatpuffer/Acetonitril-Gradienten durchgeführt [5,6]. Die freien Liganden liegen als mehrfach geladene Zwitterionen vor. Da die verwendete Trennsäule auch zwitterionische Funktionalitäten (chemisch gebundene Sulfobetaingruppen) enthält, wird der „reine“ HILIC Trennmodus noch durch die elektrostatische Wechselwirkungen ergänzt. Die ESIMS-Detektion liefert zudem eine eindeutige Identifizierung anhand des Zink-Isotopenmusters (s. Abb. 1, unten). Neben Zink besitzt auch Gadolinium (Gd) ein charakteristisches Isotopenmuster. Der zunehmende Einsatz von Gd-Komplexen in der Radiologie als Kontrastmittel für MRT-Untersuchungen führt zu einer erheblichen Anreicherung von Gd in der aquatischen Umwelt. Zwar wurden bereits in zahlreichen Oberflächen- und auch Trinkwasserproben anomal hohe Gd-Konzentrationen beobachtet [7], aber die derzeit etablierten analytischen Methoden erlauben lediglich die Bestimmung der Gd-Gesamtkonzentration. Da sich die einzelnen Verbindungen jedoch teilweise deutlich in ihrer Toxizität unterscheiden und das Verhalten der Gd-Komplexe im Abwassersystem, in Oberflächengewässern sowie in Trinkwasseraufbereitungsanlagen weitgehend unbekannt ist, erweist sich die HILIC als ausgezeichnetes Trennverfahren. Besonders vorteilhaft ist hierbei, dass es mittels HILIC möglich ist sowohl ionische, als auch nichtionische Gd-Komplexe in einem chromatografischen Lauf gemeinsam zu analysieren. Abb. 2 zeigt die fünf in der Routinediagnostik am häufigsten verwendeten MRT-Kontrastmittel. Um auch in komplexen Matrices wie z.B. Blutplasma [8] oder Abwasserproben [9] möglichst selektiv und sensitiv detektieren zu können, ist häufig der Einsatz gekoppelter Systeme erforderlich. Neben der Kopplung der HILIC mit der ESI-MS wird auch die Kopplung an induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometer (HILIC/ICPMS) eingesetzt. Aufgrund des hohen Organik-Anteils der HILIC ist die Kopplung mit der ICP-MS zwar nicht trivial, bietet aber eine Reihe von attraktiven Vorteilen: Neben den oftmals exzellenten Nachweisgrenzen ermöglicht das speziesunabhängige Ansprechverhalten der ICP-MS die Quantifizierung von Verbindungen, selbst wenn für diese Substanzen keine Standards verfügbar sind.
Die HILIC/ICP-MS wurde beispielsweise eingesetzt, um das aquatische Verhalten von Gd-basierten MRT-Kontrastmitteln zu untersuchen. In einer ersten Studie wurde eine Vielzahl von Abwasserproben aus der Abwasserleitung eines Universitätsklinikums, dem nachfolgenden Kanalnetz und den unterschiedlichen Prozessstufen der städtischen Kläranlage genommen und auf die einzelnen Gd-Komplexe hin untersucht.
Abb. 3 zeigt HILIC/ICP-MS-Chromatogramme einer 1x10–8 mol/L Standardlösung (a) und ausgewählter Abwasserproben (b+c). Wie man in Abbildung 3b) sieht, konnten in den Abwasserproben aus dem Vorklärbecken der lokalen Kläranlage die Kontrastmittel Multihance (Gd-BOPTA), Gadovist (Gd-BTDO3A) und Dotarem (Gd-DOTA) nachgewiesen werden. Die Konzentrationen der einzelnen Gd- Spezies bewegten sich hierbei in einem Bereich von 1,1x10–9 bis 2,3x10–8 mol/L. In den meisten untersuchten Abwasserproben wurde Gd-DO3A aus dem Kontrastmittel Gadovist als überwiegend vorliegende Gd-Spezies vorgefunden. Tendenziell scheint die Konzentration der Kontrastmittel im Verlauf der einzelnen Klärstufen zwar sukzessive abzunehmen, aber auch im Auslauf der Kläranlage (Abb. 3c) konnte noch undissoziiertes Gd-BT-DO3A nachgewiesen werden. HILIC bietet ideale Voraussetzungen zur „Metallspezies-kompatiblen“ Trennung von labilen, hochpolaren oder sogar ionischen Metallkomplexen, wie zum Beispiel von Phytosiderophor-Metallkomplexen und Gadolinium-basierten MRT-Kontrastmitteln.
Als Detektionsmethoden bieten sich sowohl die ESI-MS als auch die ICP-MS an: Die ICP-MS ermöglicht neben den oftmals exzellenten Nachweisgrenzen auch die Quantifizierung von unbekannten Spezies ohne Verwendung von teuren Speziesstandards, während die ESI-MS die Identifizierung unbekannter Spezies zulässt. Dieser komplementäre Einsatz von Molekül- und Element-Massenspektrometrie mit einer geeigneten chromatografischen Methode birgt demzufolge großes Potential in der Metallspeziation.
hayen@uni-wuppertal.de
Literatur
[1] A. J. Alpert: „Hydrophilic-interaction chromatography for the separation of peptides, nucleic acids and other polar compounds“, J. Chromatogr. 1990, 499, 177–196.
[2] P. Hemström, K. Irgum: „Hydrophilic interaction chromatography“, J. Sep. Sci. 2006, 29, 1784–1821.
[3] H. P. Nguyen, K.A. Schug: „The advantages of ESI-MS detection in conjunction with HILIC mode separations: Fundamentals and applications“, J. Sep. Sci., 2008, 31,
1465–1480.
[4] M. Takahashi, Y. Terada, I. Nakai, H. Nakanishi, E. Yoshimura, S. Mori, N. K. Nishizawa: “Role of Nicotianamine in the Intracellular Delivery of Metals and Plant Reproductive Development”; The Plant Cell 15 (2003) 1263–1280.
[5] Y. Xuan, H. Hayen, E. Scheuermann, N. von Wirén, G. Weber: „Separation and identification of phytosiderophores and their metal complexes in plants by zwitterionic
hydrophilic interaction liquid chromatography coupled to electrospray-ionization mass spectrometry”, J. Chromatogr. A 2006, 1136, 73–81.
[6] G. Weber, N. von Wirén, H. Hayen: „Hydrophilic interaction chromatography of small metal species in plants using sulfobetaine and phosphorylcholine type zwitterionic stationary phases”, J. Sep. Sci. 2008, 31, 1615–1622.
[7] S. Kulaksiz, M. Bau: „Contrasting behaviour of anthropogenic gadolinium and natural rare earth elements in estuaries and the gadolinium input into the north sea“,
Earth Planet. Sci. Lett. 2007, 260, 361–371.
[8] J. Künnemeyer, L. Terborg, S. Nowak, A. Scheffer, L. Telgmann, F. Tokmak, A. Günsel, G. Wiesmüller, S. Reichelt, U. Karst: „Speciation analysis of gadolinium-based MRI contrast agents in blood plasma by hydrophilic interaction chromatography/electrospray mass spectrometry(HILIC/ESI-MS)“, Anal. Chem. 2008, 80, 8163–8170.
[9] J. Künnemeyer, L. Terborg, B. Meermann, C. Brauckmann, I. Möller, A. Scheffer, U. Karst: „Speciation analysis of gadolinium chelates in hospital effluents and wastewater
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L&M 6 / 2010
Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 6 / 2010.
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