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L&M-3-2008 > Superathleten aus dem Labor

Superathleten aus dem Labor

Visionen und Wirklichkeit des Gendopings

Dr. Patrick Diel,
Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin,
Abteilung Molekulare und Zelluläre Sportmedizin,
Deutsche Sporthochschule Köln

Wie immer in Zeiten nahender Sportgroßereignisse nimmt auch im Olympiajahr 2008 die Diskussion zum Thema Doping einen breiten Raum in den Medien ein. Die Dopingskandale und Enthüllungen der vergangenen Monate fachen diese Diskussion zusätzlich an. Zu den in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnten Methoden, wie die Einnahme von Anabolika oder das allgegenwärtige Erythropoetin gesellt sich in jüngster Zeit allerdings zunehmend ein Begriff, der vielen noch bedrohlicher erscheint, das Gendoping.

Dabei ist die Befürchtung, dass Erkenntnisse aus der aktuellen genetischen und molekularbiologischen Forschung zu Dopingzwecken missbraucht werden könnten nicht neu. Bereits Mitte der 90er Jahre wurde dies vor dem Hintergrund der beginnenden Gentherapie und spektakulärer Ergebnisse der molekularbiologischen und genetischen Forschung erstmals vermutet. Zur damaligen Zeit wurden derartige Szenarien von den meisten Wissenschaftlern allerdings für Science Fiction gehalten. Heute gehen die meisten Experten davon aus, dass wir in Kürze mit den ersten Fällen von Gendoping konfrontiert sein werden. Hierbei ist zu beachten, dass Gendoping– nüchtern betrachtet – zumindest aus toxikologischer oder pharmakologischer Sicht keine besondere Stellung unter den Doping-Methoden einnimmt. Gendoping ist nach der Meinung vieler Experten nicht zwingendwirksamer oder gesundheitsschädlicher als andere Doping-Verfahren. Doping ist –und war schon immer– illegal, unfair und gesundheitsgefährdend. Das gilt für das Gendoping ebenso wie für alle anderen Doping-Methoden.

Methodisch gesehen gibt es eine ungeheure Fülle von Möglichkeiten, Gendoping zu praktizieren (Abb.1.). So kann die Expression der Gene des Menschen durch Modifikationen der DNA beeinflusst werden. Auf dem Weg von der DNA zum Protein bieten die Transkription, posttranskriptionale Modifikationen, der Transport der mRNA ins Cytoplasma, die Stabilität der mRNA, die Translation oder auch die RNA-Interferenz methodische Ansatzpunkte für Manipulationen. Nach erfolgter Translation kann die Wirkung von Proteinen durch deren Modifikation oder durch Effektoren gesteuert werden. Das Muster der Genexpression eines Organismus kann auch durch das Einschleusen von zusätzlichem gen etischen Material beeinflusst werden. Diese Vorgehensweise findet bei der Gentherapie Anwendung und wird in der Öffentlichkeit auch als „die“ Methode des Gendopings betrachtet. Als Fähren zum Einschleusen dieses genetischen Materials kommen virale Systeme zum Einsatz; zunehmend findet aber auch nackte DNA Verwendung. Als biologisch relevante Ziele für Gendoping kommen alle molekularen Faktoren in Frage, welche die Leistungsfähigkeit des Menschen limitieren. Wesentliche Angriffsziele sind die Skelettmuskulatur (Zusammensetzung, Masse, Regenerationsfähigkeit), die Sauerstoffversorgung des Gewebes (Hämoglobin-Konzentration im Blut, Vaskularisierung des Gewebes) sowie die Energie-Bereitstellung.

Bei der Anwendung von Gendoping kann unterschieden werden zwischen dem Missbrauch von Verfahren und Substanzen, die aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten der pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie stammen und dem so genannten individuellen Gendoping. Beim individuellen Gendoping wird – im Gegensatz zum Missbrauch von pharmazeutischen Produkten– die entsprechende Behandlungsstrategie speziell zum Zwecke des Dopings entwickelt und gezielt hierfür eingesetzt. Zurzeit befindet sich eine große Anzahl von relevanten Projekten der Industrie bereits in klinischen Studien. Hier seien vor allem die Entwicklung von Myostatin-Inhibitoren und die Inhibierung des Enzyms Prolyl-Hydroxylase zur Stabilisierung des Hypoxieinduzierten Faktors (HIF) genannt.

Myostatin (Abb. 2), auch GDF-8 genannt, zählt zur Superfamilie der TGF-Β-verwandten Proteine; diese spielen eine wichtige Rolle bei der Zellproliferation und -differenzierung. Myostatin ist ein extrazelluläres Signalmolekül und wird üblicherweise von den Skelett muskel- Zellen gebildet und ausgeschieden; es wirkt als negativer Regulator des Skelettmuskel-Wachstums. Bei einer Hemmung von Myostatin oder bei einem Defekt im Myostatin- Gen aufgrund verschiedener Mutationen kommt es zu einem vermehrten Muskelwachstum. Bei einigen Sportlern aber auch anderen Personen konnte gezeigt werden, dass sie eine Mutation im Myostatin- Gen aufweisen. Bisher wurde für mehrere Proteine (z. B. Follistatin, Aktivin Typ II Rezeptor-Mutanten und Myostatin- Propeptid) nachgewiesen, dass sie effektiv als Myostatin- Signalweg-Blockerwirken, sowohl in vitro, in Zellkultur als auch in tierischen Organismen. Das Knock-out des Follistatin-Rezeptors beispielsweise bewirkt einen Maus-Phänotyp, der dem Knock-out-Phänotyp des Myostatins bei Mäusen sehr ähnelt. Myostatin-Inhibitoren können eingesetzt werden für landwirtschaftliche Belange, für die Behandlung von Muskelkrankheiten, für die Inhibierung der Muskelatrophie und wahrscheinlich für die Prävention oder Behandlung von Stoffwechsel- Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Typ 2-Diabetes.

Das Enzym Prolyl-Hydroxylase ist für den Abbau des sogenannten „Hypoxie- induzierten Faktors“ (HIF) verantwortlich. HIF ist in der Zelle als Transkriptionsfaktor für die Regulation der Aktivität des Erythroproetingens verantwortlich. Normalerweise wird die Aktivität des Erythroproetingens bei Sauerstoffmangel gesteigert. Das hierdurch gebildete Hormon Erythroproetin (EPO) wiederumregt die Bildung von roten Blutkörperchen an.
Hemmt man das Enzym Prolyl-Hydroxylase, so wird die Konzentration von HIF erhöht und es kommt auch bei ausreichender Sauerstoffversorgung zu einer vermehrten Produktion von roten Blutkörperchen. Bei den in Entwicklung befindlichen HIF- Stabilisatoren handelt es sich um niedermolekulare Verbindungen die oral als Pilleeingenommenwerden können. Eine klinische Studie mit HIF- Stabilisatoren wurde im vergangen Jahr allerdings wegen Nebenwirkungen abgebrochen. Eine Frage die im Zusammenhang mit Gendoping immer wieder im Vordergrund steht, ist natürlich die potenzielle Nachweisbarkeit. Das gravierendste Problem hierbei ist die Zunahme der Komplexität der zu berücksichtigenden Manipulationsmöglichkeiten. Heute basieren die meisten zur Anwendung kommenden Verfahren auf dem direkten Nachweis der verabreichten Substanz. Bedenkt man die vielfältigen Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung zellulärer und molekularer Techniken im Dopingbereichergeben, so wird eine derartige Vorgehensweise in Zukunft kaum praktikabel sein.

Um generell mit dieser Problematik umgehen zu können, haben die meisten in Entwicklung befindlichen Nachweismethoden für Gendoping ein Ziel: Es sollen Screening- Systeme etabliert werden, die anhand von Biomarkern Abweichungen vom normalen physiologischen Zustand eines Organismus erkennen können. Hierdurch können Manipulationen detektiert werden, unabhängig von dem Wissen, durch welche Substanz und/oder Methodik sie bewirkt wurden. Fasst man die bisherigen Ergebnisse von Forschungsprojekten zum Thema Gendoping zusammen, lässt sich feststellen, dass es für bestimmte Problemfelder Erfolgversprechende Ansätze gibt, deren Praktikabilität im Moment getestet wird. Bis aus diesen Untersuchungen allerdings Testverfahren hervorgehen, die sich für Routine-Untersuchungen einsetzen lassen, werden sicherlich noch Jahre vergehen. Nach der Einschätzung der meisten Experten werden wir mit den ersten Gendopingfällen wahrscheinlich sehr viel früher konfrontiert werden.

Foto: © www.schwarzenegger.com

Stichwörter:
Gendoping, Myostatin, Myostatin-Nachweis, Prolyl-Hydroxylase, Hypoxie-indutzierter Faktor, HIF-Stabilisatoren

L&M 3 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2008.
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