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Bioverfahrenstechnik - Silage

Fermentationsrohstoff für die chemische Industrie?

In Anbetracht des zu erwartenden Rückgangs der Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe müssen nicht nur für den Energiesektor, sondern auch für die Herstellung industrieller Produkte alternative Rohstoffe gefunden werden. Ein Beispiel für einen nicht in Nahrungsmittelkonkurrenz stehenden nachwachsenden Rohstoff ist grüne Biomasse wie Gras und Klee. Diese lassen sich in Deutschland auf großen Flächen anbauen und enthalten eine Vielzahl potenzieller Substrate für Fermentationen. Silage – Lieferant wertvoller Substrate

Im Jahr 2008 wurden 598.000 ha Ackerfläche mit einem Ertrag von 39 Mt Heugewicht für die Produktion von Gras und Klee genutzt. Dies entspricht etwa einem Ertrag von 156 Mt frischer Grünmasse [1, 2]. Noch nicht erfasst ist dabei der Grasschnitt aus städtischen Anlagen und privaten Gärten. Da frischer Grasschnitt nur in den Sommermonaten zur Verfügung steht, wird er in der Landwirtschaft als Heu oder Silage gelagert. Die Konservierung von Grünmasse durch Silierung wurde bereits in der Antike angewandt und ist heute eine etablierte landwirtschaftliche Technik zur Konservierung von Futtermitteln. Bei der Silierung wird ein Teil der Kohlenhydrate von residenten oder als Starterkultur zugegebenen Milchsäurebakterien zu Milchsäure vergärt. Infolgedessen sinkt der pH-Wert auf 4 – 4,5, was eine Wachstumsinhibierung der meisten Mikroorganismen und somit die Konservierung der Silage bewirkt. Parallel erfolgt auch eine teilweise Freisetzung von Pflanzenbestandteilen, wie Aminosäuren und Zuckern aus Strukturkohlenhydraten [3,4]. Silage als weitverbreitetes landwirtschaftliches Erzeugnis ist somit ein vielversprechender, in großen Mengen dezentral in landwirtschaftlichen Einrichtungen verfügbarer Lieferant für eine Vielzahl von biotechnologisch interessanten Substraten. Diese schließen die gesamte Bandbreite der Pflanzeninhaltsstoffe, von Cellulose über Aminosäuren bis hin zu Salzen und Spurenelementen sowie die bei der Silierung produzierten organischen Säuren ein.

Konditionierung der Silage für Fermentationen

Die Silage kann auf zwei Wegen für Fermentationen nutzbar gemacht werden: Zum einen können durch eine Hydrolyse der Cellulosen und Hemicellulosen die im Fasermaterial enthaltenen Zucker für mikrobielle Fermentationen zugänglich gemacht werden. Dies ist bereits vielfältig für andere lignocellulosehaltige Rohstoffe wie Holz oder Stroh beschrieben worden. Zum anderen ist, anders als bei diesen Materialien, die Gewinnung eines Silagepresssaftes möglich, der unter anderem die wasserlöslichen Zucker, organischen Säuren und Aminosäuren enthält. Neben bestehenden Ansätzen zur Isolation wirtschaftlich interessanter Bestandteile wie der Milchsäure [5] kann der Presssaft auch als Fermentationsmedium genutzt werden [6]. Der Presskuchen kann dabei weiterhin als Futtermittel verwendet werden.


Abb.: Silagepresssaft

Fermentationen auf Silage

Während in der Literatur viele Beispiele für die Produktion von Ethanol aus Hydrolysaten lignocellulosehaltiger Materialien beschrieben sind, gibt es nur sehr wenige Beispiele für die Verwendung von Silagepresssaft als Fermentationsmedium. Diese zeigen aber, dass Silagepresssaft ohne Zusatz von Supplementen als Nährmedium für Hefen genutzt werden kann [6]. Diese Anwendungen sollten sich auch auf andere Mikroorganismen und andere Produkte erweitern lassen. Somit kann Silagepresssaft als Nebenprodukt eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses ein kostengünstiges, einfach zu gewinnendes, nachhaltiges Fermentationsmedium sein. Um die Nutzbarkeit von Silagehydrolysaten oder Silagepresssaft als Fermentationsrohstoff für die chemische Industrie zu testen, wird die Anwendbarkeit für die Herstellung von unterschiedlichen industriell relevanten Lösungsmitteln und Building Blocks überprüft. Ethanol Ethanol ist nach Wasser das bedeutendste Lösungsmittel und hat darüber hinaus Bedeutung als aus erneuerbaren Rohstoffen produzierter Energieträger. Die Herstellung von Ethanol aus Silage kann durch Co-Fermentationen von unterschiedlichen Hefen sowohl auf Silagehydrolysaten als auch auf Silagepresssaft erreicht werden. Diese Co-Fermentationen sind nötig, da in der Silage bzw. dem Silagepresssaft eine Vielzahl unterschiedlicher Zucker vorkommt und kein Organismus bekannt ist, der bei ausreichender Ethanoltoleranz mit hoher Effizienz sowohl C5-Zucker als auch C6-Zucker zu Ethanol umsetzt.

1,2-Propandiol

1,2-Propandiol ist momentan ein petrochemisch hergestelltes Massenprodukt mit Einsatzmöglichkeiten in der Lebensmittelindustrie, der Herstellung von Polyestern sowie pharmazeutischen Produkten und als Frostschutzmittel. In aktuellen Arbeiten wird die biotechnologische Produktion von 1,2-Propandiol auf zwei unterschiedlichen Stoffwechselwegen mit Glukose oder Deoxyzuckern als Substrat beschrieben [7]. Eine andere, speziell für die Nutzung von Silagepresssaft interessante Möglichkeit ist die Umsetzung von Milchsäure zu 1,2-Propandiol durch Lactobacillus buchneri unter sauren Bedingungen [8]. Neben der Isolierung der Milchsäure bietet die biotechnologische Produktion von 1,2-Propandiol eine weitere vielversprechende Möglichkeit zur Nutzung dieser Komponente.

Itakonsäure

Itakonsäure ist eine einfach ungesättigte Dicarbonsäure, die als Co-Polymer im Kunststoffbereich, in Latexfarben, bei der Herstellung von Detergenzien sowie im Pflanzenschutz und in der Pharmaindustrie eingesetzt wird. Aufgrund geringer Produktivitäten und teurer Aufarbeitung wird Itakonsäure bisher nur für Spezialitäten verwendet [9]. Üblicherweise wird Itakonsäure durch die Fermentation von Zuckern durch Aspergillus terreus produziert. Aktuelle Forschungsarbeiten befassen sich mit der Anpassung dieses Verfahrens auf die Verwendung von Silagehydrolysaten und Silagepresssaft als Substrat. Bernsteinsäure Bernsteinsäure wird heute hauptsächlich petrochemisch als Spezialchemikalie produziert. Sie hat allerdings das Potenzial, einen biobasierten Ersatzstoff für eine Vielzahl von petrochemisch basierten Rohchemikalien zu bilden. So könnte Bernsteinsäure als Grundlage von biologisch abbaubaren, hochwertigen Kunststoffen, „grünen“ Lösungsmitteln, Chelatbildnern und Nylon dienen. Darüber hinaus benötigt die biologische Bernsteinsäureproduktion CO2 und könnte somit durch die Kopplung mit anderen Prozessen die Freisetzung dieses Treibhausgases verringern [10]. Für die Produktion von Bernsteinsäure aus Silagepresssaft ist vor allem Actinobacillus succinogenes interessant, da er bei hohen erreichbaren Produktkonzentrationen die meisten der in der Silage vorkommenden Zucker zu Bernsteinsäure umsetzen kann.

Weitergehende Nutzung der Reststoffe

Silage wird heute vor allem als Futtermittel und, in steigendem Rahmen, zur Herstellung von Biogas genutzt. Aus diesen Stoffströmen soll lediglich ein Teilstrom ausgekoppelt und für Fermentationen genutzt werden. Im Rahmen einer nachhaltigen Wirtschaft sollen alle anfallenden Reststoffe, wie der Silagepresskuchen, Hydrolyserückstände und Fermentationsrückstände im Anschluss weiterhin entweder zur Herstellung von Biogas oder als Viehfutter nutzbar sein. Dies muss bei den zu entwickelnden Verfahren berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Grasschnitt hat in Deutschland ein beträchtliches Potenzial als nachwachsender Rohstoff. Über traditionelle landwirtschaftliche Verfahren lässt sich der Grasschnitt für eine ganzjährige Nutzung konservieren. Insbesondere die Silierung stellt dabei einen interessanten Ansatz dar, da bereits beim Konservierungsschritt wertvolle Zwischenprodukte wie Milchsäure gebildet werden und somit bereits eine Veredlung des Rohstoffs Gras stattfindet. Neben der für andere lignocellulosehaltige Rohstoffe etablierten Möglichkeit der Hydrolyse der Zellwandbestandteile bietet Silage daher auch die Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand einen an wertvollen Bestandteilen reichen Presssaft zu gewinnen und als Fermentationsrohstoff zu nutzen.

Das Projekt wird von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe gefördert (22025407 (07NR254)).

Literatur beim Autor

Foto 1: © photocase.de |akileb
Foto 2: © Prof. Dr. Roland Ulber

Stichwörter:
Fermentation, Silage, Nachwachsende Rohstoffe

L&M 2 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2009.
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