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Nobelpreis für Chemie 2012

Nobelpreis für Chemie 2012

Kommunikatoren und Angriffsziele

Der diesjährige Nobelpreis in Chemie ging an die beiden Amerikaner Brian Kobilka und Robert Lefkowitz für die Entdeckung und die Strukturaufklärung der so genannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) an der Oberfläche von Zellen.

Zellen sind soziale „Wesen“

Die grundlegende Struktur- und Funktionseinheit von Organismen ist die Zelle. Zellen bilden geschlossene Kompartimente und werden durch eine Zellmembran von ihrer Umgebung begrenzt. In mehrzelligen Organismen benötigen Zellen Informationen über ihre Umwelt und den „Meinungsaustausch“ mit anderen Zellen für die Koordination komplexer physiologischer Vorgänge, z.B. auch für die Flexibilität tierischen Verhaltens. Die Funktion der Informationsübermittlung über die Zellmembran erfüllen so genannte integrale Membranrezeptoren. Sie bestehen aus 3 verschiedenen Bereichen: einem inneren Bereich, der Kontakt zum intrazellulären Milieu der Zelle hat, einem mittleren Bereich, der sich in der Zellmembran befindet, und einem extrazellulären Bereich, der als Sensor fungiert und Signale von außen empfangen kann. Diese integralen Membranproteine stellen fast 30 % aller Genprodukte einer Zelle dar und sind essenziell für alle Lebensformen, da sie als molekulare Strukturen für den Informationsaustausch zwischen Zellen und für die Wahrnehmung äußerer Reize verantwortlich sind.

Membranrezeptoren – die großen Unbekannten

Seit vielen Jahren untersuchen Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen die Struktur, Funktion und Dynamik von Membran rezeptoren. Obwohl die Membranrezeptor- Forschung eine lange Tradition besitzt, war unser Bild von diesen „zellulären Antennen“ bis vor Kurzem doch sehr unvollständig. So stellten sich z.B. Fragen wie „Wie sind diese Rezeptoren in der Zellmembran strukturiert?“, „Wie beeinflussen Liganden/äußere Reize die Funktion dieser Rezeptoren?“ oder „Wie werden intrazelluläre Proteine und die biochemischen Reaktionen in lebenden Zellen von ihnen gesteuert?“; Fragen, die bislang unbeantwortet blieben. Zwei amerikanische Wissenschaftler, die maßgeblich zur Beantwortung solcher Fragen seit Mitte der 80er-Jahre beigetragen haben, wurden in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt: Robert J. Lefkowitz (Duke University, USA) und Brian Kobilka (Stanford University, USA) für die Entdeckung des Gens, der 3-DStrukturaufklärung und die Erforschung der Funktion eines Adrenalin bindenden Mem branrezeptors, des BETA-Adrenorezeptors. Der BETA-Adrenorezeptor besitzt eine ähnliche Struktur wie Duftrezeptoren und das lichtsensitive Rhodopsin: Eine Erkenntnis, die das Verständnis über eine riesige Proteinfamilie von Membranproteinen geprägt hat und die Tragweite der Forschung von Lefkowitz und Kobilka widerspiegelt.

GPCRs – das „Target“

Der BETA-Adrenorezeptor, das Arbeitspferd von Lefkowitz und Kobilka, gehört zur Klasse der so genannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, auch GPCRs genannt. Über 1000 Vertreter dieser Großfamilie molekularer Zellrezeptoren wurden bis heute beim Menschen gefunden und sind an fast allen lebenswichtigen Körperfunktionen wie Atmung, Gehirnfunktion, Sinneswahrnehmungen, Verdauung und Herztätigkeit beteiligt. GPCRs sind wichtige therapeutische Ziele und funktionale Defekte sind kausal mit dem Pathomechanismus humaner Erkrankungen assoziiert. Etwa die Hälfte der heutigen Pharmaka wirkt über GPCRs, indem sie die Bindung der körpereigenen Signalmoleküle am Rezeptor beeinflusst – einschließlich der von Glutamat, Dopamin, Serotonin, Opioiden, Histamin und Adrenalin. Die Befunde von Lefkowitz und Kobilka besitzen somit wichtige Implikationen für zukünftiges Drug Design. Typisch für alle Mitglieder der Rezeptorfamilie ist eine gefaltete Proteinkette, die sich 7-mal in Form von Transmembranhelices durch die Zellmembran windet und in ihrem extrazellulären Bereich die Bindungsstelle für verschiedene Botenstoffe besitzt (Abbildung links unten). Der ins Zellinnere weisende Teil aktiviert nach Bindung des Liganden ein Signal verarbeitendes dreiteiliges Protein, das namensgebende G-Protein (Guanin-Nukleotid bindendes Protein). Besonders anschaulich werden diese biochemischen Vorgänge durch die Arbeiten von Lefkowitz und Kobilka am Beispiel der Aktivierung von intrazellulären Signalkaskaden am ?-Adrenorezeptor durch Adrenalin. Adrenalin dient nicht nur als Neurotransmitter im Gehirn, sondern wird auch von der Nebenniere ins Blut abgegeben und wirkt auf Rezeptoren im gesamten Körper, um Verhaltensreaktionen zu koordinieren. Die Bindung von Adrenalin am in hoher Dichte vorkommenden BETA-Adrenorezeptor des Herzens bedingt eine Öffnung der eng aneinander liegenden Transmembranhelices und führt sekundär über eine Kopplung der gebundenen G-Proteine vom Typ Gs zu einer Aktivierung der nachgeschalteten Adenylatcyclase. Die Adenylatcyclase erhöht die Konzentration von cAMP im Zytosol und führt zu einer Aktivierung der Proteinkinase A, welche letztendlich durch Phosphorylierung spannungsabhängiger Calciumkanäle eine Erhöhung der Herzfrequenz bedingt. Betablocker, auch BETA-Sympatholytika genannt, antagonisieren die Wirkung von Adrenalin auf die Herztätigkeit, indem sie die Ligandenbindungsstelle besetzen. Die Phosphodiesterase hydrolysiert cAMP wieder zu AMP und beendet letztendlich die Wirkung von Adrenalin (Abb).
Der Kenntnisgewinn über zu Grunde liegende biochemische Ereignisse, den Aufbau und die Funktionsweise der beteiligten Moleküle im Detail war natürlich nur durch die enormen Fortschritte in der Molekularbiologie, der Zellbiologie und der Strukturbiologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts möglich, ist aber ohne Zweifel das besondere und unzweifelhafte Verdienst von Lefkowitz und Kobilka. Man darf gespannt sein, was die Forschung in den nächsten Jahren auf dem Gebiet der GPCRs noch an neuen Erkenntnissen gewinnen wird und wie schnell weitere Liganden für GPCRs klinische Relevanz erlangen.

Brian Kobilka

Geb. 1955 in Little Falls, MN, USA, promovierte 1981 an der Yale University School of Medicine. Es folgten eine internististische Ausbildung am Barnes Hospital der Washington University in St. Louis und ein Postdoc-Aufenthalt an der Duke University. Er ist Professor für Medizin und Professor für Molekulare and Zelluläre Physiologie an der Stanford University School of Medicine, CA, USA.

Robert J. Lefkowitz

geb. 1943 in New York City, studierte Chemie und Medizin an der Columbia University in New York, wo er 1966 promovierte. Anschließend forschte er an den Gesundheitsinstituten der USA (NIH) und am Massachusetts General Hospital in Boston. Seit 1977 ist er Professor für Medizin und Biochemie am Duke University Medical Center in Durham, NC, USA, und forscht auch am Howard Hughes Medical Institute.

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L&M 8 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 8 / 2012.
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