28.03.2024 10:17 - Über uns - Mediadaten - Impressum & Kontakt - succidia AG
Forschung & Entwicklung RSS > Stammzellen - Tumorforschung

Stammzellen - Tumorforschung

Der Entstehung von Krebs auf der Spur

Stammzellen und wie daraus ein Tumor wird, ist bei der Fliege besser verstanden als in jedem anderen Organismus. Stammzellen-Detektive im Labor - Auf der Spur der Entsteh- ung von Krebs ist dem Spürnasen-Team um Dr. Jürgen Knoblich am Institut für Molekulare Biotechno- logie ein Durchbruch gelungen – sie konnten ein Gen identifizieren, das bei der Tumor-bildung eine entscheidende Rolle spielt. Das Gen mit dem Namen Brat braucht allerdings kein Alibi,
denn gerade sein Fehlen löst die Bildung von tödlichen Gehirntumoren aus einer einzigen
Stammzelle aus. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten bei der Entwicklung einer
selektiven Krebstherapie.

Nur wer versteht, wie Krankheiten entstehen, kann sie eines Tages heilen. Ein Tumor beispielsweise entwickelt sich, wenn Zellen sich unbeschränkt vermehren und die Kontrolle über die Zellteilung verloren geht. Herauszufinden, wie Zellen ihre Teilung steuern und welche molekularen Bremsen sie haben um unkontrollierte Zellteilung zu verhindern, ist deshalb ein vorrangiges Ziel der Tumorbiologie.

Abb. 1: Ein Tumor in Fliegen: Fehlt Brat, teilen sich die Stammzellen unkontrolliert und es entsteht ein Gehirntumor. Das Bild zeigt das Gehirn einer Fruchtfliege (Fotomontage) während der Entwicklung: im Normalfall (links) bilden wenige Stammzellen (rot) die vielen Nervenzellen (grün), die für die normale Funktion des Hirns verantwortlich sind. In -Abwesenheit des Brat-Gens (rechts) sind Stammzellen nicht mehr in der Lage, Nervenzellen zu produzieren. Sie verwandeln sich stattdessen in Tumorstammzellen, die das gesamte Gehirn überwuchern. Es kommt zur Ausbildung eines gigantischen Tumors, der die Fliege schließlich tötet. © IMP/IMBA

Eine Revolution in der Tumorforschung

In den letzten Jahren gab es eine kleine Revolution auf diesem Gebiet. Glaubte man früher, dass ein Tumor einfach aus einer Ansammlung „wild gewordener“ Zellen besteht, so geht man heute davon aus, dass ein Tumor eher wie ein körpereigenes Organ aufgebaut ist. Wie im Organ gibt es wenige Stammzellen, die alle anderen Zellen im Tumor erzeugen können. Für einige Tumorarten, wie zum Beispiel Leukämie, ist diese Theorie -inzwischen weitgehend anerkannt, während sie für andere nur eine Hypothese darstellt.
In jedem Fall zwingt uns die Entdeckung der Tumorstammzellen, die gängigen Strategien der Tumortherapie ganz grundsätzlich zu überdenken. Diese zielen nämlich meistens darauf ab, einfach alle schnell teilenden Zellen abzutöten und damit den Tumor weitgehend aufzulösen. Stammzellen haben aber oftmals die fatale Eigenschaft sich gar nicht besonders schnell zu teilen. Sie können deshalb oftmals der Therapie entgehen und dafür sorgen, dass Tumore auch nach vollständiger Entfernung Jahre später wieder auftauchen. Die nicht zerstörten Tumorstammzellen können den Tumor langsam aber sicher rege-nerieren. Es ist als ob man versucht, einen Schwarm Bienen einzufangen. Selbst wenn man die meisten von ihnen erwischt hat, nützt es nichts, solange die Königin selbst noch frei herumfliegt.

Von der Theorie zur Therapie

In der Tumorforschung wird deshalb fieberhaft daran gearbeitet, neuartige Therapien zu entwickeln, die gezielt die Tumorstammzellen zerstören und deren Fähigkeit beeinträchtigen, den Tumor zu regenerieren. Derzeit gibt es solche Therapien nicht, vor allem deshalb weil wir weder wissen wie Stammzellen ihre Teilung kontrollieren, noch was aus einer normalen Stammzelle eine bösartige Tumorstammzelle macht. Stammzellen haben nämlich eine besondere Eigenschaft. Im Gegensatz zu anderen Zellen teilen sie sich „asymmetrisch“, das heißt die beiden Tochterzellen sind verschieden und nehmen ein unterschiedliches Schicksal an [1]: Eine der beiden Tochterzellen bleibt Stammzelle und sorgt dafür, dass Stammzellen ein unerschöpfliches Reservoir der zellulären Erneuerung darstellen. Die andere aber hört auf sich zu teilen und ersetzt verbrauchte oder zerstörte Körperzellen. Diese asymmetrische Zellteilung ist allen Stammzellen gemeinsam und ist der Grund, warum solche Zellen von enormer Bedeutung für die Therapie von Gewebeschäden aller Art sind.

Brat – ein Regulator der Stammzellproliferation

Bei der Suche nach den Mechanismen dieser asymmetrischen Zellteilungen ist uns nun ein Durchbruch gelungen, der erklären könnte wie aus einer normalen Stammzelle eine Tumorstammzelle wird. Unser Objekt der (Wissens-) Begierde dabei ist die Fruchtfliege, Drosophila melanogaster. Die meisten von uns kennen Fruchtfliegen nur aus dem Obstkorb oder dem vergessenen Abfalleimer. Für uns aber sind Fruchtfliegen eine unproblematische Alternative zu Tierversuchen mit Mäusen und Ratten. In Wirklichkeit sind die Fruchtfliegen sogar der am besten untersuchte mehrzellige Organismus überhaupt. Es stellte sich heraus, dass etwa 2/3 aller menschlichen Krankheitsgene auch bei Fliegen vorhanden sind und dass Fliegen – wie wir – Stammzellen haben und eben auch Tumore bekommen können. Es ist sogar so, dass die Stammzellen und wie sie sich asymmetrisch teilen in Fliegen besser verstanden sind als in jedem anderen Organismus – Grund genug zu fragen, ob auch bei Fliegen Stammzellen für die Tumorentstehung verantwortlich sind.
Auf diesem Weg haben wir kürzlich eine bedeutsame Entdeckung gemacht. Wir haben das Gen Brat charakteri-siert und herausgefunden, dass es in Gehirnstammzellen eine besondere Funktion hat: Brat ist verantwortlich dafür, dass die beiden Töchter der Stammzelle unterschiedlich werden [2]. Und wie macht es das? Die Antwort war ebenso faszinierend wie überraschend: Wenn die Stammzelle sich teilt, gibt sie ihr Brat Protein nur an eine der beiden Tochterzellen weiter. In dieser Zelle stoppt Brat die Zellteilung. Die andere geht leer aus – und bleibt deswegen Stammzelle. Die Sensation ist nun, was passiert, wenn das Brat Protein fehlt: In diesem Fall bleiben beide Tochterzellen Stammzellen. Es kommt zu einer -unkontrollierten, exponentiellen Vermehrung der Stammzellen. Die Stammzellen hören nicht auf sich zu teilen. Das Gehirn wächst zu einer riesigen Größe heran, es füllt schließlich den ganzen Körper der Fliege aus und tötet sie [2,3]. Was wir hier gefunden haben, ist nichts weniger als ein Mechanismus, wie aus einer einzigen Stammzelle ein zerstörerischer, tödlicher Tumor entstehen kann.

Und wie geht’s weiter?

Warum ist das nun so interessant? Erstens gibt es das Brat-Gen auch beim Menschen und Experimente, seine Funktion zu untersuchen, sind bereits voll im Gange. Viel wichtiger ist aber, dass wir mit der Fliege nun ein Werkzeug haben um auch andere Gene zu finden, die ähnliche Eigenschaften haben und Stammzellen in Schach halten um Tumore zu vermeiden. Durch eine neuartige Bibliothek und Fliegenstämme, die an unserem Institut erzeugt wurden, können wir das sogar ganz systematisch machen. Mithilfe dieser Bibliothek können wir jedes der etwa 13.000 Fliegengene ganz gezielt in Stammzellen ausschalten und nachsehen, ob sich ein Tumor ausbildet [4]. Wir haben bereits eine Reihe solcher Gene gefunden und man kann gespannt sein, welche Funktion sie in menschlichen Stammzellen haben werden. Eine Tumortherapie, die gezielt auf Stammzellen angesetzt ist, ist damit zwar noch nicht erreicht. Medikamente, die in Zukunft solche Stammzellregulatoren beeinflussen können, haben aber eine gute Chance, eine solche Therapie in den Bereich des Möglichen zu rücken. Die vielen Stunden, die wir mit dem Kreuzen und Sezieren von Fruchtfliegen verbringen, wären damit sicherlich reichlich entlohnt.

Literatur:
[1]
Knoblich, J. A. (2008). Mechanisms of asymmetric stem cell division. Cell 132, 583?–?597.
[2]
Betschinger, J., Mechtler, K., and Knoblich, J. A. (2006). Asymmetric segregation of the tumor suppressor brat regulates self-renewal in Drosophila neural stem cells. Cell 124, 1241?–?1253.
[3]
Bowman, S. K., Rolland, V., Betschinger, J., Kinsey, K. A., Emery, G., and Knoblich, J. A. (2008). The tumor suppressors Brat and Numb regulate transit-amplifying neuroblast lineages in Drosophila. Dev Cell 14, 535?–?546.
[4]
Mummery-Widmer, J.L., Yamazaki, M., Stoeger, T., Novatchkova, M., Chen, D., Dietzl, G., Dickson, B.J., and Knoblich, J.A. (2009) Genome-wide analysis of Drosophila external sensory organ development by transgenic RNAi, Nature, in press.

Bildquelle: © IMP/IMBA

Stichwörter:
Tumorforschung, Stammzellen, Brat, Brat-Gen, Tumorstammzellen, Stammzellproliferation

L&M 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2009.
Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download

Der Autor:

Weitere Artikel online lesen

News

Schnell und einfach die passende Trennsäule finden

Schnell und einfach die passende Trennsäule finden
Mit dem HPLC-Säulenkonfigurator unter www.analytics-shop.com können Sie stets die passende Säule für jedes Trennproblem finden. Dank innovativer Filtermöglichkeiten können Sie in Sekundenschnelle nach gewünschtem Durchmesser, Länge, Porengröße, Säulenbezeichnung u.v.m. selektieren. So erhalten Sie aus über 70.000 verschiedenen HPLC-Säulen das passende Ergebnis für Ihre Anwendung und können zwischen allen gängigen Herstellern wie Agilent, Waters, ThermoScientific, Merck, Sigma-Aldrich, Chiral, Macherey-Nagel u.v.a. wählen. Ergänzend stehen Ihnen die HPLC-Experten von Altmann Analytik beratend zur Seite – testen Sie jetzt den kostenlosen HPLC-Säulenkonfigurator!

© Text und Bild: Altmann Analytik

ZEISS stellt neue Stereomikroskope vor

ZEISS stellt neue Stereomikroskope vor
Aufnahme, Dokumentation und Teilen von Ergebnissen mit ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508

ZEISS stellt zwei neue kompakte Greenough-Stereomikroskope für Ausbildung, Laborroutine und industrielle Inspektion vor: ZEISS Stemi 305 und ZEISS Stemi 508. Anwender sehen ihre Proben farbig, dreidimensional, kontrastreich sowie frei von Verzerrungen oder Farbsäumen.

© Text und Bild: Carl Zeiss Microscopy GmbH