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Sicherheitswerkbänke in Hochsicherheitslaboren

Wir wollen gehegt und gepflegt werden!

Die europäischen und nationalen Vorschriften verpflichten biotechnologische und pharmazeutische Laboratorien zur Verwendung von Sicherheitswerkbänken [1-16].

Arbeitgeber müssen vor Aufnahme der Tätigkeiten eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und erforderliche Schutzmaßnahmen treffen [17-18]. Für Hersteller und Betreiber von Sicherheitswerkbänken (SWB) ist zum Zeitpunkt der Installation einer SWB der Stand der Technik entscheidend. Er wird unter anderem durch Richtlinien, Gesetze und Normen definiert [19-22]. Bereits in Betrieb befindliche SWB älterer Bauart fallen unter den Bestandsschutz, wenn die grundlegenden Anforderungen des Arbeitsschutzes erfüllt werden. Die Überwachungsbehörden sind angehalten, dies zu kontrollieren und gegebenenfalls z.B. eine Nachrüstung oder intensivere Serviceintervalle zu verlangen. Bei der aseptischen Herstellung von toxischen Parenteralia, den so genannten CMR1-Arzneimitteln, müssen Sicherheitswerkbänke für Zytostatika (SFZ) zum Einsatz kommen [23-27]. Beim Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen infektiösen, toxischen oder allergenen Gefährdungspotenzials sind mikrobiologische Sicherheitswerkbänke (MSW) der Klasse I, II oder III zu verwenden [28-30].

Schutzfunktionen

Die elementaren Schutzfunktionen einer SWB sind der Personen-, Produkt- und Verschleppungsschutz. Der Personenschutz wird gewährleistet durch das Rückhaltevermögen biologischer Arbeitsstoffe und/oder Gefahrstoffe aus dem Arbeitsraum. Beim Produktschutz werden die im Arbeitsraum verwendeten Produkte vor Kontaminationen aus der Umwelt bzw. Umgebung geschützt. Der Verschleppungsschutz ist die Eigenschaft einer SWB, das im Arbeitsraum verwendete Produkt vor biologischen Arbeitsstoffen und/oder Gefahrstoffen aus dem Arbeitsraum zu schützen. Die meisten Arbeitsschutzeinrichtungen in Laboratorien sind MSW der Klasse II oder SFZ und gewährleisten alle oben genannten Schutzfunktionen. SWB sind nicht mit Abzügen [31] oder reinen Produktschutz-Werkbänken [32-33] zu verwechseln.

Strömungsmechanik

Die richtige Kombination turbulenzarmer Verdrängungsströmung im Arbeitsraum und Lufteintrittsströmung in der Arbeitsöffnung gewährleistet in Verbindung mit Partikelfiltern die Schutzfunktionen. Ziel ist eine schnelle und sichere Beseitigung von Kontaminationen, ohne den Menschen, die Umwelt oder das Produkt zu gefährden. Der Hersteller muss im Rahmen der Entwicklung die optimalen Strömungsverhältnisse ermitteln. Unter diesen Bedingungen sind bei der Typprüfung die Schutzfunktionen mit der mikrobiologischen Methode nachzuweisen. Jede SWB hat bedingt durch die Bauart einen eigenen, optimalen «Arbeitspunkt». Die ermittelten Sollströmungsgeschwindigkeiten sind verbindlich in der Dokumentation festzuhalten [34-35] und regelmäßig durch den Betreiber zu verifizieren. Ist z.B. die kinetische Energie der Verdrängungsströmung wesentlich größer als die der Lufteintrittsströmung, dann kann der Personenschutz nicht mehr gewährleistet werden. Dagegen ist bei höherer Lufteintrittsströmung der Produktschutz nicht mehr sicher gestellt [36-37].

Filtertechnik

In SWB sind Filter das sicherheitsrelevante Bauteil schlechthin. Die HEPA2-Filter müssen Kontaminationen sicher abscheiden und mindestens der Klasse H 14 entsprechen [38-39]. Sie sind so anzuordnen und zu dimensionieren, dass die Leckagesicherheit und der Dichtsitz [40–41] gewährleistet sind. Alle HEPA-Filter sind gegen mechanische Beschädigungen und ungeeignete Belastungen zu sichern. Bei SWB älterer oder einfacher Bauart ist es immer wieder zu leichtfertigen Beschädigungen von Filtern gekommen. Bei der Verwendung von segmentierten oder perforierten Arbeitsplatten gilt es, verschüttete Flüssigkeiten so aufzufangen, dass sie nicht in den Hauptfilter tropfen können. 2- und 3-Filter-Systeme unterscheiden sich in der Anzahl der integrierten HEPA-Filter. Die zusätzliche HEPA-Filterstufe befindet sich direkt unterhalb der Arbeitsfläche. Ein hohes Gefährdungspotential fordert fast immer den Einsatz von 3-Filter-Systemen [42].

Unmittelbare Filtrierung von Kontaminationen

Ein wesentliches Argument für die Verwendung eines 3-Filter-Systems ist das Abscheiden partikelförmiger Kontaminationen direkt unterhalb der Arbeitsfläche. Dadurch sind kontaminierte Bereiche wesentlich kleiner als bei einem 2-Filter-System. Alle potenziell kontaminierten Bereiche sind für eine Reinigung und Desinfektion zugänglich. In vielen Fällen kann auf die gefährliche Begasungen mit Formaldehyd zur Inaktivierung von biologischen Arbeitsstoffen verzichtet werden. Das HEPA-Hauptfilter scheidet mindestens 99,995 % aller Partikel ab, und somit werden die nachfolgenden Filter regelrecht unter partikelfreien Bedingungen betrieben. DIN EN 12469 weist darauf hin, dass Luftkanäle, die kontaminierte Luft führen, so kurz wie möglich sein müssen [43]. Im Merkblatt B 011 „Sicheres Arbeiten an mikrobiologischen Sicherheitswerkbänken“ der BG Chemie wird die Verwendung von 3-Filter-Systemen befürwortet, wenn keine sichere Dekontamination von Filtern in der SWB durchgeführt werden kann [44].
Viele Servicetätigkeiten, wie der Austausch eines Ventilators oder Filters können erheblich sicherer, schneller und kostengünstiger durchgeführt werden. Ist ein 2-Filter- System mit nicht in der SWB dekontaminierbaren Gefahrstoffen (z.B. CMR-Arzneimitteln) oder biologischen Arbeitsstoffen (z.B. TSE3-assoziierten Agenzien) kontaminiert, werden die Servicetätigkeiten aufwendig: Die SWB wird dann in einem Unterdruckzelt hermetisch eingeschlossen, in dem der mit persönlicher Schutzausrüstung geschützte Servicetechniker arbeitet.

Kontaminationsarmer Filterwechsel

Die Hauptfilterstufe ist kontaminationsarm zu wechseln. Der Filterwechsel ist definiert als eine segmentierte HEPA Filterstufe, die bei laufendem Betrieb gewechselt werden kann. Eine Alternative ist das in der Kerntechnik etablierte Oelmeyer-Verfahren [45] (Sackwechseltechnik). Entscheidend ist die Baugröße der einzelnen Filterelemente [46-49]. In SWB kontaminierte Um- und Abluftfilter sind für einen sicheren Wechsel, Transport und Dekontamination völlig ungeeignet, denn sie messen bis zu 1,8 x 0,6 Meter. Die zu inaktivierenden Filterelemente aus einer HEPA-Hauptfilterstufe dürfen entsprechend der Definition des kontaminationsarmen Filterwechsels eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Hilfreich ist hier die Bestimmung, dass Filterelemente in übliche Abfallentsorgungsbehälter (60–90 l) passen müssen.

Filterinaktivierung und Entsorgung

In vielen Laboratorien ist die Dekontamination von Abfällen und Filtern direkt vor Ort vorgeschrieben [50–57]. Das einzige zugelassene Verfahren zur Inaktivierung von biologischen Arbeitsstoffen ist die Raumdesinfektion mit Formaldehyd [58-59]. Über die Wirksamkeit dieses reinen Oberflächenverfahrens existieren keine gesicherten Erkenntnisse. Dies gilt speziell für die Tiefenwirkung, da die Filter zur Vergrößerung der effektiven Oberfläche in Faltenform gepackt werden. Das mikrobiologische Wirkungsspektrum ist beschränkt, weil das Verfahren zur Desinfektion von Milzbrandsporen, Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf oder TSE-assoziierte
Agenzien ungeeignet ist [60]. Darüber hinaus besitzt Formaldehyd ein krebserzeugendes Potenzial [61-62]. Letztlich kommen nur thermische Verfahren wie das Autoklavieren oder die Verbrennung zur sicheren Inaktivierung in Frage. Das Autoklavieren der Filter vor Ort ist die ideale Lösung. Ist dies nicht möglich, sind der sichere Transport und die thermische Behandlung in einer Sondermüllverbrennungsanlage (SVA) angezeigt. In jedem Fall ist bei der Behandlung und Entsorgung von Abfällen die Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten [63-65].

Prüfung

Nur eine regelmäßig geprüfte SWB bietet optimale Funktion und Schutz [66]. Die durchzuführenden Prüfungen liegen je nach Prüfungsart in der Verantwortung des Herstellers oder Betreibers. Grundlage der Leistungsprüfungen sind DIN 12980, DIN EN 12469 und detaillierte Herstellerangaben. Arbeitsschutzgeräte sind mindestens jährlich einer Leistungsprüfung durch autorisierte Servicetechniker zu unterziehen, bei erhöhtem Gefährdungspotential in entsprechend kürzeren Intervallen. Die verwendeten Messmittel sind im Prüfprotokoll zu dokumentieren. Die durchgeführten Prüfungen sind in einem Prüfprotokoll und im Gerätebuch zu dokumentieren [67]. Ist die SWB Teil eines Reinraumsystems bzw. steht diese in einem Reinraum, so sind über die gerätespezifischen Anforderungen hinaus weitere Prüfungen angezeigt, z.B. die Bestimmung der Partikelreinheitsklasse im Arbeitsraum [68-70].

Literaturverzeichnis und weitere Informationen beim Autor

t.hinrichs@berner-international.de

Lesen Sie hier noch weitere Beiträge von Dipl.-Ing. Thomas Hinrichs:
http://www.laborundmore.de/research/1445

L&M 4 / 2007

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 4 / 2007.
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