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Weibliches Führungspotenzial

Zwischen Stereotypie und Realität

Prof. Dr. Martina Stangel-Meseke, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Business and Information Technology School in Iserlohn

Obwohl Frauen über die Eigenschaften verfügen, die erfolgreichen Managern zugesprochen werden, scheinen erfolgreiche Managerinnen nach wie vor als Provokation und Angriff auf jahrhundertelange, tradierte Rollen und Berufsstrukturen zu gelten.

So verwundern auch die aktuellen Daten der Studie „Frauen im Management“ nicht: Frauen sind im Management in allen Bundesländern nach wie vor unterrepräsentiert, was sich mit steigender Position im Unternehmen immer weiter verstärkt. So zeigt die Studie über große, mittelständische und kleine Unternehmen, Behörden sowie Verbände zusammengefasst folgendes auf: Im Management insgesamt befinden sich 17 % Frauen (111.813) gegenüber 83 % Männern (528.021), im mittleren Management 26 % Frauen (73.410) gegenüber 74 % Männern und im Topmanagement ebenso wie in den Aufsichtsgremien 11 % Frauen (38.403) gegenüber 89 % Männern (322.732).

Kleine und mittelständische Unternehmen beschäftigen im mittleren Management immerhin die meisten Frauen. Diese Tatsache ist nur ein schwacher Trost angesichts der erschütternden Unterrepräsentation der in den Medien doch so stark gepriesenen qualifizierten Frauen, die angeblich auf dem Vormarsch seien. Was hindert Frauen daran, in Führungspositionen vorzudringen? In Unternehmen erschweren Geschlechterstereotype ihr Vorankommen, da in vielen Kulturkreisen das männliche Geschlechterstereotyp mit der stereotypen Vorstellung von Managern übereinstimmt (think manager – think male- stereotype) und Frauen Führungseigenschaften so mit in weniger starkem Ausmaß zugeschrieben werden [1].

Gerade in Personalauswahlsituationen beruht die Sympathie für andere Personen auf wahrgenommenen Ähnlichkeiten: Da die meisten entscheidungsrelevanten Positionen männlich besetzt sind, werden männliche Bewerber positiver beurteilt und die von Männern besetzten Führungsetagen bleiben männerdominiert (homosexuelle Reproduktion). Dieser Effekt ist umso gravierender, je weniger strukturiert und anforderungsorientiert die Auswahlsituation seitens der Personalentscheider gestaltet wird. Ferner sind Frauen häufig mit Vorurteilen konfrontiert, die jeglicher Fakten entbehren. So wird behauptet, dass Frauen oft nicht ausreichend qualifiziert, nicht weiterbildungsbereit und mobil seien und ihre häufige Fluktuation aufgrund potenzieller Schwangerschaft ein Investitionsrisiko darstelle. Fakt ist, dass Männer auch dann Frauen im Beruf vorgezogen werden, wenn Frauen die deutlich bessere Qualifikation besitzen.

Fakt ist, dass Frauen eine ausgeprägte Weiterbildungsbereitschaft besitzen und sogar mobiler sind als Männer. Fakt ist, dass Frauen ihre Arbeitgeber nicht aufgrund familiärer Anliegen, sondern wegen nicht honorierter Leistungen wechseln. Dennoch werden diese Vorurteile in der betrieblichen Praxis aufgrund der Betonung stereotypkonformer Einzelfälle derart genährt, dass sie einen sog. Token-Women- Status erhalten, der im Sinne einer Etikettierung wiederum geschlechtsstereotype Erwartungen aktiviert und verstärkt. Ebenso erschweren die von Frauen selbst ausgehenden Hindernisse ihren beruflichen Aufstieg: Evolutionsbiologisch betrachtet, ist keines der Geschlechter auf eine direkte Konkurrenzsituation vorbereitet, aber anlagebedingt befindet sich der Mann durch ein rigoroseres Vorgehen, die Neigung zur Selbstüberschätzung und die Fähigkeit, sich besser in Szene setzen zu können, im Vorteil [2]. Soziologische Ansätze hingegen sehen in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung die Ursache für weibliche aufstiegshinderliche Verhaltensweisen, denn die Haus- und Familienarbeit verlangt Eigenschaften (z.B. Fürsorglichkeit, Einfühlungsvermögen), die den Anforderungen der Berufsarbeit wie Verfolgung des Eigeninteresses, hohe Leistungsorientierung und Strategien zur Selbstdarstellung entgegenstehen. Ein weiterer Unterschied weiblicher und männlicher Strategien liegt in der Zuschreibung von Erfolgen: Während Erfolg von Frauen eher variablen Ursachen und Misserfolg eher stabilen Faktoren zugeschrieben wird, verhält es sich bei Männern genau umgekehrt. In der Konsequenz trauen sich Frauen weniger zu und schrecken vor größeren Aufgaben eher zurück, was wiederum das Vorurteil gegenüber Frauen im Beruf nährt, dass sie keine Karriere- und Leistungsmotivation hätten. Die aufgeführten Hindernisse führen zu einer Diskriminierung und Isolation berufstätiger Frauen aus informellen Netzwerken, die nach wie vor für den beruflichen Aufstieg relevant sind. Zur Überwindung dieser Hürden benötigen Frauen wirksame internale und externale Ressourcen. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, eine Aufgabe trotz widriger Umstände erfolgreich zu meistern, ist hierbei von ebenso großer Bedeutung wie eine androgyne Geschlechterrollenorientierung, die ein situationsgerechtes Verhalten ermöglicht sowie proaktive und reak tive Handlungsstrategien. Externale Ressourcen hingegen werden vor allem in sozial funktionierenden firmeninternen und/oder externen Netzwerken und in Form von sozialer Unterstützung (z.B. informelle und/oder emotionale Unterstützung) sichtbar [3]. Frauen, die es in das Management geschafft haben, werden ebenso wie ihre männlichen Kollegen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen konfrontiert. So unterscheiden sich weibliche und männliche Führungskräfte aufgrund ihrer Wahrnehmungs- und Kommunikationsstrategien voneinander. Sind aufgrund dessen nun unterschiedliche Führungsstile zu erwarten? Entgegen dieser Vermutung weist die Forschung darauf hin, dass sich die Führungsstile von Männern und Frauen weniger stark unterscheiden als angenommen. Die Intragruppendifferenz ist sogar größer als die Intergruppendifferenz und sowohl weibliche als auch männliche Führungskräfte sind in der Praxis nicht frei, ihren „eigenen“ Führungsstil zu praktizieren, da sie externen Zwängen unterliegen [4].

Das Beseitigen der Hindernisse auf dem Weg in Führungspositionen und die Sicherung einer nachhaltigen Führungskraftposition bedarf der intensiven Reflexion bezüglich des eigenen Machtverständnisses sowie Rollenbildes. Frauen müssen bereit sein, ihre Stärken (soziale Kompetenz, ganzheitliches Denken, Empathie) einzusetzen und ihre hierarchische Position selbstverständlich anzunehmen. Eine ganz besondere Bedeutung haben in diesem Kontext Kontakte und Netzwerke. Je mehr Frauen in Führungspositionen sind, desto mehr können sie als Vorbilder für andere Frauen fungieren. Je selbstwirksamer sich Frauen wahrnehmen, desto erfolgreicher werden sie sein und können über ihr Handeln positive Akzente setzen. Ebenso stehen Unternehmen in der Pflicht, Frauen auf diesem Weg zu unterstützen, wollen sie nicht wertvolles Potenzial verkümmern lassen. Insbesondere die Personalentwicklung ist hier gefragt (s. Kasten). Neben und trotz gezielter Personalentwicklungsmaßnahmen bedarf es einer nachhaltigen Unternehmenskulturänderung, in der mit Unterstützung beider Geschlechter in der Unternehmung tradierte Rollenbilder aufgebrochen werden und die Mär vom „männlichen Platzhirsch und dem sensiblen Prinzesschen“ zugunsten einer zukunftsweisenden gender-fairen Unternehmenspolitik widerlegt und konsequent wider stereotyper Prozesse praktiziert und realisiert wird.

Literatur bei der Autorin

Foto: © Prof. Dr. Martina Stangel-Meseke

L&M 2 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 2 / 2009.
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