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Mikrowellentechnologie - Interview mit Dr. Nicole Jung und Sylvia Vanderheiden

Die Suche nach neuen biologisch aktiven Verbindungen und deren Analyse durch Hochdurchsatz-Screening verlangen nach effizienten Methoden zur Herstellung möglichst großer, aber gleichzeitig individuell gestaltbarer Substanz-
bibliotheken. Die Arbeitsgruppe ComPlat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat modernste Mikrowellentechnologie im Einsatz, um viel versprechende Leitstrukturen gezielt zu optimieren. Ziel ist es, KIT-internen als auch externen Kooperationspartnern neueste Forschungsergebnisse in Form optimierter Produktbibliotheken zur Verfügung zu stellen.

Mit rund 8.000 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von etwa 700 Mio. Euro zählt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu einem der weltweit größten Forschungs- und Lehreinrichtungen, die sich entlang der drei strategischen Handlungsfelder Forschung, Entwicklung und Lehre positionieren. Eine besondere Plattform am Campus Nord bildet ComPlat, eine Untergruppe des Arbeitskreises von Prof. Dr. Stefan Bräse, die sich mit der Entwicklung neuer Synthesen zur Generierung kombinatorischer Bibliotheken beschäftigt. Ziel ist es, KIT-internen als auch externen Kooperationspartnern neueste Forschungsergebnisse in Form optimierter Produktbibliotheken zur Verfügung zu stellen.

Frau Dr. Jung, das KIT ist einzigartig in der deutschen Forschungslandschaft und besonders stolz auf seine nachhaltige Innovationskultur. Ca. 5.000 Wissenschaftler/innen ordnen sich entsprechend ihrem Fachwissen Kompetenzfeldern zu, die thematisch wiederum zu Kompetenzbereichen gebündelt sind. Wie lässt sich die Arbeitsgruppe ComPlat in diese Struktur eingliedern?

Dr. Jung ComPlat steht für „Combinatorial Platform“ und dieser Name beinhaltet im Wesentlichen das, wofür wir stehen. Wir betreiben Parallelsynthesen und kombinatorische Chemie an fester sowie in flüssiger Phase. Zudem betreiben wir ein organischchemisches Labor für Synthesen im Gramm-Maßstab. Damit gliedert sich ComPlat in das Kompetenzfeld Angewandte Lebenswissenschaften ein. Unsere Kooperationspartner am Campus Nord des KIT sind ebenfalls hauptsächlich diesem Kompetenzfeld zuzuordnen. So werden die Substanzbibliotheken hauptsächlich für Screenings in den Kompetenzbereichen Toxikologie/Ernährungswissenschaft und Zell-/Strukturbiologie synthetisiert.

Ein wesentlicher Teil ihrer wissenschaftlichen Leistung liegt in der Erstellung von individuell gestaltbaren Substanzbibliotheken. Was kann man sich darunter vorstellen?

Dr. Jung Durch unsere Infrastruktur – wir verfügen über modernste Geräte zur Synthese von Substanzbibliotheken von 96 bis ca. 1.000 Verbindungen – haben wir die Möglichkeit, unseren Screeningpartnern Substanzen zur Verfügung zu stellen, zu denen bisher nur eingeschränkter oder kein Zugang möglich war. Basierend auf der Substanz unseres Screeningpartners können wir die Synthesen gezielt auf die gewünschten Anwendungs- bzw. Testbereiche abstimmen, Leitstrukturen weiter optimieren und fokussierte Bibliotheken aufbauen. Momentan synthetisieren wir fluorierte und deuterierte Verbindungen, die hauptsächlich in Kooperation mit dem Institut für Toxikologie und Genetik (ITG) auf ihren Einfluss auf das zentrale Nervensystem hin getestet werden sollen. Unsere Türen stehen aber grundsätzlich allen offen, die Interesse daran haben, ihre aktivitätsaufweisenden Moleküle weiter zu funktionalisieren.

Die Synthese spielt bei der Entwicklung neuer Verbindungen eine entscheidende Rolle. Inwiefern werden Sie dabei durch modernste Technologie unterstützt bzw. inwieweit erleichtert diese Ihnen Ihren Laboralltag?

Dr. Jung Während das konventionelle organische Labor auf die Synthese größerer Substanzmengen ausgelegt ist, erfordert die kombinatorische Synthese spezielleres Equipment: Es kommt darauf an, dass möglichst viele Varianten in kleinen Mengen hergestellt werden können. War es bisher in Standardmikrowellengeräten üblich, jede Verbindung einzeln zu synthetisieren, können wir z. B. heute mit Hilfe des Synthos 64 Reaktionen parallel durchführen. Mittlerweile nutzen wir auch für Reaktionen, die standardmäßig durch Erwärmen in Öl-/Sandbädern oder Heizblöcken durchgeführt wurden, häufig die Mikrowelle. Der entscheidende Vorteil im Bereich der Methodenentwicklung: Da wir nicht mehr darauf angewiesen sind, alle Reaktionen nacheinander durchzuführen, stehen uns in diesen Fällen Ergebnisse aus 64 Reaktionen gleichzeitig zur Verfügung.

Die Mikrowelle hat in den letzten zehn Jahren immer mehr an Akzeptanz gewonnen. Welche Vorteile haben Sie überzeugt bzw. beeinflussen Ihre Arbeit positiv?

Dr. Jung Ein wesentlicher Punkt ist sicher der Faktor Zeit. Durch die Mikrowellenbestrahlung können Reaktionszeiten von Syntheseprozessen deutlich reduziert werden, und das unabhängig von der Möglichkeit der Parallelsynthese, was sich in rascheren Ergebnissen widerspiegelt. Ein weiteres Plus: Durch die Mikrowelle können wir die Temperatur der Reaktionen gut kontrollieren und dokumentieren (dies geschieht automatisch und ist jederzeit abrufbar). Auch können wir sehr rasch auf Temperaturen über den Siedepunkt der Lösungsmittel erhitzen. Die Synthesen unter erhöhtem Druck sind ohne zusätzlichen apparativen Aufbau möglich. Hohe Temperaturen (über +150 °C) spielen bei unseren Bibliotheksynthesen zwar noch keine Rolle, da wir meist Polymere als Trägermaterialien verwenden, welche bei hohen Temperaturen nicht stabil bleiben, allerdings findet die Mikrowelle bei der Entwicklung unserer Linkersysteme in Lösung häufig Verwendung. Frau Vanderheiden Für mich als Anwenderin spielen die Argumente Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit eine wichtige Rolle. Ich möchte mich in meiner Arbeitsumgebung und beim Bedienen der Mikrowelle sicher fühlen. Beispielsweise sind die mitgelieferten Glasgefäße sehr stabil und können standardmäßig für alle Reaktionen verwendet werden. Die speziellen Teflondichtungen und Schraubverschlüsse sind sehr einfach in der Handhabung und halten hohem Druck gut stand. Außerdem ersparen wir uns durch die neue Mikrowelle die Anschaffung eines Autoklaven. Flüssigphasenreaktion im Autoklaven der Uni bedeutete bislang immer, unsere Substanzen von Campus Nord zu Campus Süd zu fahren. Damit ist nun Schluss.

Sie haben die Mikrowelle nun seit rund einem Jahr im Einsatz. Hat sich für Sie und Ihr Team der Workflow bei Ihrer täglichen Arbeit dadurch verändert?

Dr. Jung Für Synthesesequenzen sehen wir einen deutlich höheren Durchsatz an Reaktionen. Auch Reagenzscreenings gestalten sich seit dieser Zeit einfacher. Die Mikrowelle hilft uns sehr häufig, aber unsere Arbeitsweise basiert nicht grundsätzlich auf Mikrowellentechnik. Da der Einsatz sehr vom aktuellen Projekt abhängt, kommen die Vorteile sehr unterschiedlich stark zum Tragen. Wir stellen die Mikrowelle bei Bedarf auch Kollegen aus anderen Arbeitsgruppen zur Verfügung. Die Zusammenarbeit ist ein Geben und Nehmen, daraus gehen manchmal sogar gemeinsame wissenschaftliche Publikationen hervor.

Als Teil der Arbeitsgruppe Bräse und enger Kooperationspartner des ITG beschäftigen Sie sich mit anspruchsvollen Fragestellungen der kombinatorischen Chemie. Sehen Sie Trends, welche Forschungsbereiche in der Zukunft noch wichtiger für Sie werden?

Dr. Jung Wir werden uns weiterhin auf die Entwicklung neuer Synthesestrategien und Linker zur Herstellung von Substanzbibliotheken konzentrieren. Zusätzlich werden Methoden zur selektiven Markierung dieser Bibliotheken durch z. B. Isotopenlabeling in Zukunft mehr Gewicht bekommen. Gleichzeitig – und das ist für uns nicht weniger wichtig – beabsichtigen wir, die bereits bewährten Prozesse mehr und mehr zu automatisieren. In diesem Zusammenhang stehen weitere mittelfristige Veränderungen an: Momentan sind wir noch auf die Gemeinschaftsnutzung vieler Geräte mit dem Institut für Organische Chemie am Campus Süd angewiesen, wir werden aber sicher in die eigene Infrastruktur investieren müssen, um unsere Forschungsvorhaben zu verwirklichen.

Frau Dr. Jung, Frau Vanderheiden, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre weiteren Vorhaben.

Foto: © Frau Dr. Jung

L&M 5 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2011.
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